Friedrich-Koh Dolge rückblickend über den Musikschulkongress in Kassel.
neue musikzeitung: Wie haben Sie persönlich den Kongress erlebt?
Friedrich-Koh Dolge: Zunächst möchte ich mich bei der Stadt Kassel, bei der Musikschule Kassel, beim Land Hessen und beim Landesverband der Musikschulen Hessen bedanken. Ich fand es grandios, dass wir nach der entbehrungsreichen Zeit der Pandemie einen Kongress in Präsenz mit so einem großen Zuspruch und verbunden mit einer äußerst positiven Stimmung durchführen konnten. Viele Teilnehmer*innen haben bestätigt, dass der Kongress genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Das hat viel mit der Lust zu tun, sich nach der Corona-Krise wieder zu treffen, miteinander zu reden, sich auszutauschen.
Wir haben viele zukunftsweisende Themen gesetzt und beraten: Bildungskooperationen, Transformationsprozesse in eine digitale Musikpädagogik, die Weiterentwicklung der Studienvorbereitenden Ausbildung, die Möglichkeiten für Musikschulen bei der Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes 2026/2027 oder – ganz besonders wichtig – das Berufsbild und den Fachkräftemangel. Einige der Themen haben wir bereits in den vergangenen Jahren besprochen und diskutiert, aber sie haben dennoch nicht an Aktualität verloren, und es sind viele neue Perspektiven und Aspekte hinzugekommen. Ich glaube, von Kassel ist eine Aufbruchstimmung ausgegangen: Gemeinsam wollen wir nach vorne schauen.
nmz: Welche Erkenntnisse haben Sie, hat der Vorstand aus den Diskussionen gewonnen?
Dolge: Wir haben unter anderem das Thema „Artistic Citizenship“ diskutiert, dass die Relevanz der Musik nicht nur aus der Musik selbst heraus definiert wird, sondern ebenso die gesellschaftliche Perspektive und die damit verbundenen Verantwortungen betrachtet werden sollten, egal ob seitens der Amateurmusik oder seitens professioneller Musikerinnen und Musiker. Das ist ein Thema, das zu unserer musikalischen Bildungsarbeit passt. Mit unserer Zielsetzung einer offenen Musikschule, die die musikalische Bildung für alle gewährleisten will, und vor allem mit unserer Vorstellung einer Entwicklung hin zu einer inklusiven Musikschule haben wir bereits vieles zu bieten.
Erfreulich ist, wie stark die Vertreter der ALMS (Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer Studiengänge) die musikalische Bildungsarbeit unserer Musikschulen unterstützen; wir sind da gemeinsam in einer äußerst dynamischen Bewegung. Auch die Präsidentin der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, Susanne Rode-Breymann, hat in der Podiumsdiskussion deutlich gemacht, dass die Musikhochschulleitungen den enormen Fachkräftemangel in der Musikpädagogik sehen und sich die Musikhochschulen dringend weiterentwickeln müssen. Die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände haben ebenfalls unterstrichen, dass sich an der Eingruppierung etwas ändern muss, damit sich die Anstellungsverhältnisse verbessern, und dass die Honorarbeschäftigungsverhältnisse in dieser großen Anzahl nicht mehr zeitgemäß sind. Alle, die an den Podiumsdiskussionen beteiligt waren, haben gezeigt, dass sie sich hinter die Forderungen unserer Kasseler Erklärung stellen können. Das war sehr ermutigend.
nmz: Welche Aufträge nimmt der Bundesvorstand aus Kassel mit?
Dolge: Ich möchte weiter an der Kommunikation arbeiten – mit unserem neuen Bundesvorstand und mit einem Schwerpunkt auf der Kommunikation mit unseren Landesverbänden und unseren Mitgliedsschulen. Auf der einen Seite müssen wir Wege ebnen, damit Wünsche und Anregungen der Mitgliedsschulen den Bundesvorstand erreichen, und auf der anderen Seite deutlich machen, womit sich der Bundesvorstand und die Bundesgeschäftsstelle beschäftigen. Positiv empfunden habe ich, dass wir auch mit dem Bundesverband Musikunterricht Seite an Seite stehen, was den Fachkräftemangel in der Musikpädagogik insgesamt betrifft. Beeindruckt hat mich im Übrigen die Hessische Musikschuloffensive, die mit einer starken Landesförderung einhergeht. Diese soll bis 2032 die Höhe von 12,5 Prozent der Personalkosten erreichen. Mit unserer Initiative zu einer stärkeren politischen Lobbyarbeit sind wir auf dem richtigen Weg und wir werden unser Netzwerk für die musikalische Bildung noch weiter ausbauen müssen.
Ich nehme außerdem mit, dass wir beim Thema Nachhaltigkeit noch einige Hausaufgaben zu erledigen haben. Bezüglich der immateriellen Nachhaltigkeit haben wir bereits vieles beizutragen. Von den 17 Nachhaltigkeitszielen, den „Sustainable development goals“ der Vereinten Nationen, decken wir bereits viele Ziele ab.
nmz: Was hat Ihnen am Kongress besonders gut gefallen?
Dolge: Das Eröffnungskonzert war fantastisch. Es war beeindruckend, wie die Musikschule Kassel gemeinsam mit den Kindern, mit ihren Schülerinnen und Schülern das Eröffnungskonzert des Kongresses auf die Beine gestellt haben. Das hat bei allen das Herz berührt. Beeindruckend fand ich auch, mit wie vielen innovativen Produkten die Aussteller zum Kongress angereist sind.
Insgesamt ist die Vielfalt, die unsere große Musikschulfamilie repräsentiert, ein großer Gewinn für die musikalische Bildung. Eine große Aufgabe für den Bundesverband gemeinsam mit den Landesverbänden ist es, diese Vielfalt zu pflegen und gleichzeitig diese wunderbare Heterogenität zusammenzuführen. Daran werden wir in den nächsten Jahren arbeiten.