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Zwei Musiker spielen aneinander gelehnt vor einem schwarzen Hintergrund. Einer hat ein Akkorderon, er andere eine Bassklarinette oder ein schwarzes Saxofon. Vor beiden stehen zwei Mikrofone. Der Akkordeonist hat Gesichtszüge, die an das Down-Syndrom erinnern.

Inklusion als gelebte Realität auf dem #FIS. Foto: Christian Kathrein

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In welcher Welt wollen wir leben?

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Eine Festivalidee strahlt aus – 10. Fürther Inklusives Soundfestival
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„EINZIGARTIG! Gemeinsam genial.“ Unter diesem Motto kamen am ersten Maiwochenende bereits zum 10. Mal Bands aus ganz Deutschland zusammen, um ein Festival „außergewöhnlich normaler“ Art zu feiern. Dazu eingeladen hat die Musikschule Fürth e. V. mit Schulleiter Robert Wagner, welche 2007 das erste Festival dieser Art – noch im eigenen Haus und unter dem Namen Fürther integratives Soundfestival – veranstaltet hatte. Mittlerweile findet das Fürther Inklusive Soundfestival #FIS als lokal etablierte Veranstaltung alle zwei Jahre im Kulturforum Fürth statt und entwickelt eine Strahlkraft in die eigene Stadtgesellschaft hinein sowie über die Fürther Stadtgrenzen hinaus.

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Auch in diesem Jahr geht die Idee des Festivals voll auf: Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, mit und ohne Behinderung präsentieren an zwei Konzertabenden Musik, die gespielt und gehört werden will. Alles findet unter professionellen Bedingungen statt, zum Beispiel bei den organisatorischen Abläufen oder der Ton- und Lichttechnik. Die Menschen begegnen sich vor, auf und hinter der Bühne. Vielfalt wird erlebbar, sowohl durch die auftretenden Musiker:innen als auch in der dargebotenen Musik.

Eingeladen war neben inklusiven Ensembles der Musikschule Fürth (Patchwork, Alle Neune) und solchen aus ganz Deutschland (STUDIO D, Jumping Jack, open excess, just fun) das international renommierte Weltmusik­quartett „Quadro Nuevo“. Eine Fusion des Profiensembles mit der inklusiven Band „Vollgas Connected“ (Menschen mit und ohne Behinderung) der Musikschule Fürth stellte definitiv einen der Höhepunkte des Festivals dar. Die 38 Musiker:innen im ausverkauften Kulturforum beeindruckten mit einem durchweg anspruchsvollen Programm aus Stücken wie Chick Coreas „Armando’s Rumba“ oder türkischen Volksliedern im 7/8- und 9/8-Takt. Das gemeinsame Musizieren erfolgte ohne Dirigat immer auf Augen- und Ohrenhöhe sowie in großer und ehrlicher Anerkennung der Leistung des jeweils anderen. 

Doch was das Aufeinandertreffen der beiden Gruppen so besonders macht, geht über die fachliche Kompetenz aller Beteiligten hinaus. Andreas Hinterseher, Akkordeonist von Quadro Nuevo, fasst zusammen:

Die ungeschminkte Freude, mit der die vielen jungen Musiker die Musik zelebrieren, die Geschichten, die sie zu erzählen haben, dabei dieser unendlich liebevolle und menschliche Umgang miteinander. Ich höre sehr viel Musik, aber bei keiner anderen Band als bei Vollgas stehe ich mit offenem Mund und Tränen in den Augen im Publikum und kann es kaum fassen, wie gut sie sind. Was alles möglich ist, wenn Menschen die Chance bekommen, dabei zu sein und mit ihrer Kunst einen eminenten Beitrag zur Menschlichkeit zu leisten.

Wenn ein Profimusiker, der bereits die ganze Welt bereist hat, solche Worte der Rührung findet – sogar die gemeinsamen Konzerte mit Vollgas Connected als die besten Konzerte seiner Karriere bezeichnet – dann steckt da mehr dahinter als „nur“ richtige Töne. Dann liegt das auch an dem wertschätzenden, menschlichen Umgang miteinander, dem gelebten Verständnis, dass jeder Mensch dazugehört, und einer dadurch besonderen Atmosphäre am Festivalwochenende. 

„Der Spirit, den ihr so selbstverständlich ausstrahlt, ist wirklich einmalig. Das geht vom Mitspielenden über das Kollegium und über den Vereinsvorstand der Musikschule bis zum Oberbürgermeister. Da ist so ein angenehmes Selbstbewusstsein, das den Gästen signalisiert, Inklusion ist selbstverständlich, macht sehr viel Freude und bringt viele verschiedene Menschen zusammen“, schreibt Rainer Buschmann, Lehrer und Abteilungsleiter an der Musikschule Bochum.

Das #FIS gibt so, beispielgebend auf musikalischer Ebene, seine überzeugende Antwort auf die Frage „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“. Beim ersten Festival 2007 war aber keinesfalls abzusehen, wie stark und weit die Festivalkonzeption ausstrahlen würde. Heute finden Soundfestivals in den Städten Dortmund, Hannover, Aalen, Wien, Lörrach, Basel oder Haar statt.

Und auch in Fürth sehen sich über 70 Kultur- und Bildungseinrichtungen der Stadt inspiriert von der gelebten Vielfalt beim Soundfestival und konzipieren 2025 erstmals das einzigartige Festival „Fürth feiert Vielfalt“. Mit 67 Veranstaltungen um das #FIS-Wochenende herum, im gesamten Stadtgebiet und für diverse Zielgruppen treten sie gemeinsam ein für ein inklusives Fürth, für den Zusammenhalt in ihrer Stadt. 

Unsere Stadt wird zu einem Ort, an dem Menschen für sich selbst sprechen, jenseits von Schubladen wie geflüchtet, queer oder körperlich beeinträchtigt. Fürth wird zu einem Ort, der in seiner beeindruckenden Vielfalt dasselbe Gefühl weckt: Heimat.

Seden Kantarci, Vorsitzende des Integrationsbeirats der Stadt Fürth

Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung zeigt sich besonders dankbar „für die breite Unterstützung, die das Festival erfährt“. Sowohl der Bildungs-, Kultur- und Migrationsbeirat, der Jugend-, Behinderten- und Seniorenrat als auch der gesamte Fürther Stadtrat bekennen sich zur Entwicklung einer inklusiven Stadtgesellschaft, übernehmen gemeinsam die Schirmherrschaft des Fes­tivals und tragen so maßgeblich zum Gelingen des Projekts bei. 

„Ihr Engagement zeigt, wie man gemeinschaftliche Verantwortung übernehmen kann, um Inklusion nicht nur als Vision, sondern als gelebte Realität zu gestalten.“

Die inklusiven Soundfestivals sowie Initiativen wie „Fürth feiert Vielfalt“ zeigen, dass eine selbstverständliche Teilhabe aller Menschen am Leben in der Gesellschaft möglich ist – und dass man diese gerade aufgrund der Vielfalt der Menschen als Bereicherung erleben kann. Damit sind sie immer auch ein politisches Statement für eine chancengerechte und inklusive Gesellschaft sowie gegen Machtmissbrauch und Diskriminierung. Die Fusion aus Quadro Nuevo und Vollgas Connected lässt einen dies besonders eindrücklich erfahren.

„Wenn es möglich ist, dass Menschen mit allen möglichen Einschränkungen eine Band formen, die so saugut aufspielt, sollten wir doch alle anderen Probleme auf der Erde auch in den Griff bekommen!“

Andreas Hinterseher, Quadro Nuevo

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