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Manuel Günther, Hale Soner, Gocha Abuladze. Foto: Nilz Böhme
Manuel Günther, Hale Soner, Gocha Abuladze. Foto: Nilz Böhme
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Ein Barbier am Seil – Im neuen „Barbier von Sevilla“ in Magdeburg rockt sogar Rossini mit

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Man stutzt schon etwas, wenn in der B-Premiere eines neuen „Barbier von Sevilla“ in einem Theater etliche Plätze frei bleiben. Noch dazu, wenn weder Glatteis, noch irgendein Fußballspiel mit Rossini konkurrieren. Die freien Plätze bei der zweiten Vorstellung des neuen „Barbier von Sevilla“ in Magdeburg hatten auch nichts mit der schmissig überdrehten und ein bisschen verrückten Neu-Inszenierung von Christian von Götz zu tun. Es lag daran, dass die Lokalzeitung in Magdeburg die Premiere an „ihrem“ Opernhaus schlicht und einfach ignoriert hatte.

So viel Einfluss hat der Kulturteil der Zeitung dann doch immer noch. Doch nach den jüngsten Attacken der Landesregierung auf die Theater im Lande (die das der Landeshauptstadt freilich ausnahmen) wundert ein solcher Lapsus im Grunde nicht einmal mehr.

Aber sei‘s drum: Am Ende dieser Vorstellung wurde gejohlt wie sonst nur nach einem kultigen Musical. Irgendwie hatte man so was ähnliches auch tatsächlich gesehen. Nur die Musik von Gioacchino Rossini war entschieden besser. Ein Hit am anderen – von einem Komponisten, bei dem (noch) nicht zwischen U und E unterschieden werden kann; jenem Verdi-Vorläufer, der seine Karriere in ihrem Zenit beendete, um sich fortan, als ausgewiesener Gourmet der Verschönerung des eigenen Lebens zu widmen. Für das der anderen hatte er vorher genug beigesteuert. Und er macht es immer noch. Ganz bestimmt mit seiner Cenerentola-Variante und eben dem Barbier von Sevilla. Wobei seine Werke-Speisekarte neben diesen so hinreißenden Intrigen-Antipasti und wunderbaren Happyend-Desserts auch gehaltvolle Hauptgänge bietet.

Doch gemäß der bunt bemalten Brecht-Gardine, die in Magdeburg unbehinderten Szenenwechsel ermöglicht, hält man sich an die aufgemalten italienischen Stichworte Sonne, Liebe und, na ja Stier. Ein bisschen Spanisch muss halt sein, wenn schon Sevilla im Titel vorkommt. Sie singen natürlich alle Italienisch. Sofern ihnen der Meister mit seinem Turboparlando die Luft dafür lässt. Michael Balke am Pult der Magdeburgischen Philharmonie ist jedenfalls (manchmal zu) sehr darum bemüht, die allesamt wunderbar komödiantisch aufdrehenden Protagonisten nicht mit allzu stürmischen Orchesterwogen aus dem Graben zu überfluten.

Was Ulrich Schulz hinter dieser verballhornten Gardine aufgebaut hat, sieht aus wie eine aufgepeppte Spielecke beim Möbelhändler ihres Vertrauens. Mit einem Becken voller bunter Stoff-Bälle, samt einer Holzkiste zur „Aufbewahrung“ von Rosina mittendrin. Mit einer Halbrundtreppe nach oben und einer Rutsche nach unten. Alles knallbunt. Figaro schwingt sich freilich am liebsten wie Tarzan an der Liane in die Szene. Ein Barbier am Seil sozusagen. Der Doktor Bartolo auf Freiersfüßen (Martin-Jan Nijhof) ähnelt mit seiner grauen Tolle, seinem Schal und der sichtbaren Vorliebe fürs Fahrradfahren dem ehrenwerten letzten Altlinken im Bundestag Hans-Christian Ströbele. Woher auch immer Regisseur Christian von Götz diese Idee hat – sie funktioniert. Und passt irgendwie zum Hippie-Look der längst verknitterten Rock-Musiker, inklusive Basilio (Kostüme: Ulrich Schulz, Verena von Götz). Sie haben immer ein Peace-Zeichen und ein Tütchen Koks parat. Was bei Marcellina (souverän und witzig: Ute Bachmaier) schon zum Dauerniesen führt.

In diesem Rahmen rockt dann auch Rossini höchstpersönlich (als versilberte lebende Statue auf der Piazza) mit. Vor allem in den turbulenten Schlussnummern der beiden Akte. In denen es darum geht, wie der Graf Almaviva (smart, jung, strahlend: Manuel Günther), dank des Geschicks von Figaro (Gocha Abuladze setzt mehr auf kaukasische Power, als auf vokale Eleganz und räumt damit ab!), zu seiner Rosina (selbstbewusst und höhensicher: Sylvia Rena Ziegler) kommt. Rossini liefert ja die Vorgeschichte zu Mozarts Friseuroper, in der der Graf und seine Gräfin das Ehepaar sind, bei dem die Liebe erkaltet. In Ödön von Horváths Schauspiel „Figaro lässt sich scheiden“ ist ihnen dann das Singen vergangen. Schade eigentlich, dass man das nicht mal hintereinander weg sehen kann. Das Theater in Meiningen hat schon öfter inhaltliche korrespondierende Stücke der Opern- und Schauspielliteratur gekoppelt …

Nächsten Vorstellungen: am 7., 16. und 21. Februar 2014, www.theater-magdeburg.de

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