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Bleibende Aussagen: Das Gesamtwerk des Komponisten Tristan Keuris ist auf CD erschienen

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Wohl auch weil Tristan Keuris (1946–1996) sich schon früh von der Avantgarde und den weithin vorherrschenden Ideologien und Idiomen emanzipierte, zählte er bereits zu Lebzeiten zu den bedeutendsten niederländischen Komponisten des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Sein gar nicht so schmales Œuvre ist nun in einer Dokumentarbox mit 11 CDs erschienen.

Manchmal bedarf es keiner runden Jubel- oder Gedenkjahre. Manchmal ist es einfach das Werk eines Komponisten selbst, dass zu editorischen Großtaten anregt. Freilich handelt es sich bei den „Complete Works“ lediglich um das offizielle, von Tristan Keuris in einem Verlag publiziert Œuvre – nicht weniger als 51 Werke in unterschiedlicher Besetzung; unveröffentlicht blieben hingen die Filmmusiken der 60er und 70er Jahre sowie die zahlreichen Frühwerke (darunter, man führt sich an Brahms und Toch erinnert, nicht weniger als zehn Streichquartette).

Deutlich stehen Keuris' erste Kompositionen noch unter dem erstaunlich weit reichenden Einfluss Weberns – geradezu ohrenfällig wird das in der 1969 entstandenen Choral Music I für Orchester deutlich. Doch zeigt die Instrumentation der sechs aphoristischen Stücke auch, wie sehr von Keuris schon damals der Klang als konstituierende Größe empfunden wurde; und im letzten Satz werden gar die Grenzen zur Tonalität erreicht und überschritten.

Was hier noch als Hommage an Strawinsky erscheint, wird bald schon in der Sinfonia (1972/74) für Orchester zu einem Credo: Der Rückgriff auf diatonische Zusammenhänge, das Formulieren klar fixierter rhythmischer (nicht neoklassizistischer) Gestalten und die fallweise romantisch anmutende Klangregie waren denn auch Anlass für eine grundsätzliche ästhetische Debatte (das Werk erklang 1976 auch auf dem Weltmusikfest der IGNM).
Damit hatte Keuris seinen eigenen Weg gefunden, der sich nicht an einengenden Axiomen orientiert, sondern in einer Art und Weise emotional wirkt, wie man dies von manchem zeitgenössischen skandinavischen Sinfoniker her kennt. Dass Keuris seine musikalische Grammatik aber nicht zur Marotte verkommen ließ, sondern bis zuletzt immer wieder neu und anders ansetzte (dafür spricht der teilweise lange Zeitraum von der ersten Materialsammlung bis zur fertigen Partitur), zeichnet ihn vor vielen anderen aus.

Für die Zusammenstellung der vorliegenden Dokumentation wurden alle bisher erreichbaren Aufnahmen abgehört und die nach Interpretation, Bedeutung und technischer Qualität bedeutendste ausgewählt. Wo hingegen keine entsprechende Referenz vorlag, produzierte der Niederländische Rundfunk neu. Das Booklet bietet neben einem kurzen Essay (man hätte sich an dieser Stelle eine ausführlichere Reflexion gewünscht) zu jedem Werk einen knappen, aber kundigen Kommentar; außerdem wurde die Verfilmung der Komposition To Brooklyn Bridge (Fred van Diejk, 1994) auf DVD beigegen. Eine durchdachte, engagierte und durchwegs auf höchstem Niveau stehende Edition.

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