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Blick in die Sammlung des Deutschen Schallplattenmuseums. © Deutsches Schallplattenmuseum Nortorf
Blick in die Sammlung des Deutschen Schallplattenmuseums. © Deutsches Schallplattenmuseum Nortorf
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Auch musikalisch ein Ereignis – Der Internationale Museumstag

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Ralf-Thomas Lindner stattete dem Deutschen Schallplattenmuseum Nortorf und der Musikinstrumentensammlung im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg einen Besuch ab. Museumskultur, das heißt auch: Erinnerung, Reflexion, Entdeckungen, gesellschaftlicher Austausch – vor Ort oder virtuell.

Leider nur einmal im Jahr stehen weltweit die äußerst vielfältigen und vielseitigen Museen im Mittelpunkt des Interesses – am Internationalen Museumstag im Mai. Dabei lohnt es sich, diese Kulturorte und Treffpunkte aufzusuchen, nicht nur, um etwas zu lernen, sondern auch um sich mit anderen Museumsbesuchern auszutauschen, gemeinsame Erfahrungen zu machen und gemeinsam auf Entdeckungstour zu gehen. Zum 46. Mal findet der Internationale Museumstag in diesem Jahr statt – und natürlich ist auch für Musiker und Musikbegeisterte etwas dabei!

„Die Schulklassen werden von ihren Lehrern und Lehrerinnen durch das Museum geführt, was auf die Schüler eine verheerende Wirkung ausübt, denn die Lehrer würgen bei diesen Besuchen im Kunsthistorischen Museum jede Empfindsamkeit in diesen Schülern der Malerei und ihren Schöpfern gegenüber mit ihrer schulmeisterlichen Beschränktheit ab. … Der erste Besuch aller dieser jungen Menschen ist zugleich ihr letzter.“ Wie viele Menschen mögen sich in dieser Beschreibung, die Thomas Bernhard in seinem Roman „Alte Meister“ gibt, wiedererkennen. Eltern und Lehrer, die ihre Kinder – sicher in bester Absicht – geradezu durch Museen, Burgen und Schlösser geschleift haben.

Viel hat sich seitdem in der Museumslandschaft getan. Die Museen sind in ihren Präsentationen freundlicher, interessanter, für die Besucher zugänglicher und häufig auch interaktiver geworden. Museen haben sich aus ihrem angestaubten Image befreit und sind zu kulturellen Treffpunkten geworden, gelegentlich sogar zu dritten Orten. „Museen sind Orte der Erinnerung, des Entdeckens und der Reflexion. Sie tragen maßgeblich zu unserer nationalen Identität bei und fördern den gesellschaftlichen Austausch“, sagt Bundesratspräsident Dr. Peter Tschentscher, der Schirmherr des diesjährigen Internationalen Museumstages. – Seit 1978 hat es sich der „Internationale Museumstag“ zum Ziel gesetzt, auf die Vielfalt und Bedeutung der Museen aufmerksam zu machen. International wird er am 18. Mai gefeiert, in Deutschland am zweiten oder dritten Sonntag im Mai.

Am Sonntag, dem 21. Mai findet der Internationale Museumstag zum 46. Mal in Deutschland statt. Die Auftaktveranstaltung unter dem Motto „Museen mit Freude entdecken“ findet um 11 Uhr im Schiffahrtsmuseum Nordfriesland in Husum statt. Der Tag soll besonders dazu anreizen, die Vielfalt der Ausstellungen und Sammlungen zu entdecken. De Aktionen reichen von der Mäuserallye im Bauernmuseum (Schloss Glatt, Sulz am Neckar) über ein Budapester Kaffeehaus (Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm) und die Möglichkeit, Schutzkleidung und Uniformteile der Polizei einmal selbst anzuziehen (Polizeiausstellung 110, Dortmund), bis hin zu einem Klosterbier-Tasting (LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler). 1400. Museen bieten an diesem Sonntag mit mehr als 3500 Aktionen ein vielfältiges Programm an. In manchen Museen gibt es freien Eintritt.

Manche Museen nehmen nicht mit konkreten Aktionen am Internationalen Museumstag teil – aber: auch hier lohnt sich ein Besuch! Wer vielleicht tatsächlich unter einem musealen Kindheitstrauma leidet und dem Frieden noch nicht traut, hat eine wunderbare virtuelle Alternative für einen Museumsbesuch. Schon vor Corona, aber verstärkt in Corona-Zeiten, sind viele Museen dazu übergegangen virtuelle Rundgänge für ihre Museen zu entwerfen und zumeist über ihre Homepages im Internet anzubieten. Auch viele Filme über „Lieblingsstücke“ etwa der Museumsleiter sind entstanden – absolut sehenswert. Als Beispiel möge hier ein Video mit dem Wedeler Museumsleiter Holger Junker, das sich mit einem musikalischen Thema beschäftigt dienen. Hier lohnt sich eine Google-Suche, um zu einzigartigen Schmuckstücken zu gelangen.

Zwei sehr unterschiedliche Museen, die sich im engeren oder weiteren Sinne als „Musikmuseen“ bezeichnen lassen können, sollen hier – quasi als Anreiz und zum Schmackhaftmachen der gesamten Aktion – kurz näher vorgestellt werden: das „Deutsche Schallplattenmuseum“ in Nortorf (Schleswig-Holstein) und die Musikinstrumentensammlung im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg. Das eine archiviert klingende Musik, das andere stellt Musikinstrumente aus, die erst noch zum Klingen gebracht werden müssen. Das eine wird von einem Verein betrieben, das andere ist Teil einer öffentlichen Stiftung.

Nortorf ist eine kleine Stadt nördlich von Neumünster. Hier das Deutsche Schallplattenmuseum zu erwarten, scheint – zumindest auf den ersten Blick – nicht selbstverständlich. Tatsächlich lag die Wahl dieses Standorts aber nahe, denn hier hatte 1948 die Telefunken Schallplatten GmbH mit den über die Kriegszeiten geretteten Matrizen zum Druck der Schallplatten ihr neues Werk eröffnet. Der Ort hatte sich angeboten, da es hier eine ehemalige Lederfabrik gab, mit deren Lederpressen und den geretteten Matrizen sich auch Schallplatten herstellen ließen.

Gegründet wurde der Museumsverein 1989, nachdem die Firma TELDEC (Telefunken/Decca), die in Nortorf seit den 50er Jahren der größte Arbeitgeber war, ihren Betrieb einstellte. Mehr als 850 Millionen Schallplatten wurden während der rund vierzigjährigen Betriebszeit hergestellt. „In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird es kaum einen westdeutschen Haushalt gegeben haben, in dem nicht wenigstens ein Produkt der TELDEC vorhanden war“, schreibt Rüdiger Bloemke in seinem Buch „Die Teldec-Story. Wie eine Plattenfirma unser Leben veränderte“.

Anfangs betrieb der Museumsverein eine Art Heimatmuseum, in dem natürlich auch die Schallplatte schon eine Rolle spiele – aber eben nicht ausschließlich. 2014 erwarb die Stadt das alte Kesselhaus der TELDEC. Nach eine Bürgerentscheid wurde das Kesselhausmit rund 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche dann renoviert und beherbergt heute das Deutsche Schallplattenmuseum, das mit viel ehrenamtlichem Engagement betrieben wird. Ausgestellt wird seit der Eröffnung am 1. Oktober 2022 alles vom mittlerweile über 100 Jahre alten Edison Phonographen über Musicboxen bis hin zur aktuellen Musikanlage. Und natürlich gibt es viele Schallplatten. Zwei Schenkungen des Norddeutschen Rundfunks nehmen hier einen brieten Schwerpunkt ein: die Schallplattenarchive der NDR-Funkhäuser Kiel und Lübeck mit 70.000 und 110.000 Vinylplatten. Natürlich kann man in die eine oder andere Schallplatte auch hineinhören.

Die Musikinstrumentensammlung im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg ist ein Beispiel beeindruckenden bürgerlichen Mäzenatentums. Anlässlich seines 60. Geburtstages bekam der Dirigent Hans von Bülow von Hamburger Musikliebhabern 10.000 Mark zur Förderung von Musik und Kunst geschenkt. Johannes Brahms riet ihm, das Geld dem Händel-Forscher Friedrich Chrysander zur Verfügung zu stellen. Dieser hatte die Idee einer Musikinstrumentensammlung und verwendete das Geld zum Ankauf der ersten historischen Musikinstrumente für die neu zu gründende Sammlung. So gelangte unter anderem eine wertvolle Viola da Gamba aus dem Jahr 1699 des Hamburger Meisters Joachim Tielke in das Haus am Steintorplatz.

Neben vielen glücklichen Ankäufen im Laufe der Jahre und manchem für den Besucher auf den ersten Blick skurril anmutendem Instrument, wie etwa der „Stummen Geige“ der Gebrüder Wolf oder der Strohgeige (Stroviols Registered Trademark), hat das Museum im Jahr 2000 mit einer privaten Stiftung des Hamburger Musikwissenschaftlers Andreas Beurmann eine großartige Sammlung an historischen Tasteninstrumenten erhalten., die – allein schon vom Umfang her – die gesamte Ausstellung wesentlich mitprägt.

Für die Forschung ist die Beurmann’sche Sammlung von besonderer Bedeutung, weil Beurmann einer der herausragendsten Vertreter der These war, das man Musikinstrumente in einen spielbaren Zustand versetzen sollte und sie eben auch immer wieder zu ihrem genuinen Zweck, dem Muszieren, verwenden solle. Durchaus sieht er, was bis in die 1960er Jahre für Schäden angerichtet worden sind: „Denn in den Museen der Welt wurde in jener Zeit aus profunder Ignoranz, insbesondere bei den Tasteninstrumenten, großer Schaden angerichtet. Man legte eine viel zu starke Besaitung auf, oft sogar mit Stahl-Klaviersaiten. Zusätzlich belastete man sie mit einem viel zu hohen Stimmton. Beides verursachte immense Beschädigungen.“ Für Beurmann galt es daher seine Instrumente nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung in einen spielbaren Zustand zu versetzen, der dem historischen Zustand und den Bedürfnissen des Instrumentes gerecht wurde. So vertrat er die Ansicht, dass man die Instrumente behutsam spielbar machen müsse, um dadurch auch gleichzeitig die „historische Klangsubstanz“ zu erhalten. Denn: „Nicht gespielte saitenbespannte Instrumente verlieren rasch ihre Tonqualität.“ So haben Besucher des Museums für Kunst & Gewerbe in Hamburg bis heute die Möglichkeit auch immer wieder die Tasteninstrumente in Aktion erleben zu können.

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