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DER ROSENKAVALIER • Yoontaek Rhim • Andreas Hörl • Opernchor • Statisterie. Foto: © Silke Winkler
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Das „ist so ein sonderbar Ding“ – Der „Rosenkavalier“ in Schwerin

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Eigentlich gehört das, was die Überschrift zitiert, der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg, der Grande Dame in Richard Strauss‘ Komödie für Musik, wenn sie im ersten Akt des „Rosenkavaliers“ nach rauschender Liebesnacht über die Zeit räsoniert, über sich und die Vergänglichkeit. Wunderbar ist das, dramaturgisch fein ausgedacht in Hugo von Hofmannsthals vitaler Komödie. Von Melancholie zeugt es, auch von tapferem Verbeugen vor der tyrannischen Herrschaft des Unvermeidbaren. Aber in Schwerin muss die Marschallin in einer sterilen Kulisse, die ihr so gar nicht hilft, ihren Seelenkater streicheln. Das Ausgewogene des Librettos, auch der Musik, zwischen Derbheit der Komödie, die ihr Vetter in Gestalt von Baron Ochs von Lerchenau vertritt, und dem Seelendrama mit all den Facetten der Liebesnot, kippt dort ganz gehörig, meint unser Kritiker Arndt Voß.

Wie inszeniert man symptomatisch?

Auch Peter Larsen, Dramaturg am Staatstheater Schwerin, überschreibt seinen Beitrag zum Programmheft mit „Ein sonderbar Ding“, nennt den „Rosenkavalier“ ein „symptomatisches Werk … jener überreifen, alternden Epoche, die man schon damals mit dem Begriff Fin de siècle kennzeichnete“. Verwirren muss das, wenn sich so gar nichts davon in der Inszenierung wiederfindet. Toni Burkhardt, der Opernchef des Hauses, hatte sie übernommen. Allzu grundehrlich, um nicht brav zu sagen, packte er das Stück an, inszenierte nur äußerlich am Text entlang. Aber Richard Strauss‘ Musik ist zu süß, den herben Unterton des Librettos zu bewahren, da muss die Bühne helfen, muss schattieren. Schon das helle Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning machte alle drei Akten kalt und nackt, gab dieser Komödie den Hauch eines steifen Traktats über die Vergänglichkeit der Liebe, der Schönheit und des Glücks. Requisiten, die Hinfälliges hätten beschwören können, fehlten. Kein Spiegel war da, mitleidslos Wahrheit zu zeigen, sie zugleich zu verdrehen. Der eine, der benutzt wurde, war nur handtellergroß. Keine Uhr verkündete die Endzeit, nichts verwies auf Mythologisches, das über das Geschehen hinausweisen könnte. Die merkwürdige Trophäensammler-Attitüde, die man dem Palais Faninal im zweiten Akt gab, wirkte aufgesetzt, aufgesetzt wie Teile einer Giraffe und das Rückwärtige eines Nashorns an den Wänden.  

Auch die Kostüme (Adriana Mortelliti) verhinderten Bezüge. Sie lokalisierten das Geschehen irgendwo zwischen der Entstehungszeit der Oper und einer Zeit, die weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wies. Nicht einmal die Gewänder der Marschallin halfen. Ihr Déshabillé in der Liebesszene war züchtig wie das Bett, ihr Tageskleid bieder. Das waren Mängel in einer Oper der Pikanterie und Sinnlichkeit, wo das ausladende Gewand im letzten Akt dann durch Üppigkeit überraschte. Octavian und Sophie mochten angehen. Lerchenau, Widerpart in Schmuddligkeit, erinnerte eher an einen englischen Landadligen als an einen Wiener. Ganz und gar vergriffen hatte man sich bei den Nebenfiguren. Weder das Intriganten-Paar passte vom Habit her zeitlich, auch Faninals schriller Imponier-Fummel nicht oder der korrekte Anzug des Notars, ganz zu schweigen das Erscheinungsbild der Lerchenauer Lakaien. Ihre stilisierten Bärte, das einzig Auffallende an ihnen, wirkte nur lächerlich, entsprach aber ihrem Verhalten auf der Bühne, zu dem der Regie nichts Sinnvolles eingefallen war.

Was für ein Baron!

Grund für die einseitige Regie mag der grandiose Ochs von Lerchenau sein, den überragend in Statur und Stimme Andreas Hörl verkörperte. Seine überbordende Spiellust drohte allerdings das Geschehen in Klamauk zu kippen. Das war nicht des Sängers Schuld, sondern zum kleineren Teil von der Rolle vorgegeben, zum größeren der Regie geschuldet. Sie hatte sein Temperament nicht im Griff. Nicht einmal der optisch heftig überzogene Faninal, vom stimmkräftigen Yoontaek Rhim gespielt, hatte neben ihm eine Chance. Dennoch war dieser Ochs eine der ganz großen Stärken der musikalischen Wirkung, die neben ihm vor allem dem Damenterzett zu danken war. Karen Leiber gestaltete überzeugend ihre große Partie als Marschallin. Ihr Sopran war ansprechend und ungemein gut abgetönt. Weich und sinnlich klingt er im Liebesduett mit Octavian, fest und bestimmend, nie herrisch im Umgang mit Dienern oder Abhängigen, und selbst den Vetter wusste sie zu zähmen. Mit ihr harmonierte Hanna Larissa Naujoks in Klangfarbe, auch im Ausdrucksspektrum als wunderbarer Octavian. Ihr warmer, wohlig timbrierter Mezzo eignete sich auffallend gut für diese Rolle, der auch neben dem klaren, jugendfrischen Sopran von Nienke Otten als Sophie bestand. So war das Damentrio im Terzett des letzten Aktes eines der musikalischen Höhepunkte.

Daniel Huppert leitete die Mecklenburgische Staatskapelle. Sensibel wurden die Sänger begleitet, nie überdeckt, eine Kunst für sich! Weniger gefielen die orchestralen Partien, besonders das erste Vorspiel. Das hätte sich bei weniger Kraft und mehr Differenzierung als musikalische Illustration des Liebesaktes von Marschallin und Octavian verstehen lassen, so wie es wohl von Strauss gedacht war, ein sinnlicher Kontrapunkt zu Lerchenaus derb drastischen Walzerpassagen.  

Das Premierenpublikum (12. April 2019) war, soweit es durchhielt, dennoch hell entzückt, applaudierte nach jedem Aufzug, besonders ausdauernd nach dem Schluss mit seiner bitter schmeckenden Tragik. Er hatte noch einmal den schalen Beigeschmack von Verzicht und Hinfälligkeit. Gerade hier aber fiel auf der leeren Bühne das Simple der Personenregie ins Auge, zersetzte das Spielerische einer Komödie, die das Stück sein wollte.

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