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Eine große Gruppe aus Verbandsmitgliedern und geladenen Gästen steht vor einer Wand mit großer Leinwand im Tagungssaal des Stuttgarter Rathauses.

Alle Vertreter der EMU bei der Generalversammlung im Stuttgarter Rathaus.

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Für Freundschaft und Frieden in Europa

Untertitel
Vertreter aus 27 Ländern feierten 50 Jahre Europäische Musikschul-Union in Stuttgart
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Ein halbes Jahrhundert Europäische Musikschul-Union – das feierten die Delegierten der Musikschulverbände der heute 27 Mitgliedsländer, die sich am 19. Mai 2023 zu ihrer Generalversammlung im Stuttgarter Rathaus trafen. Begonnen hatte alles im Januar 1973 in Saarbrücken, als Vertreter von zehn Musikschulverbänden in Europa auf Initiative des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) zusammenkamen und dort die Gründungsurkunde der Europäischen Musikschul-Union (EMU) unterzeichneten. Zu ihnen gehörten neben der Bundesrepublik Deutschland als weitere Gründungsländer Belgien, Finnland, Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, die Schweiz und Jugoslawien. Zu ihrem ersten Präsidenten wählten sie den damaligen VdM-Bundesvorsitzenden Diethard Wucher.

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In seiner Begrüßungsrede fasste Philippe Dalarun, Präsident der EMU und Vizepräsident des französischen Musikschulverbandes, die wesentlichen Gründungsprinzipien der EMU zusammen: „Die Förderung von Freundschaft und Frieden zwischen den Nationen Europas durch musikalische Bildung und Austausch, die Achtung vor der Vielfalt und der kulturellen Identität sowie der Wunsch, gemeinsam voranzukommen und voneinander zu lernen, um die Musikausbildung zu verbessern und Werte zu fördern, die die europäische Gesellschaft heute mehr denn je braucht“.

In einem Rückblick zog Gerd Eicker, Ehrenvorsitzender des VdM und Ehrenmitglied der EMU, der zuerst Präsidiumsmitglied, dann seit 1997 Vizepräsident und anschließend von 2005 bis 2011 Präsident der EMU war, eine Bilanz des Wirkens und der Erfolge der EMU, wozu auch ihre zahlreichen gro-ßen Europäischen Jugendmusikfestivals zählen. Für ihre Zukunft wünschte er der EMU „eine weitere blühende Entwicklung in den mehr als 6.000 Musikschulen“ und sagte in einem eindringlichen Appell: „Bringt die Jugend zusammen, damit ihnen keiner sagen kann, die anderen seien böse. Bringt die Kollegen zusammen, damit sie weiterhin voneinander lernen können, zeigt im politischen Raum die wunderbare Arbeit, die ihr leistet. Wir brauchen die kulturelle Demonstration für eine friedliche Welt, in der gerade die jungen Menschen miteinander etwas erschaffen – Musik!“

Wie harmonisch, erfolgreich und bewegend solche Begegnungen sein können, erlebten die Delegierten am Vorabend der Generalversammlung, als sie das Jubiläum der EMU mit einem Konzert auf Schloss Solitude feierten. Acht junge Musikerinnen und Musiker aus verschiedenen Gründungsländern der EMU führten dort die eigens zu diesem Jubiläum von zehn jungen Komponisten aus ebenfalls verschiedenen europäischen Ländern komponierte und von der niederländischen Komponistin Anne-Maartje Lemereis arrangierte „EMU Rhapsody“ auf sowie das Oktett Es-Dur op. 20 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Dazu Philippe Dalarun: „In der schwierigen Welt, in der wir leben, stellen diese jungen Musiker eine große Quelle der Hoffnung und Inspiration dar. Durch ihr gegenseitiges Verständnis, ihr Talent und ihre Energie zeigen sie uns das schönste Gesicht Europas, das aus Respekt, Toleranz und Harmonie besteht – alles Werte, die durch die Musik symbolisiert und von der Musikerziehung getragen werden.“ Rekurrierend auf Hegels Aussagen zur Dissonanz in der Musik und der Möglichkeit, diese aufzulösen, zog Dalarun die Verbindung zur musikalischen Bildung, die die Möglichkeit beinhalte, Dissonanz in der Gesellschaft aufzulösen.

Friedrich-Koh Dolge, Bundesvorsitzender des VdM und Direktor der Stuttgarter Musikschule, mit der in Zusammenarbeit der VdM die Veranstaltung organisiert hatte, hob in seiner Begrüßung die gesellschaftliche Wirkungskraft der Musikschulen in Eu-ropa als Orte, „an denen Musikkultur gefördert, Verständigung gepflegt und Freundschaften geschaffen werden“, hervor und erklärte: „Deshalb freuen wir uns umso mehr, dass das 50-jährige Bestehen unserer Europäischen Musikschul-Union hier in der Landeshauptstadt Stuttgart gefeiert wird. Heute sind Institutionen wie die EMU wichtiger denn je, denn sie tragen insbesondere auch durch ihre Europäischen Jugend-Musikfestivals zur Verständigung und Freundschaft zwischen den europäischen Nationen bei.“

Die große Bedeutung der musikalischen Bildung und ästhetischer Bildungsprozesse vor allem der Kinder und Jugendlichen, hob Isabel Fezer, Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Stuttgart, in ihrem Grußwort zur Generalversammlung der EMU im Stuttgarter Rathaus hervor, „denn das aktive Musizieren und die musikalische Bildung eröffnen im Besonderen Gestaltungsräume und Selbstwirksamkeitserfahrungen, das Bewusstsein von Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und Handlungssouveränität, stärken emotionale Intelligenz und vor allem Empathie“, so Fezer. Es gelte, die Kraft und die Energie der Musik zu nutzen, um zu entfalten, zu integrieren, zusammenzuführen und zu verbinden, auch dort, wo die Sprache vielleicht nicht mehr weiterhelfe. Zu den Vertretern der EMU-Mitgliedsländer sagte sie: „Das Wichtige ist der Austausch untereinander, das Sprechen miteinander, der Diskurs in der Sache – auch manchmal kontrovers, doch immer konstruktiv –, um auch die Idee eines menschlichen und friedlichen Europas mit und durch die Musik in die Gesellschaft hineinzutragen.“

Schwerpunkt der Generalversammlung und des daran anschließenden Forums war dann besonders die Situation der Lehrkräfte in den verschiedenen Ländern mit zum Teil großen Unterschieden sowie der weit verbreitete Nachwuchsmangel an Musikschullehrkräften. Ebenfalls auf der Agenda stand „Artistic Citizenship“ mit einem vielbeachteten Vortrag von Wolfgang Lessing, Professor für Musikpädagogik an der Musikhochschule Freiburg. Das wichtige Thema Kinder- und Jugendschutz in Musikschulen sowie hierzu erforderliche Schutzkonzepte erläuterte Friedrun Vollmer, bis Mai 2023 Vorstandsmitglied im VdM, und erzielte zu den Fortbildungen und der demnächst erscheinenden Arbeitshilfe und Materialsammlung großes Interesse seitens der weiteren Musikschulvertreter.

Zum festlichen Abschluss der Generalversammlung der EMU spielte die Deutsche Streicherphilharmonie, das Spitzenensemble der Musikschulen in Deutschland und Orchester der deutschen Wiedervereinigung, das 2023 ebenfalls seinen 50. Geburtstag feiert, in der Stuttgarter Liederhalle. Mit stehendem Applaus dankte das Publikum den gerade einmal 11- bis 20-jährigen Musikerinnen und Musikern für ihre herausragende Leistung und ansteckende Spielfreude. Besonders beeindruckt zeigte es sich von dem Zusammenspiel mit Jeremias Pestalozzi, Solist beim Violinkonzert a-Moll von Johann Sebastian Bach. Obwohl sich der Schüler von Julia Fischer mitten in den Abiturprüfungen befand, ließ er sich diese Gelegenheit, gemeinsam mit der Deutschen Streicherphilharmonie zu konzertieren, nicht entgehen und riss die Zuhörerinnen und Zuhörer vor Begeisterung förmlich von ihren Sitzen.

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Acht schwarzgekleidete junge Musiker*innen Streicher*innen im Saal vom Schloss Solitude. Professor Schoneweg im hellen Sakko in der Mitte.

Das aus Musiker*innen von acht Mitgliedsstaaten der Europäischen Musikschul-Union bestehende Oktett nach der Aufführung der „EMU Rhapsody“ und des Mendelssohn-Oktetts in Schloss Solitude zum 50. Jubiläum der EMU mit Prof. Harald Schoneweg.

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