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Eröffnungskonzert des 1. Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Festes in der Hamburger Elbphilharmonie. Das Thüringer Bach Collegium und der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor bringen unter dem Titel „Sturm & Drang“ Werke von CPE Bach, Joseph Haydn, und Wolfgang Amadeus M
Eröffnungskonzert des 1. Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Festes in der Hamburger Elbphilharmonie. Das Thüringer Bach Collegium und der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor bringen unter dem Titel „Sturm & Drang“ Werke von CPE Bach, Joseph Haydn, und Wolfgang Amadeus M
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Bach – Bach – Bach: Hamburg als Carl Philipp Emanuel Bach-Stadt

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Johann Sebastian Bach hat 1720 auf der Orgel der St. Katharinenkirche in Hamburg gespielt und sie sehr geschätzt – das aber ist eigentlich schon die gesamte Geschichte, die Bach mit Hamburg verbindet. Wenn man in Hamburg von Bach, gar dem „Hamburger Bach“ spricht, so meint man Carl Philipp Emanuel Bach, seinen zweitältesten Sohn. Er prägte von 1768 als Städtischer Musikdirektor, der für die Musik an den fünf Hauptkirchen zuständig war, und Kantor am Johanneum das städtische Musikleben. Seit diesem Jahr gibt es in Hamburg ein Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Fest und eine Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Akademie.

„Das musikalische Genie unseres vortrefflichen Bachs scheint in der That unerschöpflich zu seyn.“ Fast selbstverständlich verbinden wir mit dem Namen „Bach“ noch immer „Johann Sebastian“, den Leipziger Thomaskantor. Dieser Satz vom 3. Dezember 1785, veröffentlicht im damals mit einer täglichen Auflage von 30.000 Exemplaren auflagenstärksten deutschsprachigen Blatt, der „Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“, aber bezieht sich auf den zweitältesten Sohn Johann Sebastians, auf Carl Philipp Emanuel. Über ihn sagt der Dresdner Musikhistoriker Hans-Günter Ottenberg, er sei auf dem „Höhepunkt seines Ruhms bekannter als der Vater“.

Heute findet sich der Name Carl Philipp Emanuels in Konzertprogrammen und auch in der Musikgeschichtsschreibung leider noch immer zu selten – und das ganz sicher zu Unrecht, sind doch seine Werke auch für unsere heutigen Ohren inspirierend, überraschend und äußerst hörenswert. Diesem Umstand trug die Gründung des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chores 1998 in Hamburg Rechnung, die sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt. Den Bach-Sohn als Namenspaten zu wählen, war für die Gründer schon fast programmatisch. Auch sie wollten revolutionär sein – daher wird der Chor bis heute demokratisch geführt und hat keinen eigenen Dirigenten. Gleichzeitig wollte man immer wieder nach Neuem in Musik, Ausdruck und Form suchen. Da bot sich dieser Fixstern Bach, der gleichzeitig auch für eine Stück Hamburger Musikgeschichte steht, für den neuen Hamburger Chor geradezu an. Heute ist der Name ein Alleinstellungsmerkmal – kein anderes musikalisches Ensemble weltweit trägt den Namen des „Hamburger Bachs“.

Zum Jubiläum hat der Chor zwei neue große Projekte angestoßen: zum einen hat er das 1. Carl Philipp Emanuel Bach Fest Hamburg ins Leben gerufen, zum anderen die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Akademie gegründet. Das Fest soll in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden und im dazwischenliegenden Jahr sollen kleinere Aktionen das Publikum quasi bei der Stange halten. Die Akademie soll gleichermaßen eine Publikumsakademie und eine wissenschaftliche Akademie sein. Sophie Werkmeister, die für das künstlerische Management des Chores verantwortlich zeichnet, erklärt das: Die Publikumsakademie hat das Ziel, dem „Publikum im Rahmen von Konzerteinführungen, Gesprächskonzerten und Education-Programmen Zugänge zu einer Kunst zu vermitteln, die Konzentration und und Aufmerksamkeit erfordert und die Geschichte erfahrbar macht, eine Musik, die von Handwerk und Welterkenntnisprozessen geprägt ist.“ Dabei denkt sie an eine Publikumsakademie, die neue Wege des Hörens und Erkennens anbieten“ soll. Sie verweist dabei auf Goethe: „Man erblickt nur, was man weiß und erkennt.“

„Ein weiteres Ziel“, ergänzt Werkmeister und spricht damit den zweiten Teil der Akademie an, „ist die Förderung von Kultur und Wissenschaft, eine Stärkung des wissenschaftliches Netzwerks von Hamburg nach Leipzig zum Bach-Archiv“, das sich in seiner Selbstdarstellung ausdrücklich nicht nur auf Johann Sebastian beruft, sondern ausdrücklich auch „Leben, Werk und Wirkungsgeschichte der weit verzweigten Musikerfamilie Bach erforscht“, ihr „Erbe bewahren und als Bildungsgut vermitteln“ will. Dazu müsse, so Werkmeister, „Hamburg aber als Bach-Stadt wahrgenommen werden“. Sie weiß: „Hamburg ist eine Bachstadt – wie Leipzig, nur dass es für die meisten Hamburger überhaupt keine Rolle spielt.“ Vielleicht ist dieses das Ergebnis einer Erkenntnis, die schon CPE selbst hatte: „Wenn auch die Hamburger nicht alle so große Kenner und Liebhaber der Musik sind, so sind die meisten sehr gutherzige und umgängliche Personen, mit denen man ein angenehmes und vergnügtes Leben führen kann.“

Tatsächlich aber muß man den Hamburger Bürgern ein positives Zeugnis ausstellen. Allein die Museen im sogenannten Komponistenquartier, die in den letzten Jahren entstanden sind, zeugen von einer inniglich-liebevollen (durchaus bürgerlichen) Beziehung zu den großen Musikern und Musikerinnen der Hansestadt: Johann Adolf Hasse, Georg Philipp Telemann, Fanny und Felix Mendelssohn, Gustav Mahler und Johannes Brahms. Auch CPE Bach hat hier 2015 in ein eigenes Museum einziehen dürfen. Die Bemühungen des CPEB-Chores, ihrem Namenspatron ein klingendes und vielleicht eines Tages ein monumentales Denkmal zu setzen, zeigen das kulturelle Interesse Hamburgs. Um hier aber wirklich nachhaltig wirkmächtig werden zu können, fordert Werkmeister „politischen Willen“ und sicher auch ein bißchen Geld aus öffentlichen Kassen. Allein kann der Chor diese große Aufgabe nicht stemmen. Die ideellen Grundlagen hat er gelegt, aber einen Standort für CPE Bach aufzubauen, bedarf Personals (verbunden mit Kosten), vielleicht einer Immobilie – in jedem Fall einer langfristigen Planung. Hier sind die Stadt und das vielgerühmte und unübersehbar real existierende Hamburger Mäzenatentum gefragt.

Im Eröffnungsvortrag der Akademie zeichnete der Musikwissenschaftler Hans-Günther Ottenberg, der 1982 die erste CPEB-Biographie der Neuzeit herausgebracht hatte, ein positives Bild von Hamburg. Dazu zitierte er aus der „Musikalischen Reise durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland“ des englischen Musikhistorikers Charles Burney (1726-1814): „In diese Stadt kommt man, ohne examiniert oder von Akzisbedienten belästigt zu werden. Der Reisende wird an dem Tore bloß um seinen Namen und Stand gefragt. Die Gassen sind schlecht gebauet, schlecht gepflastert und eng, aber voller Menschen, die ihren eigenen Geschäften nachzugehen scheinen. Aus den Mienen und dem Betragen der Einwohner dieses Orts leuchtet eine Zufriedenheit, Geschäftigkeit, Wohlhabenheit und Freiheit hervor, die man in anderen Orten Deutschands nicht häufig zu sehen bekömmt.“ Bleibt nun zu hoffen, dass diese Freundlichkeit auch Carl Philipp Emanuel Bach zuteilwird und er – mit dem Chorfest und der Akademie – dauerhaft seinen verdienten festen Platz im Kulturleben der Hansestadt bekommt.


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