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Boston Early im Sendesaal. Foto: https://sendesaal-bremen.de/
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Ein Frauenbild von 1733 in Neapel – „La Serva Padrona“ in Bremen mit „Boston Early Music“

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Zunächst einmal ist Giovanni Battista Pergolesis 1733 entstandene Farce „La Serva Padrona“ (Die Magd als Herrin) ein Werk, das Gattungsgeschichte grundsätzlich verändert hat. Der 23jährige Komponist schrieb die erste „opera buffa“ der Operngeschichte, die bis dahin „opera seria“ war: ernste Oper mit langen Arien, von denen die Protagonisten Götter oder Könige waren. Sein berühmtes Intermezzo „La Serva padrona” wurde als Unterbrechung seiner „opera seria” „Prigonier superbo” geschrieben und machte Musikgeschichte.

„La Serva Padrona” löste 1752 in Paris den sogenannten „Buffonistenstreit” aus, in dessen Folge die italienischen Truppen Paris verlassen mussten. Und die kleine Oper hatte auf den jungen Mozart einen solchen Einfluss, dass man sich tatsächlich fragen muss, wie Mozarts Opernentwicklung ohne Pergolesi weitergegangen wäre. Mit den da Ponte-Opern fand Mozart zu der genialen Synthese der seria und der buffa, die erstmalig einfache Alltagsmenschen als Hauptpersonen auf die Bühne gebracht hatte.

Zum zweiten zeigt die Musik das Werk eines Hochbegabten, der im Alter von 26 Jahren an Tuberkulose starb. Welchen Zauber die Musik hat, konnte nun das Publikum im Sendesaal genießen: Das Boston Early Music Festival Orchestra spielte das Intermezzo konzertant nach einer Probenwoche für die Aufnahme einer CD, die MusikerInnen aus aller Welt wegen der Akustik des berühmten Saales anstreben.

Das amerikanische Orchester unter der Leitung des Theorbespielers Stephen Stubbs und des Lautenisten Paul O'Dette wird in der Regel in Europa gefeiert, einen ganz besonderen Namen hat es aber auch in Bremen, wie das ausverkaufte Konzert zeigte. „La Serva Padrona”: nichts anderes als der gut halbstündige Zorn eines Junggesellen auf seine Dienerin, die sich weigert, diese weiterhin zu sein. Und die – ein besonders krasses Frauenbild – ihn dann erpresst und zwingt, sie zu heiraten. Und da lieben die beiden sich auf einmal.

Die Musik hat einen feurigen Zauber und einen bunten Witz, ein Tempo und eine Farbkraft, dass es gar keine Szene braucht. Besonders, wenn dazu noch SängerInnen wie Amanda Forsythe und Christian Immler am Werk sind. Nicht einmal eine Übersetzung braucht man, so klar liegen die von den neun Instrumentalisten unterstützten Affekte vor uns. Noch dazu, wenn die konzertante Aufführung von einem tänzerisch agierenden Pantomimen wie Alessandro Quarta „kommentiert” wurde, der damit auch die Rolle des stummen Nebenbuhlers spielte.

Als schwungvolle Einleitung erklang eine klangfarbenreiche Sinfonia von Pergolesi, die das unfassbare Maß seines Talentes zeigte. Am Ende verwöhnten uns die Bostoner noch mit einer Uhrenkarrikatur für drei Sänger (Carlotta Colombo, Jesse Blumberg und Christian Immler) von Pergolesis Lehrer, des Neapolitaners Leonardo Leo.

Im Januar hat Elisabeth Champollion als Nachfolgerin von Peter Schulze die künstlerische Leitung der Konzerte im Sendesaal übernommen. Ihr doppelte Qualifikation – sie ist aktive Blockflötistin in alter und Neuer Musik und jahrelange künstlerische Initiatorin und Leiterin der Reihe „Gröpelinger Barock” – sichert sozusagen den Fortbestand des durchgehend hohen Niveaus der Konzerte im Sendesaal. Schulze beschreibt Champollion als „begnadete Musikerin und mutige Veranstalterin“,  die den „Erhalt der Vielfalt der Konzerte“ verspricht.

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