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Vier junge Frauen, die mit ihrem Festival „Feminale“ Komponistinnen mehr Gehör verschaffen wollen. (v. l. Josephina Lucke, Margalith Charlotte Eugster, Linda Wesche und Antonia Brinkers). Foto:  © Feminale
Vier junge Frauen, die mit ihrem Festival „Feminale“ Komponistinnen mehr Gehör verschaffen wollen. (v. l. Josephina Lucke, Margalith Charlotte Eugster, Linda Wesche und Antonia Brinkers). Foto:  © Feminale
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Diskurs – Gespür – Inspiration: Festival „Feminale“ an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg [27. bis 29. April]

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Komponistinnen sind noch immer in den Konzertprogrammen überall auf der Welt eine selten zu findende Spezies. Gründe dafür gibt es viele – oft primär gesellschaftliche, die die Rolle der Frau im alltäglichen Leben, in den Arbeitsbereiche „Küche, Kirche, Kinder“ betreffen. Vier Studentinnen der Hochschule für Musik und Theater Hamburg beklagen überdies, dass die Werke von Komponistinnen auch in der Ausbildung nicht vorkommen. Kurzerhand haben sie an der Hochschule ein auch für Besucher öffentliches Festival (27.–29. April) ins Leben gerufen, das diesen Missstand beheben soll.

„Ihre äußerst sensible Natur reagiert wie ein Seismograph auf die feinsten Anregungen, Natur, Literatur, Gefühlszustände: alles das ruft eine besondere schöpferische Spannung hervor, die im Entstehen des Werkes, freigesetzt wird. Offenbar gehört sie zum inspirativen Typus, der in der Trance einer musikalischen Besessenheit arbeitet“, schreibt die Musikwissenschaftlerin Koraljka Kos Die Rede ist von der kroatischen Komponistin Dora Pejačević (1885–1923). Sie war die erste Frau in Kroatien, deren Orchesterwerke öffentlich aufgeführt wurden. Nach ihrem Tod wurden ihre Werke noch bis in die 1930er Jahre hinein gespielt, danach waren sie nur noch wenigen bekannt.

Noch immer werden Komponistinnen nur sehr begrenzt wahrgenommen. In der Fachwelt selbst, aber auch bei den Zuhörern. Als die Verlegerin Renate Matthei vor rund 35 Jahren den furore Verlag gründete, einen Verlag, der ausschließlich Musik von Komponistinnen verlegt, war das auch ein politisches Statement. Matthei hatte erkannt, dass – nähme man alle Konzertprograme der Welt zusammen – nur 0,1 % der gespielten Werke von Frauen stammen. Das wollte sie ändern. Eine ähnliche Erkenntnis hatten vor wenigen Wochen vier Studentinnen der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg (HfMT): „Wie kann es sein, dass wir Studierenden die Musikhochschule nach vier, sechs oder acht Jahren mit einem Abschluss verlassen, ohne ein Werk einer Komponistin im Repertoire zu haben?“ So haben Josephina Lucke, Margalith Charlotte Eugster, Linda Wesche und Antonia Brinkers beschlossen „Das muss sich nachhaltig ändern!“ und das Festival „Feminale“ ins Leben gerufen.

Ein feministisches Festival soll es werden, wenngleich der Sinn des Begriffes „feministisch“ hier hinterfragt werden müsste. Wie auch immer: vier Frauen haben ein Festival organisiert, das vom 27. bis zum 29. April in den Räumen der HfMT stattfinden wird. Das Programm enthält ausschließlich Werke von Komponistinnen und, so die Organisatorinnen, „schärft das geschichtliche Gespür, regt den gesellschaftlichen Diskurs an und vermittelt inspirierende Ansätze“. Sie denken bei der Organisation des Festivals in übergeordneten Kategorien und erkennen, dass das Manko, das die Hochschule ihnen bietet auch Folgen für die Zukunft und die Gesellschaft, insbesondere für die Stellung der Frauen, nach sich zieht. Co-Organisatorin Linda Wesche sagt dazu: „So ist es auch nicht erstaunlich, dass später nur selten Werke von Komponistinnen auf den Spielplänen und Konzertprogrammen stehen.“ Die Feminale an der HfMT will die Hochschule selbst verstärkt in die Pflicht nehmen, denn „gerade Bildungsbetriebe wie die HfMT Hamburg stünden in der Pflicht, Komponistinnen eine Plattform zu bieten“, so Margalith Eugster.

Es ist ein vielfältiges Programm, was in den drei Tagen an der HfMT geboten wird. Vorträge, Seminare und ganz viel klingende Musik. Die Eröffnung gestaltet Silke Wenzel von der HfMT mit einem Seminar zum Thema „Von wem? Katharina …. Wer? Nie gehört!“ In diesem „nie gehört“ steckt das zentrale Problem: Dinge und Menschen, die man nicht kennt, von denen man „nie gehört“ hat, die kann man in aktive Lebens-, Zukunfts- und Gestaltungsprozesse nicht einbinden. Nicht einbeziehen betrifft aber – bei einer Aufteilung der Weltbevölkerung in 50,5 % Männer und 49,5 % Frauen – etwa die Hälfte der Menschheit. Das ist so nicht hinnehmbar!

So bleibt zu hoffen, dass es nach der Feminale Menschen gibt, die mit den Namen Gertraud Kaltenecker, Harriet Abrams, Marianne Scharwenka-Stresow, Irene Giblin, Agnes Tyrrell, Elizabeth Poston, Leni Alexander, Mary Wurm, Auguste Kolar und Josephine Lang mehr anfangen können oder sich auf die Suche nach ihren Werken machen.

Für Dora Pejačević ist ein großes Stück ihrer Wiederentdeckung schon geschafft. Sie wurde von der Musikwissenschaftlerin Koraljka Kos quasi zurück ins Leben geholt. Sie führte zahlreiche Grundlagenforschungen durch und publizierte ihre Forschungen in einer Biographie und vielen Artikeln. So kommen Kompositionen von Dora Pejačević wieder in Konzertprogrammen vor. 2001 wurden sogar mehrere CDs mit ihren Werken aufgenommen. Für viele Komponistinnen liegt dieser Weg noch im Dunkeln – Veranstaltungen wie die Feminale werden diesen Weg beleuchten und irgendwann auch die musikalische Geschichtsschreibung verändern!

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