In der Musikwissenschaftswelt hat Kloster Michaelstein bereits seit Jahrzehnten einen guten Ruf mit Blick auf die historisch informierte Aufführungspraxis. Konferenzen, spezielle Konzertreihen, besondere Workshops, Publikationen, Aufarbeitung des musikalischen Erbes und nicht zuletzt die Aktivitäten des deutschlandweiten Jugendbarockorchesters BACHS ERBEN sind aktuelle Formen dieses Schwerpunkts. Doch seit Einrichtung der Landesmusikakademie in den Mauern des Klosters im Jahr 2002 sind weitere Inhalte hinzugekommen, in den letzten Jahren verstärkt mit partizipativem Ansatz, drei sollen hier vorgestellt werden.
Begeisterte Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Community-Music-Aktion der Musikakademie beim Kurt-Weill-Fest 2025. Foto: Christian Korn
Partizipativer Ansatz heißt: Mitmachen!
Kurt Weill zum Mitmachen
Erstmals in der Geschichte des renommierten Kurt-Weill-Festes in Dessau-Roßlau wurde die Musikakademie Sachsen-Anhalt für das Festivalbegleitprogramm eingeladen.
Beim ersten Netzwerktag vom „Musikland Sachsen-Anhalt“ im Herbst 2023 trafen sich die Verantwortlichen des Kurt-Weill-Festes und der Musikakademie und eine Idee entstand: Mit zwei Programmpunkten zum Festivalmotto 2025 „Farben des Lebens“ sollte das Angebot des Festes auf musikpraktische Art ergänzt werden. Sowohl am ersten als auch am letzten Festivalsonntag lud daher das Kurt-Weill-Fest zu einem Community Music Projekt der Musikakademie in das Feininger-Haus in Dessau-Roßlau ein, dem Sitz der Kurt-Weill-Gesellschaft. Die Community Music geht davon aus, dass jeder Mensch über musikalisches Potential verfügt, das in einer Gruppe zu einem gemeinschaftsbildenden Erlebnis führen kann, dies bestätigte sich im hellen Bauhaus-Meisterhaus. Aus Michaelstein kamen E-Piano, Bassgitarre, viele Trommeln, Perkussionsinstrumente sowie Boomwhacker. Mit diesen Instrumenten, den eigenen Stimmen und jeder Menge Kreativität machten die knapp 20 Teilnehmenden über eine Stunde lang gemeinsam Musik: ganz ohne Noten aber mit vielen neuen Klängen und Elementen aus Drum Circle, freier Improvisation und Jazz. Am Ende entstand eine von den Teilnehmenden gestaltete freie Interpretation des Kurt-Weill-Songs „Speak low“. Einige kannten den Jazz-Standard bereits, aber spätestens nach einem finalen Durchlauf, hatten alle – bei Kaffee und Kuchen – das atmosphärische Lied im Ohr. Der MDR war mit einem Fernsehteam vor Ort und MDR Hörfunk berichtete live aus dem Feininger-Haus.
Mach’ die Musik doch selbst!
Die Musikakademie ist seit 2014 Bestandteil des landesweiten Netzwerks „Fête de la musique Sachsen-Anhalt“ und in dessen Rahmen wurde in den letzten Jahren mehrfach zum Sommeranfang ein Programm zur weltweiten „Fête de la musique“ angeboten. Seit 2022 konzentriert sich die Musikakademie jedoch weniger auf konzertante sondern auf partizipative Angebote.
Die landläufige Bedeutung der „Fête de la musique“ ist ein Sommerfest mit musikalischen Darbietungen. Spricht man den französischen Namen jedoch ein klein wenig anders aus, dann kann man eine zweite Bedeutung heraushören: „Faites de la musique !“ = „Mach’ die Musik!“ Und genau unter dieses Motto stellte die Musikakademie in Michaelstein das Programm zum 21.6.2025: Zum Einstieg bot, bei bestem Frühsommerwetter, die Musikakademie einen Drumcircle an: Trommeln und Perkussionsinstrumente und Sitzmöglichkeiten standen in ausreichender Zahl bereit und luden zum Mitspielen ein. Einige Teilnehmer waren sogar gut 100 Kilometer gefahren, um in Michaelstein dabei sein zu können. Anschließend ging der Drumcircle über in eine offene Improviationssession: Mitgebrachte und bereitgestellte Instrumente sowie die eigene Stimme wurden unter Anleitung zu kürzeren und längeren, auch mehrstimmigen Improvisationspassagen zusammengefügt – zur großen Freude aller Teilnehmenden.
Zum Abschluss lud die akademieeigene Kollegiumsband zum Mitsingen von ABBA-Songs ein: Von „Dancing Queen“ über „Waterloo“ bis „Thank You for the Music“ konnten die weit über 60 Gäste die Songs der Kultband – dank Einblendung auf einem Großbildfernseher – textsicher zu den Klängen der Liveband mitsingen.
Am Anfang war – der Drumcircle
Seit 2006 haben an rund 1.000 in oder von Michaelstein veranstalteten Drumcircles rund 30.000 Menschen teilgenommen, vom Kindergartenkind bis zu Bewohnern in Senioreneinrichtungen. Die jüngste Aktion fand im Rahmen des Festivals „Rocken-am-Brocken“ statt. Alle, die bislang daran teilgenommen hatten, verlassen den erlebten Drumcircle entspannt und mit einem Lächeln – und der Verwunderung darüber, dass die eigene, vielfach als gering eingeschätzte Musikalität im Zusammenklang mit anderen Menschen unglaublich viel Freude machen kann.
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