Ene mene mink mank / Rundklang, Schrägklang, Querklang – Neue Musik (von Schülern) bei Maerzmusik 2013
An zwei Nachmittagen traten fünf Schulen mit ihren Projekten im Feld der „Neuen“ oder der „experimentellen Musik“ an. Fünf Schulen (Hector Peterson Schule, John F. Kennedy Schule, Katholische Theresienschule, Evangelische Schule Köpenick und Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium) respektive eine Klasse daraus, mit Lehrern, Komponisten und Studierenden im Gepäck, auf dem Weg in unerforschte Gebiete aus Klang und Theater. Das darf man durchaus wörtlich nehmen.
Der Rezensent hat nur dem zweiten Nachmittag beiwohnen können und kann seine Eindrücke aus diesem Konzert ziehen. Den Anfang machte die Klasse 10c der Katholischen Theresienschule mit dem Stück „Musik ohne Musik“. Man ahnt es schon, ahnen Sie’s? Es geht um die Musik, die entsteht, wenn Musik im institutionellen Rahmen gemacht wird, knapper: Musik im Konzert, wenn man das Konzert weglässt. „Husten, Stimmen, Computerklänge, …“. Dafür bedurfte es mindestens zweier „Dirigenten“, die im Raum disponierte Personen zum Erzeugen derartiger Klänge aufforderten. Das ist komisch bisweilen, trägt aber leider nicht zwingend ein ganzes Stück von mehr als 10 Minuten. Aber das mag man jetzt zurückstellen. Es geht ja um die Arbeit an einem speziellen musikalischen Probe-Phänomen.
Ernsthafter ging es beim zweiten Stück „[ ]“ des Wahlpflichtkurses Jahrgang 10 der Evangelischen Schule Köpenick zu. Freilich war die Besetzung kleiner, gefühlten 30 Personen aus dem ersten Stück „saßen“ jetzt sieben Schülerinnen und Schüler gegenüber. In mehreren ineinander übergehen Teilen, werden auskomponierte und improvisierte Abschnitte ineinander geschoben. Traditionelles Material mischt sich mit aktuellerer Klangforschung. Das wirkt alles sehr rund, weich und warm.
Beim dritten Stück des Leistungskurses Musik am Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium ("Vertagt") hatte man es ein bisschen mit der Summe der beiden vorhergehenden Stück zu tun. Theater, Sprache, Vokalklang und Objektklang wurden in einem dramaturgischen Konzept aus vier Gruppen-Teilen organisiert. Dieser recht großen musikalischen Gruppe gelangen tatsächlich so etwas wie Berührungen durch Musik.
Man hat bei diesen Konzerten immer beides: Einerseits die musikalische Überraschung des engagierten Musikmachens mit mehr oder minder gewöhnlichen Mitteln. Man ist darüber erfreut, wie sich Musik im Raum und in den Personen ausbreitet. Man ist zugleich Augen- und Ohrenzeuge eines Lernprozesses im Umgang und in der Aneignung musikalischer Mittel, die weit mehr sind als die Reproduktion schon vorgefertigter Schablonen. Aber andererseits ist das Resultat eben nicht immer auch ein Fertiges, Ausgearbeitetes, durch die permanente Selbstkontrolle Gewordenes. Es ist immer auch Teil des Alltags, der einen allerdings so umgibt, dass er statt in Distanz zu erscheinen, sehr stark durchschimmert. Gewiss darf man das nicht erwarten. Die Komponierenden und Ausführenden sind keine „Professionals“ – und das ist eben so gut wie manchmal schade.
Der Ort freilich, das Foyer des Kammermusiksaals der Philharmonie macht es evident. Man gönnt den jungen Musikerkomponisten nicht ihren eigenen Abend vor vollem (?) Haus. Aber durch die Verlegung ins zeitliche und räumliche Beiprogramm, bleibt auch das Risiko der Veranstalter kalkuliert.
Die Einwände mögen etwas spitzfindig wirken. Sie sind es auch. Aber man will ja nicht irgendeine Neue-Musik-Schulveranstaltung, ein bloß weiteres Projekt und muss sich ja doch mit dem gesamten Bildungssystem in Einklang setzen. Denn dieses muss solche Veranstaltungen hervorbringbar machen. Dafür steht „Querklang“ seit vielen Jahren in Berlin. Über 800 Schüler insgesamt hatten die Möglichkeit, dabei zu sein. Komponisten, Lehrer und Studierende konnte dazu ihre Erfahrungen machen und weitertreiben. Und man darf hoffen, dass sie alle genug Kraft haben, solche Sachen in den Schulen zu etablieren. Nicht wegen der Neuen Musik, die sowieso ihr Leben führt, mit oder ohne Schüler und Lehrer, wohl aber der Schüler wegen, denen man die Tore des „Lebens mit und in Musik, die einen wirklich etwas angeht“ offenhalten muss.
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Nur weil ein Projekt im Foyer
Nur weil ein Projekt im Foyer einer Philharmonie landet, heißt das nicht, dass die Schüler ernsthaft für sich etwas daraus mitgenommen haben. Es musste teilweise halt mitgemacht werden, weil es von den Schulen organisiert war. Macht sich gut auf den Websiten der Schulen. Wenn dort Fotos im Zusammenhang mit dem großen Wort "Philharmonie" auftauchen ist das immer werbewirksam. Viele der Schüler haben so große Potentiale, aber wird das von Schulen genutzt? Werden sie gefragt, was sie z.B. statt solcher verordneten Projekte machen wollen? Nein! Stattdessen werden sie zusätzlich mit einem vollgemüllten Lehrplan überfrachtet. Für Kinder, die privat oder schulisch selten mit Musik in Kontakt kommen, mag Querklang eine erfrischende Erfahrung sein. Für viele Kinder und Jugendliche mit Erfahrung waren es reine Pflichtveranstaltungen. Vielleicht sollten "Projekterfinder" mal langsam anfangen, ernthaft mit Kindern und Jugendlichen zu reden, die haben meist mehr zu sagen, als anscheinend angenommen wird.
Herr btrtrtr,es macht keinen
Herr/Frau btrtrtr,
es macht keinen Spaß mit Ihnen. Das ist einfach nur mal eben auskotzen und dann weglaufen.
So kann Sie keiner Ernst nehmen.
Martin Hufner
Eine interessante Reaktion
Eine interessante Reaktion auf eine Kritik, die aus dem Arbeitsalltag mit Kindern und Jugendlichen entstammt. Das hätte man bei aufmerksamem Lesen wahrnehmen können. Ich kann ja verstehen, dass man sich allgemein keinen Gegenwind wünscht, wenn man sich Mühe gemacht hat. Aber dann muss man auch konsequent sein und Claqueure engagieren. Oder die Kommentarfunktion abschalten. Aber vielleicht überzeugen Sie ja ein paar der gesammelten Originalaussagen von mitwirkenden Jugendlichen:
- schon wieder so ein “pädagogisches Projekt”
- Lebenszeitverschwendung
- Ich fühle mich veräppelt, sowas habe ich schon in der musikalischen Früherziehung gemacht
- man müsste denen (Anm.: den Machern) mal die Meinung sagen, aber dann kriegt man ja gleich mit dem eigenen Lehrer Ärger, weil dem das dann peinlich ist und man die Schule ja repräsentieren soll
- jetzt hilft nur noch gute Miene machen, sonst wird mir in die Suppe gespuckt (Anm.: schlechtere Zensur)
- ich versuch da einfach, was aus unserem Unterricht unterzubringen (Anm.: Instrumentalunterricht), dann üb ich gleich und die Zeit ist nicht ganz so verplempert
- na klar, Philarmonie. Als meine Eltern das hörten, haben gleich die Augen geglänzt. Hach, so eine tolle Schule, mein Kind darf in der Philharmonie spielen. Sollen die doch die Eltern bei dem … mitmachen lassen (Anm.: hier verzichte ich der Höflichkeit halber auf das Originalwort). Und wollen wir wetten, dass in spätestens zwei Wochen Fotos auf der Website (Anm.: der Schule) sind, damit sich das Elternvera…karussell weiter drehen kann?!
…
Jugendliche haben also eine eigene Meinung, äußern sie aber oft nicht - aus der Erfahrung heraus, dass sie sich im schulischen Zusammenhang damit meist nur selbst schaden. Und entschuldigen Sie bitte schon jetzt, dass ich Sie damit konfrontiert habe.
Nichts für ungut.
Schauen Sie. Es spricht doch nichts gegen Kritik. Es spricht aber einiges dagegen, wie valide die Aussagen von jemand sind, mit dem man zwecks Valisierung Kontakt aufnehmen wollte. Die Vorwürfe, die Sie erheben, sind ja nicht unerheblich und einiges spricht dafür, dass sie stimmen könnten. Aber kann man das auf Verdacht so herausposaunen? Versetzen Sie sich einfach in die Lage der Zeitung oder der Veranstalter - wenn dann jemand derartige Vorwürfe erhebt …
Nichts für ungut.
Martin Hufner
PS: Das hat nichts mit Ein- oder Ausschalten der Kommentarfunktion zu tun. Das ist eine Frage der Höflichkeit. Und da darf man sich gerne mal an die eigene Nase fassen - und zur Not fassen lassen.
Nun, dann liegt wirklich ein
Nun, dann liegt wirklich ein Missverständnis vor. Denn mein ursprüngliches Ansinnen war nicht das Erheben von Vorwürfen, sondern das Aufzeigen der Sicht von einigen Mitwirkenden, die im Leben nicht ihre Meinung offen äußern würden. Offen äußern könnten, da Schüler per se eben in diesem Zusammenhang von der Bewertung Erwachsener abhängig sind. Und leider ist die Erfahrung der jungen Menschen im Schulbetrieb diese, dass Anpassung und Mund halten in der Regel zu besseren Ergebnissen auf Zeugnissen führt, als eigene Meinung und Aufbegehren. Letzteres ist nur gern gesehen, wenn es um Inhalte geht, welche die eigene Schule nicht tangieren (der Hunger in Afrika, der Bürgerkrieg in Syrien, usw.). Das Handeln der eigenen Schule ist bitte über jeden Zweifel erhaben. Ihnen oder der NMZ ist schon gar kein Vorwurf zu machen, denn mit nur zwei Konzertbesuchen und den wahrscheinlich offiziellen Presseinformationen kann nur die Oberfläche reflektiert werden. Ich hoffe, unser aller Sicht ist nun etwas klarer und verabschiede mich aus diesem kleinen Diskurs. Mit freundlichen Grüßen, ein Lehrer, der mit Hingabe und Energie (aber wachsendem Frust) versucht wieder aufzurichten, was vormittags in der Schule menschlich eingerissen wird