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© CCC Filmkunst  Foto Oliver Oppitz, Darsteller Peter Simonischek (DIRIGENT EDUARD SPORCK) und seine israelischen und palästinensischen Musikschüler machen einen Ausflug auf einer Landstraße bei Sterzing
© CCC Filmkunst Foto Oliver Oppitz, Darsteller Peter Simonischek (DIRIGENT EDUARD SPORCK) und seine israelischen und palästinensischen Musikschüler machen einen Ausflug auf einer Landstraße bei Sterzing
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Crescendo#makemusicnotwar – Dror Zahavis realitätsnaher Musikfilm ersetzt viele Aufführungen

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Schon der erste Lockdown verhinderte die verdiente Breitenwirkung eines besonderen Musikfilms. Nun sind weiterhin die Türen der Kinos wie auch die der Opernhäuser und Konzertsäle geschlossen. Dafür kann der DVD-Player samt großem Bildschirm und gutem Klang die Welt der Musik hereinholen – speziell dazu ein gärendes Problem, für das ein auch spezielles Ensemble seit 20 Jahren einen musikalischen Lösungsweg erklingen lässt. Unser Kritiker Wolf-Dieter Peter war ob der Realitätsnähe beeindruckt.

Peter Simonischek gleicht ein bisschen Edward Said, dem schon verstorbenen Mitbegründer des „Orchester des West-Östlichen Divans“. Seit 1999 gastiert das jetzt hauptsächlich mit Daniel Barenboim verbundene Ensemble weltweit als ein Beispiel, wie gemeinsames Musizieren den arabisch-israelischen Konflikt zeitweise und begrenzt überwinden kann.

In Regisseur Dror Zahavis wuchtigem Film kommt die auf internationales Business-Niveau aufge-chic-te Bibiana Beglau als Karla de Fries, die kühl erfolgsorientierte Managerin der weltweit tätigen „Stiftung für effektiven Altruismus“, auf Professor Eduard Sporck (Peter Simonischek) zu, einen ehemals renommierten Dirigenten: parallel zu einer diplomatischen Konferenz soll ein frisch zusammengestelltes arabisch-israelisches Jugendorchester unter seiner Leitung ein publicity-trächtiges, international ausstrahlendes Beispiel geben. Im lichtdurchfluteten, edlen Marmortreppenhaus eines Frankfurter Hochschul-Imitats sagt er nach anfänglichem Zögern zu – kontrastiert mit dem mühsam-gefährlich-diskriminierenden Weg zweier palästinensischer Jugendlicher über die Grenze zum Vorspiel in Tel Aviv. „Sporck – das ist der Porsche!“ jubelt der palästinensische Vater der Geigerin Layla (mit vielfältiger Emotion Sabrina Amali), die es in die Auswahl schafft und feststellen muss, dass der smarte, allzu weltgewandte Israeli Ron (überzeugend Daniel Donskoy) weit besser und auch noch sensibel freier spielt – aber dennoch oder gerade deswegen sie von Spork als Konzertmeisterin eingesetzt wird.

Im von der Stiftung gesponserten, idyllischen Burg-Domizil in Südtirol greift der in gruppendynamischen Prozessen erfahrene Sporck die Aversion, ja den schwelenden Hass zwischen Israelis und Palästinensern auf. In aggressiven, lauten Konfrontationsübungen und heftigen Diskussionen prallen historisches Unrecht, gewachsene Vorurteile und aktuelle Missstände aufeinander – so sehr andererseits die musikalischen Proben auch ein Miteinander erzwingen. Über Dvořáks Bläserserenade, Pachelbels Kanon D-Dur oder das so emotionale wie traumverlorene Largo aus Dvořáks 9. Symphonie stellt sich langsam das nötige „harmonische“ Zusammenspiel ein – was die Neue Philharmonie Frankfurt unter Dirigent Jens Troester klangtechnisch perfekt realisiert und Simonischek ohne Maestro-Überzeichnung gut „dirigiert“ – bis hin zu Vivaldis „Winter“.

Parallel hat sich eine überschwänglich heftige Jugend-Liebe zwischen dem schüchternen palästinensischen Hochzeits-Klarinettisten Omar (Mehdi Meskar) und der quirlig-sonnigen Hornistin Shira (Eyan Pinkovich) aus einer arrivierten israelischen Familie entwickelt. Als die beiden ihre Liebe samt Musikstudium in Paris leben wollen und fliehen, kommt es zu einer tödlichen Katastrophe.

Einige Filmkritiker kritisierten dies – doch die zuvor ob ihres Realismus hochgelobten Szenen der Grenz-Kontrollen bilden genau den begründenden Hintergrund dazu. Diskutabel ist eher, ob der grauenhafte NS-Medizin-Hintergrund der Eltern, den Dirigent Sporck als sein „Paket“ einbringt, nicht ein großes Problemfeld anreißt, ohne es gebührend zu behandeln. Jetzt lässt der Todesfall das Projekt scheitern und die windschnittige Kultur-Managerin ist bereits Richtung Afrika orientiert. Sehr realistisch werden die getrennten Abflughallen der jungen Musiker gezeigt. Doch den musikalisch engagierten Ron lässt das nicht ruhen: mit seinem Geigenbogen beginnt er an der Glaswand den pochenden Rhythmus – und widerstrebend, aber eben unwiderstehlich zwingt am Ende der gruppenweise Instrumenteneinsatz und der verführerische Sog von Ravels „Bolero“ noch einmal alle zusammen … zu einem musikalischen Crescendo, hinter dem nur unsere politische Realität weit zurückbleibt. Wie so oft ist die Welt der Kunst weiter als…

  • Crescendo – Camino/Good!Movies Bluray (im regulären Versandhandel wie jpc.de)

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