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Vera Semieniuk und der Regensburger Opernchor in Gabriel Prokofievs „Elizabetta“. Foto: Jochen Quast
Vera Semieniuk und der Regensburger Opernchor in Gabriel Prokofievs „Elizabetta“. Foto: Jochen Quast
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Blutgräfin in da house: „Elizabetta“ von Gabriel Prokofiev und David Pountney am Theater Regensburg

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Ein erfahrener Opernmensch als Librettist, ein Musiktheater-Neuling mit großem Namen: Das Theater Regensburg hat es wieder einmal geschafft, mit einer Uraufführung überregionales Interesse zu entfachen. Szenisch zündet das durchaus, musikalisch eher weniger, findet Juan Martin Koch:

Eine moderne Nachfahrin der berüchtigten „Blutgräfin“ Elisabeth Báthory, die sich mit dem besonderen Saft junger Frauen ewige Jugend transfundiert: Das hätte als Opernstoff ziemlich ins Auge gehen können. Aber Gabriel Prokofiev hatte den guten Einfall, seine Grundidee von einem opernerfahrenen „alten Hasen“ des Betriebs in Librettoform gießen zu lassen: Kein Geringerer als David Pountney, Regisseur und langjähriger Intendant unter anderem der Bregenzer Festspiele, hat das facettenreiche, den blutrünstigen Stoff immer wieder intelligent-sarkastisch auflockernde Textbuch zu „Elizabetta“ verfasst (auf Englisch).

Köstlich etwa die vom Philharmonischen Chor Regensburg fein auf den Punkt gebrachten Werbeclips mit Produkten der Schönheitsindustrie. Sie unterbrechen im ersten Teil immer wieder das Fernsehprogramm mit dem Promi-Interview der erfolgreichen Schauspielerin Elizabetta und Live-Berichten von einer Ebola-Epidemie im Kongo. Die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation vor Ort wird sich später als Elizabettas einst zur Adoption freigegebene Tochter Anna entpuppen. Das erste von deren Opfern ist dann auch – ein böser Seitenblick auf moderne, blutsaugerische Versionen des Kolonialismus – eine junge Frau aus dem Kongo.

Es ist ein – in der Uraufführungs-Inszenierung von Marcus Lobbes diabolisch-punkiger – Arzt, der den alternden Filmstar auf den Trichter mit der blutigen Verjüngung bringt. Und leider ist dies die einzige Figur, die den erfolgreich im Klassikbetrieb und in der Clubszene aktiven Opernneuling Prokofiev zu einigen musikalisch etwas prägnanteren Szenen angeregt haben. Ansonsten beschränkt sich seine Umsetzung des Librettos darauf, die kaum melodische oder expressive Dringlichkeit verströmenden Vokalparts mit seinem freitonal mäßig inspirierten, bisweilen immerhin ein wenig rhythmische Energie verströmenden Orchestersatz zu unterlegen. Perkussive Afrika-Exotismen und Einsprengsel von House-Beats lockern das hie und da auf, ohne das Letztere jedoch den körperlichen Sog von guter elektronischer Tanzmusik erzeugen würden.

In einer ruhigeren, klanglich an frühen Hip-Hop-Jazz erinnernden Passage scheint zumindest einmal das Potenzial auf, das in der Verbindung der beiden von Prokofiev verkörperten Sphären liegen könnte, und eine längere Videosequenz weiß der Komponist atmosphärisch dicht zu musikalisieren. Besonders missraten sind dem Enkel des großen Sergej dann allerdings die Bartók-Anklänge im zweiten Teil. Sie sollen einerseits die Besuche Annas am Geburtsort der historischen Elisabeth in Transsilvanien und auf deren Burg Čachtice passend untermalen, andererseits das überdrehte Finale krönen, in dem Elizabetta sich quasi in die Elisabeth Báthory des ausgehenden 16. Jahrhunderts zurückverwandelt. Hier versucht Gabriel Prokofiev die bahnbrechende Musik zu Bartóks Blaubart-Oper heraufzubeschwören – bemitleidenswert.

Zum lohnenden Spektakel wird diese Produktion durch Marcus Lobbes’ rasante, zwischen Horror-Trash und Seelenstriptease changierende Inszenierung. Sein ingeniöses, durch eine breite Treppe gegliedertes Bühnenbild, das sich dank der exzellenten Video-Projektionen von Michael Deeg immer wieder magisch wandelt, schafft die Spielräume für das von Christl Wein herrlich ein- und (in Saunaszenen) symbolisch entkleidete Ensemble.

Vera Semieniuk brilliert in der Titelrolle akrobatisch-sängerisch wie darstellerisch, Sara-Maria Saalmann gestaltet die etwas unterbelichtete Rolle der Anna makellos und Adam Kruzel, Urgestein des Regensburger Theaters, scheint für die Rolle des Arztes stimmlich eine Frischblutkur spendiert bekommen zu haben.

Angelo Pollak als Journalist rettete, schwer indisponiert, diese erste Aufführung nach der Premiere aufopferungsvoll. Das Philharmonische Orchester versuchte unter GMD Chin-Chao Lin wacker Funken aus Prokofievs musikdramatischer Hausmannskost zu schlagen, was stellenweise sogar ganz gut gelang. Ozapft is’!

Nächste Vorstellungen: 3.2., 9.2. ,21.2., 24.2.; weitere Termine Ende März bis Mitte Juni

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