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das Podium der Bildung: Foto: Hufner
Das Podium der Bildung: Agnes Krumwiede, Noemi Lehner, Tibor Sturm, Klaus-Peter Kulack, Theo Geißler, Matthias Pannes, Arno Lücker, Thomas Birk. Foto: Hufner
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Die Politik auf der Suche nach einer Zukunftsmusik

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Gemessen an der gesellschaftlichen Bedeutung von Musik (überall klingt sie, viele machen sie, gewirtschaftet wird auch mit ihr und zwar nicht zu knapp), spielt sie im Bereich der konkreten politischen Gestaltung ein kaum messbare Rolle. Sie, die Musik, und ihre angrenzenden Bereiche werden der Kultur zugeordnet, was ja richtig ist, und damit zugleich politisch kalt gestellt. Sie hat auf Bundesebene kein Podium und in Ländern und Kommunen zählt sie als freiwillige Aufgabe. In einem Punkt ist dies wenigstens zum Teil anders: dem der Bildung und/oder Ausbildung, der es ja bis zum Gipfel der Gefühle unterhalb der Kinnlade der Bundeskanzlerin geschafft hat. Der Kiefer ging auf und zu. Das wars.

Das alles weiß man. Umso erstaunlicher, dass sich im Moment gerade bei den GRÜNEN in Sachen Kulturpolitik einiges regt. Mit ausgelöst wurde das durch den Einzug der Musiklehrerin und Pianistin Agnes Krumwiede in den Deutschen Bundestag. Sie zeigt sich engagiert und wirklich bemüht, ihr Ohr an die Nöte der Künste legen. Das tat sie unlängst im Grünen Salon der Volksbühne in Berlin. Unter dem Titel „Zukunftsmusik – Perspektiven für die musikalische (Aus-)Bildung“ lud sie sich sieben Gäste auf das somit schwer beladene Podium. Vertreten war da einiges und dennoch nicht alles. Eine Schulmusikerin in Ausbildung, ein musikalischer Streetworker, ein Musiklehrer an einem Gymnasium in Bernau, ein Musikjournalist, ein Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Musikschulen, ein Komponist und Musikdramaturg sowie ein blasser Abgeordneter der GRÜNEN, der Mitglied im Musikschulbeirat ist. Hinzutraten die Zuhörer und -seher, die zum größeren Teil auch etwas zum Thema zu sagen hatten. Zwei Stunden Input für die Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede, ergänzt mit einem Programm der Ingolstädter „Boomtown Raps“ – Schülerinnen und Schülern, die rappen und dancen.

„Der Fortschritt ist eine Schnecke“,

sagt da der Bundesgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Musikschulen Matthias Pannes und bezieht sich damit auf die Wandlungsfähigkeit der Ausbildungsinstitutionen (Universität und Hochschule). Was in der Jugendkultur gerade passiert, erreicht diese Institutionen viel zu spät. Das heißt, bei den Adressaten der Ausgebildeten kommt die Dinge nicht mehr an, wenn sie benötigt würden. Der Ruf der Schulmusiker in der Gesellschaft scheint sehr gelitten zu haben, so das einstimmiges Credo aller Beteiligten. Die Beschäftigungsverhältnisse der Musiklehrer an Musikschulen sind prekär. Festanstellungen weichen im großen und prekären Maße Honorarverträgen. Hier sei die Politik gefordert.

Konkurrenten untereinander

In hohem Maße beklagt wurde auch die Selbstorganisation der mit Musik verbundenen untereinander. Statt zusammenzuwirken, herrscht eine Art Einzelkämpfertum vor; unter den Künstlern selbst, aber genauso zwischen den Berufsgruppen. Die mögliche starke Stimme des Deutschen Musikrates verhallt im Bücklingsgesang vor den politischen Entscheidungsträgern. „Der Musikrat ist im Prinzip sicherlich eine nötige Geschichte. Aber wie vermittelt er Musikpolitik in die Politik hinein? Das ist so, wie ich es miterlebe, ein Andienen, eine gebückte Haltung, in der man sich an die Politiker annähert, und eine vorauseilende Dankbarkeit, wenn man überhaupt einmal ein Politikerohr bekommt“, meint Theo Geißler. Mit ein paar Klicks auf eine Website des Deutschen Musikrates ist es jedenfalls nicht getan.

Bildungs- versus Kulturpolitik und das gesellschaftliche Ganze

An anderer Stelle wurde vorgeschlagen, musikausbildende Tätigkeiten (in Uni, Hochschule und Schule) nicht unter dem Oberbegriff der Kulturpolitik zu verhandeln, sondern als Teil der Bildungspolitik. Selbst wenn man zugesteht, dass man zwar Kultureinrichtungen benötigt, so liegt der politische Fokus auf dem Begriff der Bildung. Hier sollen Gelder in großem Umfang bereitgestellt werden. Die Frage wäre, welche Rolle spielt Musik in der Bildung; mit welchem Bildungsbegriff hat man es da zu tun? Und, wie passt da aktuelle Jugendkultur hinein? Vielleicht ist aber auch die ganze Diskussion müßig und an einer anderen Schraube wäre zunächst zu drehen. Wenn man sieht, in welchem Umfang Bankenrettungspakete aufgelegt werden, um finanzielle Probleme zu heilen, die durch verantwortungslose Geldgeschäfte getätigt wurden, wäre auch zu überdenken, wie Kultur und Bildung im gesamtgesellschaftlichen „Sinn“ zu denken ist. Wäre nicht auch denkbar, dass die finanziellen Probleme mit da herrühren, dass die Kultur dieser Gesellschaft, ihr moralisches Gefüge, erodiert? Finanzprobleme sind vielleicht stärker als vermutet Folgeprobleme verfehlter Kultur- und Bildungspolitik?

Konkrete Hinweise

Die meisten konkreten Vorschläge in Richtung Krumwiede gingen von Matthias Pannes aus. Sie betreffen Verwaltungsvorschriften in Kommunen und politische Initiativen in den Hochschulen. Grundsätzlich sieht er für den Bereich der Musikschulen nur dann Licht am Tunnel, wenn die Kommunen als Träger von Musikschulen soweit entlastet würden, dass wieder Platz für einen Ausbau dieser Infrastruktur gegeben wäre. Das sind konkrete Fragen danach zum Beispiel, welchen Anteil der Mehrwertsteuer den Kommunen überlassen werden sollte.

Krumwiede bedauerte in einem Statement abseits der Veranstaltung, wie wenig präzise jedoch die Aufgaben für die Politik seitens der Musikszene aussähen. Als Politikerin benötigt sie aber jeden Input, möglichst mit Wegen der Verarbeitung für das politische Geschäft. Hier müssen sicher die Musikmenschen noch einige Hausaufgaben machen.

Ein Teilnehmer zeigte sich jedenfalls erfreut, dass es derartige Veranstaltungen überhaupt gebe, nahm den Hinweis, dass man sich an Krumwiede wenden könne, ernst und wollte sich bei nächster Gelegenheit an das Verfassen einer Mail an Krumwiede machen. Dann aber wolle er sich doch wieder seinem Kerngeschäft, der Musik, zuwenden. Das in Krumwiede gesetzte Vertrauen wird sich bewähren müssen. Dass sie ihre Funktion als politische Anlaufstelle für Musik ernst meine, konnte sie glaubhaft darstellen.

Zukunftsmusik

Trotz der vielen guten Ansätze einer solchen Veranstaltung, kann sie nicht darüber hinwegtrösten, zu sehen, wie wenig die Welten politischer Gesetzgebung und des gesellschaftlichen Lebens selbst zusammenfinden. Was wird nun aus dem Hiphop in der Schule? Was wird nun aus der Stundentafel für Musik? Es scheint geradewegs so, dass eben dies die Stunde der Zwischenhändler ist, des Managements, des Vermittlungsgeschäfts. Diese Abfederungseinrichtungen sind alle gut gemeint, aber sie sind auch willkommene Helfer im politischen Abwickelungsgeschäft. Da wäre auch zu überdenken, wie man seine eigene Haltung einmal anders konstituiert. Kultur ist keine gesellschaftliche Hilfsdisziplin!

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