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Florian Lutz. Neuer Operndirektor in Halle. Foto: Oper Halle
Florian Lutz. Neuer Operndirektor in Halle. Foto: Thilo Beu
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Der Neue – In Halle wird Florian Lutz 2016 neuer Operndirektor

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In Halle ist eine Personalentscheidung gefallen: mit der Spielzeit 2016/2017 wird Florian Lutz als Nachfolger von Axel Köhler der neue Chef der Oper. Ob seine Position nun Operndirektor heißt oder sich dann doch wie bei Köhler die Bezeichnung Intendant einbürgert, deutet schon auf einen Teil der Probleme, mit denen sich der Neue auseinandersetzen muss. In Halle sind nämlich Oper, Schauspiel, Puppentheater, Ballett und Orchester unter dem Dach einer GmbH vereint. Jede Sparte ist künstlerisch autonom, aber ökonomisch an das letzte Wort des GmbH Chefs gebunden. Wobei nicht klar ist, wer das künftig sein wird, denn auch der Vertrag von Rolf Stiska endet.

Doch das ist nur eine der Ungewissheiten für Florian Lutz. Auch der GMD Josep Caballé-Domenech entscheidet dieser Tage über sein Verbleiben im Amt. Jedenfalls liegt ihm derzeit vor allem eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag am Herzen. Ob er bleibt oder nicht – ein GMD in Halle muss, neben seinen Dirigaten, vor allem den nicht abgeschlossenen und keineswegs schmerzfreien Prozess des Zusammenwachsens von einstigem Opernorchester und Philharmonie zur Staatskapelle moderieren und voranbringen. Zu einem von Herzen bejubelten Publikumsliebling (wie manche seiner Vorgänger) hat es der Spanier jedenfalls noch nicht geschafft. Dabei ist die Kapelle hervorragend, hat mit dem historisch ausgerüsteten Händelfestspielorchester einen längst konkurrenzfähigen Spezialklangkörper in seinen Reihen und kann von seiner Doppelrolle als Konzert- und Opernorchester profitieren.

Wie es heißt, hatten sich bei einer ersten Bewerbungsrunde für die Köhler-Nachfolge etwas über zwanzig Kandidaten gemeldet. Wobei Lutz der einzige war, der die Grundvoraussetzungen erfüllte. Als man daraufhin eine Findungskommission einsetzte, versuchte die sich quasi neu zu erfinden, ihren Namen wortwörtlich zu nehmen und der Nachfrage auf die Sprünge zu helfen, indem man geeignete Kandidaten gezielt ansprach. Und auch eine Kandidatin nicht vergaß!

Es ist ein Glücksfall, dass Lutz bei diesem ganzen Hin und Her bei der Stange blieb und sich durch die krampfhafte Suche nach einer Alternative nicht beirren ließ. Dass dieses ganze Verfahren nur knapp an der Provinzposse vorbeischrammte, ist ein Indiz dafür, wie Stimmung und Selbstdarstellung negativ zurückwirken können und ein Haus mit seinen Möglichkeiten düsterer aussehen lassen, als es tatsächlich ist. Das ist nur zum Teil der Halleschen Mentalität geschuldet, die die eigene Stadt gerne unter Wert verkauft, und jedes Mal erstaunt ist, wieviel positiver eine unvoreingenommene Wahrnehmung von außen ausfällt.

Florian Lutz hat diesen unvoreingenommenen Blick für die Potentiale der Stadt. Was auch an den Erfahrungen liegt, die er als freier Regisseur in vergleichbaren Städten und Häusern bisher gesammelt hat. Außerdem kennt er das Theater durch zwei eigene Regiearbeiten auch von innen. Er hatte mit seiner Inszenierung von Christian Josts „Arabische Nacht“ im neuen Theater und aktuell mit Henzes „Phaedra“ jeweils höchst erfolgreich für den ambitionierten Höhepunkt der Spielzeiten gesorgt.

Der Entschluss von Florian Lutz zu einem entschiedenen „Ja, ich will“, ist also mit der Kenntnis des Hauses und nicht nur mit Blick auf die eigene Vita gefallen.

Allerdings gibt es tatsächlich einige objektive Herausforderungen, die den vollen Einsatz eines unverbrauchten 36jährigen fordern, der mit Leidenschaft und kühlem Kopf für das Theater lebt und arbeitet. Eine davon liegt in den Rahmenbedingungen begründet, die die rigide Kürzungspolitik einer Landesregierung (mit Finanzminister Bullerjahn und Kultusminister Dorgerloh, beide SPD) setzt, deren Denkhorizont von einem budgetären Tunnelblick bestimmt ist, der sich auf unselige Weise mit einer Selbstgefälligkeit in Gutsherrenmanier verbindet und jede Einwand der Kultur abperlen lässt. Die dekretierten, brachialen Zuschusskürzungen des Landes für die Theater in Dessau, Eisleben und Halle erzwingen nicht nur Strukturanpassungen an diesen Häusern, sie gefährden (vor allem in Eisleben und Dessau) bereits die Existenz ganzer Sparten, ja der Institutionen.

Axel Köhler hat seinen Vertrag mit Verweis darauf nicht über 2016 hinaus verlängert. Sicher ist vor allem der in den nächsten Jahren zu bewältigende drastische Stellenabbau kein Stimmungsaufheller. Für diese Art Rückgrat und Mut zum Unpopulären ist Axel Köhler, der aus dem Ensemble des Hauses kommt und vielen Künstlern seit langem persönlich verbunden ist, nicht der richtige Mann. Was menschlich durchaus für ihn spricht. Es wird eine der ersten großen Herausforderungen für Florian Lutz sein, diesen nun wohl nicht mehr zu vermeidenden Stellenabbau möglichst schnell hinzubekommen, um dann auf einem mittelfristig gesicherten Fundament, einen künstlerischen Neustart zu versuchen. Den muss er auf jeden Fall offensiv in die Stadt hinein kommunizieren. Dagegen ist eine Henze-Inszenierung ein Klacks.

Neben diesen von außen vorgegebenen, objektiv verschlechterten Rahmenbedingungen für die Kultur in Halle, hat es aber auch die Oper selbst künstlerisch nicht geschafft, sich so zu profilieren, dass sie neben dem alljährlichen Dienst am Ortsheiligen Georg Friedrich Händel, überregional Aufmerksamkeit erzielt. 

Selbst das gelungene Ring-Projekt war vor allem dem Karriere-Ehrgeiz des damaligen GMD Karlheinz Steffens entsprungen. Doch das Angebot kam beim Publikum erstaunlich gut an, wurde wiederaufgenommen und war beispielsweise für den Siegfried Sänger Andreas Schager das Sprungbrett für seine jetzt einsetzende Karriere als Wagnersänger. 

Der Spielplan der Oper setzte in den letzten Jahren ansonsten allzu sehr aufs Leichte und auch Seichte, vermied szenische Herausforderungen, lieferte bestenfalls routinierte Meterware. Die Risikogefahr im Blick auf den Publikumszuspruch ist dabei kaum ein triftiges Argument, wenn man sich etwa die Programmpolitik in Erfurt als Vergleich anschaut, wo es seit über zehn Jahren jedes Jahr eine Uraufführung und eine Ausgrabung gibt.

Die Entscheidung des Aufsichtsrates für einen Künstlerintendanten ist jedenfalls ein ermutigendes Zeichen, auch wenn sich Florian Lutz zunächst auf das Haus und seine Struktur und das künstlerische Profil konzentrieren muss.  

Biographisches Florian Lutz:

Florian Lutz wurde 1979 in Köln geboren und studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin. Neben verschiedenen Publikationen zu Musik- und Operngeschichte arbeitet er seit 2003 als freischaffender Theater- und Opernregisseur. Zu seinen Inszenierungen der vergangenen Jahre gehören Glucks ORFEO ED EURIDICE und Wagners LOHENGRIN in Gera, eine eigene Bearbeitung von Offenbachs HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN im HAU 1 in Berlin, die „szenischen und konzertanten Aktionen“ DES LANDES VERWIESEN des chilenischen Komponisten Juan Allende-Blin, Bizets CARMEN, Bellinis NORMA und die Uraufführung von Georg Friedrich Haas‘ Musiktheaterabend NOCTURNO in Bonn, die Uraufführung der Oper HELGES LEBEN von Karola Obermüller und Mark Möbius nach dem gleichnamigen Theaterstück von Sibylle Berg, Rossinis LA CENERENTOLA und Cherubinis MÉDÉE in Bielefeld, Donizettis LUCIA DI LAMMERMOOR in Braunschweig, die Uraufführung von Wolfgang Mitterers „Sampleoper“ PLAY ZERO nach einem Libretto von Eberhard Petschinka am Festspielhaus St. Pölten, Mozarts COSÌ FAN TUTTE in Dessau, LIEBESWAHN, ein szenischer Abend zu den römischen Kantaten von Georg Friedrich Händel in Zusammenarbeit mit der Batzdorfer Hofkapelle im Rahmen der Händelfestspiele Halle 2014, Richard Wagners TANNHÄUSER in Lübeck und Gurlitts SOLDATEN in Osnabrück.

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