Im Ranking der Wetter-Apps lag die von Chefdirigent Wolfgang Hentrich genutzte in diesem Sommer ganz weit vorne: In den nunmehr 13 Jahren seines Engagements für die Deutsche Streicherphilharmonie hatte er wohl noch nie so häufig auf sein Smartphone geschaut wie zu Beginn der 18-tägigen Sommertournee mit den jungen Musikerinnen und Musikern – und gab trotz drohender Unwetterszenarien anderer Nachrichtendienste immer wieder Entwarnung. Zu Recht, wie sich beim ersten Konzert der Tournee im herrlichen Park der Villa Vigoni, dem Deutsch-Italienischen Zentrum für den Europäischen Dialog in Menaggio am Comer See, erwies. Noch am Morgen des Konzerttages konnte der Orchesterbus seinen Parkplatz an der rund eine Stunde vom Spielort entfernten Unterkunft wegen sintflutartiger Regenfälle nicht verlassen – am Nachmittag dann der Hentrich‘schen (App-)Prophezeiung gemäß strahlender Sonnenschein und eine inzwischen getrocknete Freilichtbühne vor der imposanten Kulisse von See und Bergen. Die Deutsche Streicherphilharmonie hatte die Ehre, das traditionelle Sommerkonzert der Villa Vigoni zu spielen, das ansonsten in der Hand des Rheingau-Festivals ist.

Sommerkonzert der Deutschen Streicherphilharmonie im Park der Villa Vigoni vor der imposanten Kulisse von See und Bergen. Foto: Brigitte Baldes
Sommertournee wurde zum Ritterschlag für die DSP
Botschafter Luigi Mattiolo, seit Januar 2025 der italienische Präsident des von der deutschen und italienischen Regierung gemeinsam getragenen Vereins zur Förderung der deutsch-italienischen Zusammenarbeit, ließ es sich nicht nehmen, seine in der Muttersprache gehaltene sehr persönliche Begrüßung der rund 300 Gäste – unter denen sich auch der VdM-Bundesvorsitzende Friedrich-Koh Dolge und seine Gattin befanden – und des Orchesters im Anschluss auf Deutsch zu verlesen. Unterstützt wurde er von der deutschen Geschäftsführerin, Christiane Liermann Traniello, und dem Justiziar der Villa Vigoni, Julian Stefenelli, die beide ebenso fließend zweisprachig wie charmant ihre große Freude über das Konzert der Deutschen Streicherphilharmonie äußerten, das auch den künftig stärkeren Fokus der Villa Vigoni auf die europäische Nachwuchsförderung zum Ausdruck bringen sollte.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die eindrucksvolle Leistung und hinreißende Spielfreude der 11- bis 20-jährigen Orchestermitglieder unter Leitung ihres Chefdirigenten beeindruckten und begeisterten Gastgeber wie Gäste gleichermaßen so sehr, dass noch am selben Abend die Fortsetzung der Zusammenarbeit für das kommende Jahr anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Villa Vigoni vereinbart wurde. Die jungen Musikerinnen und Musiker aus Deutschland werden dann gemeinsam mit einem italienischen Nachwuchstalent auf der Bühne stehen und so den europäischen Gedanken sicht- und hörbar machen. Möglicherweise werden sie dann von einer weiteren, ihnen bereits bekannten Solistin unterstützt: Eine Zikade, die hoch oben in einem Baum dem diesjährigen Konzert beiwohnte, setzte bei Wolfgang Amadeus Mozarts Divertimento KV 136, Pjotr I. Tschaikowskis Streicherserenade op. 48 sowie einem bunten Strauß an Überraschungspiecen unüberhörbar ihre eigenen musikalischen Impulse. Selbst Tonmeister Markus Gottschall, der DSP seit vielen Jahren freundschaftlich eng verbunden und extra aus Berlin angereist, um zu erwartenden Freilicht-Herausforderungen professionell begegnen zu können, war überrascht ob dieser Hartnäckigkeit.

Chefdirigent Wolfgang Hentrich mit dem neunjährigen Pianisten Louis Zhang während einer Probe für das Konzert in der Schlossberghalle in Starnberg. Foto: Brigitte Baldes
Während der erste Tourneeteil mit intensiven Probentagen im wunderschönen Ambiente der baden-württembergischen Landesakademie Ochsenhausen eröffnet worden war, führte der Weg nach dem furiosen Auftaktkonzert nun vom italienischen Comer an den bayerischen Starnberger See. In der unweit des Sees gelegenen Schlossberghalle wurde das Programm der kommenden Konzerte geprobt, im Mittelpunkt zunächst das Klavierkonzert A-Dur von Johann Sebastian Bach mit dem gerade einmal neunjährigen Louis Zhang als Solisten.
Bereits im Jahr zuvor hatten Orchester und Solist einen großartigen Erfolg im Lüdenscheider Konzerthaus gefeiert, sodass die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem diesjährigen Konzert in der Starnberger Schlossberghalle von allen mit großer Freude und Spannung erwartet wurde. Dass der Saal am Konzertabend ausverkauft war – ein seltener Umstand bei Klassikkonzerten in Starnberg –, war insbesondere dem intensiven Engagement des Kulturbüros Starnberg sowie dem unermüdlichen Einsatz privater Fans von Solist und Orchester zu verdanken. Das Publikum lohnte dies mit nicht enden wollenden Beifallsstürmen und dem Wunsch nach „Da Capo“ – ein Wunsch, dem Louis und die Deutsche Streicherphilharmonie sehr gerne nachkommen wollen.
Der nun – ohne Louis – folgende lange Reisetag von Starnberg zum nächsten Konzertort der diesjährigen Sommertournee, Leipzig, gab den Orchestermitgliedern der Deutschen Streicherphilharmonie etwas Zeit, sich gedanklich und emotional auf den neuen musikalischen Schwerpunkt der kommenden Tage vorzubereiten. Mit dem 8. Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch (als Kammersinfonie op. 110a in der Bearbeitung für Streichorchester von Rudolf Barschai) erwartete das Publikum ein Werk, das die jungen Musikerinnen und Musiker mit höchster Präzision und – angesichts ihrer Jugend – erstaunlicher emotionaler Intensität präsentierten. Sowohl in der Lutherkirche in Leipzig, wo der neu gegründete Verein Peace Harmony das Konzert der Deutschen Streicherphilharmonie als seine erste Veranstaltung präsentierte, als auch zwei Tage später im Historischen Kursaal in Bad Lauchstädt brillierten die Streichertalente mit diesem Meisterwerk und entließen hier wie dort ein zutiefst berührtes Publikum in die Pause. Im musikalischen Gepäck des Orchesters befand sich aber auch weiterhin Tschaikowskis Streicherserenade, sodass die Konzerte mit einem hoffnungsfrohen, beschwingten Ausklang im zweiten Programmteil endeten.
Für ihre grandiose Leistung erhielten die Deutsche Streicherphilharmonie und ihr Chefdirigent Wolfgang Hentrich einen wahren Ritterschlag: Der stets äußerst streng bewertende Musikkritiker Peter Korfmacher lobte in der Leipziger Volkszeitung das Gastspiel der Streichertalente enthusiastisch als „voll auf die Zwölf“. Auch das erneute Zusammentreffen mit dem Shooting-Star unter den Dirigenten, Emmanuel Tjeknavorian, der extra aus New York nach Leipzig angereist war, um zwei Tage lang auf höchstem Niveau mit dem Streichernachwuchs zu arbeiten und zu konzertieren, war ein Fest für alle Beteiligten. In Bad Lauchstädt übernahm er nach der Konzertpause den Taktstock von Wolfgang Hentrich und präsentierte in allerbester Dirigierlaune mit seinem erklärten Lieblingsorchester Tschaikowskis Streicherserenade.
Auch wenn der Konzertreigen der Sommertournee so einen fulminanten Abschluss nahm, blieben die Instrumenten- und auch sonstigen Koffer der Orchestermitglieder weiterhin ausgepackt. Der langjährige Rundfunkpartner Deutschlandfunk Kultur hatte im Vorfeld die Aufnahme von Schostakowitschs Kammersinfonie op. 110a für die neue, 16. CD der Deutschen Streicherphilharmonie in der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig ermöglicht, und so wurde dort gemeinsam mit dem Label GENUIN noch zwei intensive Tage lang musikalisch gearbeitet. Wer hören möchte, ob sich dieses beeindruckende Engagement der jungen Musikerinnen und Musiker und ihres Chefdirigenten gelohnt hat, hat dazu bereits am 17. November Gelegenheit: Dann wird das Ergebnis der Aufnahme in der Sendung „Einstand“ von Deutschlandfunk Kultur präsentiert. Vorab: Es hat sich gelohnt.
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