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Foto: © Heiko Sandelmann
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Die Emanzipation der Gilda – Verdis „Rigoletto“ in Bremerhaven

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Einen Andrej Woron-Rigoletto hat es 2005 in Bremen gegeben, einen anderen (Regie: Mascha Pörzgen) 2003 in Oldenburg. Die unsterbliche, 1851 komponierte Oper hat Konjunktur, vor zwei Jahren hat sie in Bremen Michael Talke inszeniert, Oldenburg bereitet einen neuen Rigoletto vor und jetzt war eine weitere Inszenierung von Woron in Bremerhaven zu sehen.

Schon in Bremen war bei Woron, der wie immer auch sein eigener fantasievoller Ausstatter ist, von der grauenhaften Atmosphäre am Hof in Mantua im sechzehnten Jahrhundert, an dem der Herzog eine Frau nach der anderen vergewaltigt, an dem der verunstaltete Hofnarr Rigoletto sich zynisch an den Schweinereien beteiligt, wenig zu sehen. Die Männer haben hier schicke (mafiose?) Anzüge an – auch Rigoletto ohne Buckel – und blasen in einer Orgie Frauenpuppen auf. Schlimm genug. Rigoletto macht mit und wird das Opfer seiner eigenen Negativität, indem er versucht, den Herzog, der seine Tochter vergewaltigt hat, zu ermorden.

Das Versdrama „Le Roi s'amuse“ von Victor Hugo und auch das Libetto von Francesco Maria Piave ist zu Recht als Adelskritik, die ja auch zu Eingriffen der Zensurbehörde führte, verstanden worden.

Emanzipation der Gilda

Davon ist hier wenig zu sehen, viel zu harmlos kommt das alles daher. Und wenig ist auch zu sehen, dass Rigoletto, indem er seine Tochter zwar vor dem Herzog schützen will, de facto sie aber mit erheblichem Zwang ganz einfach einsperrt. In einer winzigen fensterlosen Kammer, die wie eine vergammelte Puppenstube wirkt, in der die Menschen als Riesen erscheinen. Dafür arbeitet Woron einen anderen Aspekt sehr wirkungsvoll heraus: die Emanzipation der Gilda, die alles andere als ein Opfer ist.

„Teurer Name“ singt sie eben nicht in ihrem Gefängnis, sondern sie gerät auf einer befreienden Schaukel immer höher. Ein wunderbares, Bild, das noch getoppt wird durch das Verlassen des Sackes, indem sie ja schon fast tot ist und im Buch auch stirbt. Hier erhebt sie sich und Rigoletto umarmt den Sack: Gilda ist niemandes Opfer, sie ist einfach gegangen. Dieser Idee sind viele feine szenische Nuancen untergeordnet. Sie wird an erster Stelle von Dae-Hee Shin in der Titelpartie berührend bewältigt – in der Spielpräsenz und im Gesang. Und die neu engagierte Tijana Grujic als Gilda singt makellos traumhaft und spielt in ihrem mädchenhaften Faltenröckchen gut die Widerständlerin, die sich auch dem Vater entziehen wird. Kwonsoo Jeon als Herzog macht das alles tapfer, aber mit wenig Charisma. Patrizia Häusermann als Maddalena rundete das Bild.

Auch wenn entscheidende Grundlagenaspekte zu schwach erscheinen, ist die Aufführung eine sehenswerte Perspektive, zumal im Chor und vor allem im Orchester Großes geleistet wird: Generalmusikdirektor Marc Niemann spielt die Musik, die einen Hit an den anderen reiht, mit dem gut und präzise folgenden Orchester mit fantastischen Tempi und im wahrsten Sinne des Wortes mitreißendem Schwung. Manchmal ein bisschen zu laut, wie oft bei Niemann.  

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