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„Teamwork, Vertrauen und Respekt“

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Leonard Bernsteins „West Side Story“ in Bad Tölz
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Sechs Vorstellungen an zwei Wochenenden, eine doppelte Besetzung, circa 100 Mitwirkende auf der Bühne. Live-Musik aus dem Orchestergraben des extra für das Musical gegründeten Orchesters und ein starkes Leitungsteam sowie viele freiwillige Helfer*innen – so geht Teamwork mit viel Vertrauen und Respekt.

Nach dem letzten gemeinsamen Projekt von Musikschule und dem Gabriel-von-Seidl-Gymnasium in Bad Tölz anlässlich der 100-Jahr-Feier der Sing- und Musikschule 2017, sollte das Musical „West Side Story“ ursprünglich im Gegenzug zum hundertjährigen Jubiläum des Gymnasiums im Jahr 2021 aufgeführt werden. Die ersten Probenarbeiten begannen im Herbst 2019, worauf 2020 das erste Pandemiejahr und der Stillstand folgten: Durch die erste Verschiebung von 2021 auf 2022 und die Absage der Vorstellungen für 2022 fehlten viele der Mitwirkenden in tragenden Rollen, die inzwischen Abitur gemacht hatten. Es folgte ein Neustart; zum Schuljahresbeginn 2021/22 waren bereits über 100 Bühnendarsteller*innen motiviert, sprechend, tanzend und singend mitzuwirken. Acht Lehrkräfte des Gymnasiums und der Sing- und Musikschule Bad Tölz bildeten das Leitungsteam der Produktion: Elisabeth Artmeier-Mogl (Regie), Sarah Thompson (Dramaturgie), Markus H. Eberhard (Dialogregie), Susanne Molendo (Choreographie), Stefanie Regus und Christina Strobel (Regieassistenz), Harald Roßberger (Musikalische Gesamtleitung), Eva Emmler und Harald Roßberger (Projektkoordination). Durch die Zusammenarbeit vorangegangener gemeinsamer Produktionen konnte man an Erfahrungswerte anknüpfen und in zahlreichen Sitzungen und Video-Meetings Konzepte, Strategien und Vorgehensweisen erarbeiten, um die Inszenierung des großen Werkes erfolgreich umzusetzen sowie den pandemiebedingten Widrigkeiten regelkonform zu begegnen.

Allen Widrigkeiten zum Trotz war es am 27. Januar 2023 dann soweit – die Premiere des so lange verschobenen Musicals. Die Turnhalle wirkt wie ein Theatersaal – eine große Bühne mit Orchestergraben ist aufgebaut, es gibt viele Sitzplätze, von denen keiner unbesetzt bleibt. Bad Tölz wartet auf die „West Side Story“. Das Publikum erwartet eine Inszenierung, die ein Niveau bereithält, von dem man bei einer Schul-Musikschul-Kooperation in der Regel nicht ausgeht. Auch Minis­terialrat Martin Breuer (Staatsminis­terium für Wissenschaft und Kunst) – selbst einmal Schüler am Gymnasium und an der Musikschule Bad Tölz – ist zur Premiere gekommen: „Für das gemeinsame Musicalprojekt West Side Story […] kann man guten Gewissens alle Superlative bemühen: Fantastisch, herausragend und grandios! Hochmotiviert und professionell bis ins kleinste Detail haben die Mitwirkenden auf, vor, hinter und neben der Bühne dem Publikum einen wirklich begeisternden Abend bereitet, an den man sich zurückerinnert! Musikalisch, gesanglich, darstellerisch, choreographisch und in der technischen Umsetzung geht es einfach nicht besser! Kultur und vor allem Musik sind im Freistaat Bayern tief und fest verwurzelt – Projekte wie dieses stehen für unseren lebendigen und vielfältigen Kulturstaat und verbinden die Menschen. Ein herzliches Dankeschön allen Beteiligten für das riesige persönliche Engagement und vor allem auch das Durchhaltevermögen angesichts der mehrmals notwendigen Verschiebungen des Vorhabens.“

Die Dialoge des Stückes sind in deutscher, die Songs in englischer Sprache auf die Bühne gebracht. Das Orchester setzt sich zusammen aus aktuellen und ehemaligen Schüler*innen sowie Lehrkräften beider Einrichtungen, ist somit mit Menschen besetzt, die von den Ausbildungsmöglichkeiten in Tölz profitiert haben und sehr viel an das Tölzer Kulturleben zurückgeben. „Eine ganz große Herausforderung war für uns alle, dran zu glauben, […] dass wir nur mit ehrlichen Kräften arbeiten, das heißt, dass wir niemanden einkaufen“, so Harald Roßberger. Beide Bildungseinrichtungen arbeiten schon lange für nachhaltige musische Bildung zusammen: An der Sing- und Musikschule Bad Tölz wird der Arbeit im Bereich des Musiktheaters bereits seit Jahrzehnten große Bedeutung zugemessen. Das Gabriel-von-Seidl-Gymnasium fördert junge Menschen vor allem im musischen Zweig; das Fach Tanz wird mit langer Tradition als Wahlfach am Gymnasium angeboten.

Im Wahlkurs Stimmbildung werden Kinder der fünften und sechsten Klasse mit dem Umgang der eigenen Stimme vertraut gemacht. Es wundert also nicht, dass in Bad Tölz etwas Großes auf die Bühne gebracht wurde. Doch was nehmen alle Akteure nach Ende des Projektes mit? „Ich glaube, Mut ist etwas, was wirklich jeder mitnimmt […] und eine Form von Selbstwert. Und das Bewusstsein ist da, dass wir zusammen eine Pandemie durchgestanden haben; es hat sich niemand einsam gefühlt. […] Und das in einer Phase, in der Einsamkeit ein großes gesellschaftliches Thema war“, so Sarah Thompson. Gesa Hepbildikler (Darstellerin der Anita) hat vor dem Projekt zwar viel Musik gemacht, war im Gesang aber nicht erprobt: „Ich nehme eine Weiterbildung der Stimme mit, weil ich vorher nicht gesungen habe. Und auch, dass es eben nicht nur Singen oder nur Schauspielern ist, sondern auch kombiniert wird.“ Alle Mitwirkenden entschieden sich mit der Teilnahme, viel Zeit in die Produktion zu investieren. Der Rückhalt und das Engagement des Leitungsteams war für die Bühnendarsteller*innen permanent spürbar, so Sophie Bicanic (Darstellerin der Maria): „Jeder Einzelne vom Team hat wirklich sein Ganzes gegeben und das hat man auch gemerkt. So wie wir da auf der Bühne stehen, stehen sie immer hinter uns und das ist wirklich Power, was sie uns gegeben haben.“ Auch Anton Weinmann (Darsteller des Tony), der seit 2021 Gesang in Nürnberg studiert, schließt sich an: „Ganz großes Danke an das Dozententeam. Meine Gesangslehrer waren bis kurz vorm Studium da und haben mich überhaupt erst so weit gebracht, dass ich das machen kann, was ich jetzt mache.“ Neben der fachlichen Weiterentwicklung sind aber auch feste Freundschaften entstanden, man fühle sich fast wie eine Familie, so Bicanic. Das Gefühl von Zusammenhalt war auch im Dozent*innen-Team und darüber hinaus spürbar: „Das war wirklich besonders an diesem Projekt; […] es sind unfassbar viele Menschen auf uns zugekommen. Wir haben in allen Bereichen Menschen, die sich den Schulen verbunden fühlen. Eltern, die uns in allen Bereichen unterstützen. Das ist wirklich eine tolle Schulfamilie.“ Teamwork hat die Umsetzung des Projektes vorangetrieben und auch Vertrauen und Respekt seien wichtige Komponenten, die in den Proben allgegenwärtig waren. „Wir haben quasi 4 Jahre Vertrauen von den Schülern und Schülerinnen gefordert und dann kam der Tag, wo wir alle vertrauen mussten, dass das Ding läuft. […] Wenn man mit Teenagern so ein Stück erarbeitet, wo es eigentlich nur um Rivalität, Tod, Schuld, Mut und Angst geht, muss man im Gegenzug auf pädagogischer Seite sehr viel Respekt füreinander aufbauen. Und das hat man gemerkt – da ist wahnsinnig viel Respekt für alle untereinander gegeben“, so Sarah Thompson.

Doch was kommt nach dem Projekt „West Side Story“? Das Dozierenden-Team ist sich einig: Es gibt keine Pläne. Erst einmal wird nach der intensiven Zeit etwas Ruhe und Normalität in Schule und Musikschule einkehren. „Also höher weiter schneller geht definitiv nicht. Wir müssen anderes tun und dann wird auch irgendwann wieder etwas wachsen“, so Harald Roßberger. Das gemeinsame Projekt wird mit Abschluss der Aufführungen dennoch nachwirken, ist sich Eva Emmler sicher: „Das, was wir hier erlebt haben – da sind ja auch viele dabei, die uns nächste Woche im Schulhaus ganz normal begegnen werden. Ich freue mich darauf. Es ist wundervoll. Man schaut in strahlende Gesichter und ich bin mir sicher, dass das noch ganz lange in die Schulgemeinschaft reinstrahlt.“ Auch die Tanzpädagogin Susanne Molendo schließt sich dem an: „Es geht niemals darum, sich immer wieder zu toppen. Manchmal muss es einfach völlig anders sein und das ist dann auf seine ganz andere Art und Weise genauso zauberhaft. Nicht weil es größer ist, sondern weil es im Kleineren besonders wertvoll ist.“ 

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