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Ein Dutzend in gedeckten Farben gekleidete Menschen mit einem Mann mittleren Alters in der Mitte. Der Mann hält den Preis (eine gegossene Tafel mit 3 Bäumen im Profil).

Umweltpreis der Wirtschaft fürs Nordkolleg. Foto: Nordkolleg Rendsburg

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Das Nordkolleg Rendsburg geht neue Wege

Untertitel
Klimaschutz, Teilhabe und Demokratie als Herausforderungen in der kulturellen Bildung
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Das Nordkolleg Rendsburg, Akademie für kulturelle Bildung in Schleswig-Holstein, befasst sich neben seinen Kernaufgaben in den Bereichen Musik, Literatur und Sprachen seit vielen Jahren mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und hat dafür in diesem Jahr einen eigenen Fachbereich gegründet. Über Hintergrund und Inhalte spricht der Akademieleiter und Geschäftsführer Guido Froese mit der Redaktion der Landes- und Bundesmusikakademien.

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Musikakademien: Warum nun ein neuer Fachbereich „Kultur & Transformation“?

Guido Froese: Das Nordkolleg hat sich seit seiner Gründung neben den genannten Sparten immer auch mit anderen kulturspezifischen oder gesellschaftlichen Herausforderungen befasst. So wurde in den letzten 20 Jahren aus dem Sammelbecken „Kultur & Gesellschaft“ der Fachbereich „KulturWirtschaft“, der sich zunächst mit den kulturökonomischen Aspekten und Kulturmanagement befasst. Hinzu kamen ein mehrjähriges Erfahrungs- und Forschungsprojekt zu künstlerischen Interventionen in der Realwirtschaft und die Angebote der Museumsberatung und –zertifizierung Schleswig-Holstein. Nachdem wir uns aber zunehmend mit Klima- und Umweltschutz, Diversitäts- und Demokratiefragen befassen, greift der Titel schlicht zu kurz. Seit dem 1. Januar 2024 haben wir daher einen Fachbereich „Kultur & Transformation“.

MA: Inwieweit spiegeln die Bildungsangebote im neuen Fachbereich denn das eigene Befassen mit den genannten Themen?

Froese: Ich denke man kann nicht glaubhaft vermitteln und damit anderen Kulturinstitutionen anempfehlen, was man nicht selbst an sich erprobt. Das Nordkolleg befasst sich schon seit Jahren z.B. mit Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes und hat dafür vor kurzem als erste Kulturinstitution in Schleswig-Holstein den Umweltpreis der Wirtschaft erhalten. Das Nordkolleg hat daraus zunehmend auch Bildungsangebote gemacht, die sich zunächst auf Permakultur und - das Nordkolleg hat einen herrlichen Garten – auch auf Gartenaspekte bezogen und jetzt auf alle Fragen des Klimaschutzes ausgeweitet wurden. Hierzu gehören z.B. alle betriebsökologischen Fragestellungen, aber auch die Kommunikation von Nachhaltigkeit und das Monitoring über Zertifizierungen.

MA: Haben Kultur- und Musikinstitutionen denn einen relevanten Anteil am Klimawandel?

Froese: Wir verstehen Klimaschutz als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher muss auch die Kultur ihren Beitrag leisten. Und das kann sie auch erfolgreich. Mindestens ebenso wichtig ist aber die Vermittlungskompetenz der Kulturinstitutionen. Dazu gehören einerseits künstlerische Produktionen, die den Klimawandel thematisieren, und andererseits kann man als Kulturinstitution dem Publikum und den Gästen zeigen, was man für den Klimaschutz tun kann.

MA: Beides macht das Nordkolleg?

Froese: Ja, so hat zum Beispiel unsere Musical-Academy Schleswig-Holstein mit dem Stück „Die Schimmelreiterin“ das Thema Küstenschutz im Klimawandel auf Basis der Geschichte von Theodor Storm in die heutige Zeit übertragen. Wenn man mit starken Szenen und entsprechender Musik live dabei ist, wie Sylt untergeht, macht das etwas mit einem. Das Musical führen wir nun schon erfolgreich im dritten Jahr auf. 
Und auch als Institution oder auf unserem Campus können wir angewandten Klimaschutz zeigen, z.B. mit eigenen Shuttle-Fahrrädern am Bahnhof, mit Hochdruck-Duschköpfen in den Gästezimmern, mit LED-Beleuchtung auf dem gesamten Campus und vielen anderen Maßnahmen.

MA: Dabei kooperieren Sie auch mit anderen Kulturinstitutionen, oder?

Froese: Ja, wie bei der musikalischen Bildung auch, arbeiten wir in Kulturkonsortien mit weiteren Partnern. Im Falle des Klimaschutzes z.B. mit dem Landestheater und Sinfonieorchester Schleswig-Holstein, den Landesmuseen, der Rendsburger Musikschule und Volkshochschule. Zusammen beschäftigen wir zwei Klimaschutzmanagerinnen, haben über 800 Mitarbeitende und mehr als 700.000 Besucherinnen und Besucher. Das ist ein großer Hebel. Gemeinsam erreichen wir mehr und sind gleichzeitig Multiplikatoren in unsere jeweiligen Dachverbände und zu vergleichbaren Institutionen.

MA: Ist Klimaschutz das einzige Thema?

Froese: In dem genannten Konsortium befassen wir uns im Rahmen eines von der Kulturstiftung des Bundes geförderten mehrjährigen Projektes auch mit der Teilhabe der Menschen in den ländlichen Räumen unseres Landes an künstlerischen Prozessen und mit der internen Transformation unserer Institutionen über kokreative Prozesse. Das ist ein ganz spannendes Feld mit entsprechenden Interaktionen. 

MA: Zeigt das bereits Effekte im Nordkolleg?

Froese: Ja, unbedingt! Unsere Zusammenarbeit im Kollegium verändert sich. Das bezieht sich nicht nur auf Methoden und Arbeitsweisen, sondern auch auf die Grundhaltung. Im Zentrum steht die Frage, wie wir zu Entscheidungsfindungen kommen – nicht nur im Kollegium, sondern auch unter Beteiligung unserer Gäste. Wie demokratisch können und wollen wir werden? Und was bedeutet das z.B. für die Kompetenzen eines Akademieleiters?

MA: Dass er welche abgibt?

Froese: Genau. Das gilt aber für die Kolleginnen und Kollegen und z.B. den Betriebsrat auch. Kompromisse sind ja ein zentrales Element der Demokratie und ohne Kompromisse ist das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft nicht denkbar. Da wir selbst im Kollegium große Teile dieser Gesellschaft abbilden, wollen wir Demokratie selbst noch intensiver leben. Für uns als Kulturinstitution ist das ein Experiment, welches wir im 75. Jahr des Bestehens des Grundgesetzes aber unbedingt angehen wollen.

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