Hauptbild
Erika Sunnegårdh (Senta). Foto: Barbara Aumüller
Erika Sunnegårdh (Senta). Foto: Barbara Aumüller
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Der fahrende Holländer

Publikationsdatum
Body

Davis Böschs Holländer Inszenierung an der Oper Frankfurt sieht moderner aus, als sie ist. Joachim Lange machte sich vor Ort schlau.

Bei David Bösch in Frankfurt kommt der Holländer mit einer Truppe auf schweren Zweirädern. The Flying Dutchman steht auf den Lederjacken dieser ziemlich echt daher kommenden Ledertypen mit Hut und Colt. Wobei man sich dann fragt, wieso der Chef dieser Truppe am Ende so tut, als würde er ein streng gehütetes Geheimnis verkünden, als er sich als eben Der fliegende Holländer outet. Immerhin knattern die Bikes der sieben Altrocker nicht. Wahrscheinlich hat die Hölle schon auf Elektro umgestellt. Es hätte auch ziemlich aufgesetzt gewirkt. Für zugespitzte Töne waren ohnehin Bertrand de Billy und das Opern- und Museumsorchester zuständig. Wie kürzlich im Theater an der Wien entschied man sich auch in Frankfurt für die Urfassung von Wagners erstem (für ihn) gültigen Opernwurf. Also ohne den später hinzugefügten Erlösungsschluss. Und mit der, wie ausdrücklich vermerkt wird, höheren a-moll Version der Senta-Arie, die Wagner 1843 für seine Uraufführungs-Senta Wilhelmine Schröder-Devrient kurzfristig ins tiefere g-Moll verlegt hatte. Was allemal die aufgerautere musikalische Gangart verspricht, die man in Frankfurt auch geboten bekam. 

Da man von diesem Regisseur einiges an intelligenter Verstörung auf der Opernbühne gewöhnt ist, sorgt schon der geschlossene Vorhang zur stürmischen Ouvertüre für die erste Verblüffung. Es gibt also keinen pantomimischen Wegweiser zu einem neuen Pfad, auf dem die Geschichte erzählt wird. Wenn sich dann der Vorhang öffnet, wehen sogar recht sturmgezauste (Folien-)Segel über den von Meerwasser und Sturm sichtlich gezeichneten Seeleuten. Die gerne mal mit der Flasche in der Hand von der Geliebten in der gar nicht mehr so fernen Heimat träumen.

Wenn dann eine riesige Schiffsschraube (im Format eines modernen Windrades) auftaucht und uns die Scheinwerfer der Motorrad Gang des Holländers blenden, kann man das für eine Halluzination des Steuermanns halten. Das Licht von Olaf Winter spielt dabei eine aktiv atmosphäreschaffende Rolle. Michael Porter singt und spielt diesen Steuermann als den netten Jungen, der sich Mühe gibt, aber immer mal eine väterliche Kopfnuss des Kapitäns einfängt. Er ist einer, der die Bierflasche doch lieber mit dem Öffner und nicht mit den Zähnen aufmacht wie sein Chef. 

Wenn sich dann der Vorhang für die Spinnstube öffnet, kann man jedes Norwegenklischee vergessen. So runtergewirtschaftet ging und geht es wohl in keiner Nähstube für Brautkleider an Norwegens Küste zu. Zu keiner Zeit. Bühnenbildner Patrick Bannwart hat sich hier zwar in Sachen prekärer Arbeitsverhältnisse ausgetobt. Wenn dann die Holländermannschaft aus dem Off zu Worte kommt und das Elektroleitungschaos und die Ruinenbruchstücke vollends im Apokalyptischen versinken, dann ist das zwar ein geniales und suggestives Bühnenbild. Geographisch ist das nicht Norwegen, höchstens Vonwegen.

Bösch zeichnet die Geschichte der todessehnsüchtigen, sich dem echten Leben (und dem smarten, langhaarigen Erik) verweigernden jungen Frau, für die Selbstmord offensichtlich eine erotische Dimension hat, zwar düster kontrastreich nach, aber nicht neu. Für einen Moment hält man einen Doppelselbstmord schon bei ihrem ersten Kennenlerngespräch des Problempaares für möglich. Mit einem blankpolierten Revolver. Am Ende geht dann aber wohl doch alles – etwas effektvoller – in Flammen auf. Was wir allerdings nicht mehr zu sehen bekommen. Sichtbar brennt nur die Schiffsschraube. 

Wolfgang Koch ist nicht der dunkel diabolischste Holländer, den man sich vorstellen kann, aber er vermag seine Verzweiflung zu gestalten und ist klug genug, sich zum Schluss hin fulminant zu steigern. Erika Sunnegårdh setzt die fixe Idee ihrer Senta, aus ihrer Umwelt und den vorgezeichneten Bahnen raus und auf direktem Wege ins Jenseits zu wollen körperlich exzessiv und mit dramatischer Verve bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten um. Seemännisch stilecht spielend und seriös aber etwas blass singend ist der Daland von Andreas Bauer. Bei der warm strömenden Tanja Ariana Baumgartner bleibt die Mary szenisch erstaunlich beiläufig – da verwendet der Regisseur mehr Augenmerk auf ein paar übergriffige Szenen zwischen den heimkehrenden Seeleuten und den Frauen, die noch nicht über die Unterröcke und das Haare-Föhnen hinausgekommen waren. Macht aber nichts, denn die Männer haben sich noch nicht einmal gewaschen oder ein gewaschenes Hemd übergezogen. Für dieses konventionell und prekäre Outfit ist Meentje Nielsen zuständig. Neben dem Holländer und Senta am überzeugendsten ist der liedhaft ausgeformte Erik von Daniel Behle. Beim präzise einstudierten Chor überzeugte die militante Wucht der Männer am meisten. Das Premierenpublikum war begeistert. 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!