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Reimanns „Ein Traumspiel“ in Hof: Franziska Rabl (Indras Tochter), Stefanie Rhaue (Die Pförtnerin) und Ensemble. Foto: H. Dietz Fotografie, Hof
Wolken- und Sinntüren: Reimanns „Ein Traumspiel“ in Hof mit Franziska Rabl (Indras Tochter), Stefanie Rhaue (Die Pförtnerin) und Ensemble. Foto: H. Dietz Fotografie, Hof
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„Es ist schade um die Menschen“: Aribert Reimanns Oper „Ein Traumspiel“ am Theater Hof

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Am Abend der „Soldaten“-Premiere in Nürnberg ging am Theater Hof die Produktion einer weiteren 1965 uraufgeführten Oper zum ersten Mal über die Bühne: „Ein Traumspiel“, jenes Werk, mit dem der damals 29-jährige Aribert Reimann als Opernkomponist debütierte. Juan Martin Koch hat die dritte Vorstellung besucht.

Neben dem Uraufführungsjahr ist den Opern Zimmermanns und Reimanns noch die Tatsache gemeinsam, dass beide Werke auf ein Theaterstück zurückgehen und dass Michael Gielen nach den „Soldaten“ auch das „Traumspiel“ aus der Taufe hob – als Einspringer, nachdem der vorgesehene Dirigent, der Kieler GMD Peter Ronnefeld, erkrankt war. Hier enden die Gemeinsamkeiten aber, denn August Strindbergs symbolistisch aufgeladenes, wohl auch überladenes Drama könnte stilistisch kaum weiter von der Lenz’schen Vorlage entfernt sein.

Trotz der beherzten Straffung, die Librettistin Carla Henius dem Original angedeihen ließ, ist der Inhalt kaum in einigen Sätzen zu umreißen. Deshalb nur soviel: Der Gott Indra schickt seine Tochter auf die Erde, um zu erfahren, wie es der leidenden Menschheit dort ergeht. Von der Beobachterrolle wechselt diese bald in die einer Mitleidenden und verlässt die Erde am Ende, ohne dort für Erlösung aus der fundamentalen Sinnkrise gesorgt zu haben. Die Handlung folgt dem Titel entsprechend der Logik eines Traumes, kreist immer wieder um sich selbst und gebiert manch absurd-surrealistische Konstellation: ein wachsendes Schloss, ein Offizier, der fortwährend vergeblich seine Angebetete erwartet („Viktoria!), ein Advokat, der anstelle des Lorbeerkranzes der Doktorwürde eine Dornenkrone verpasst bekommt und vor allem jene ominöse Tür, die auf die Bühne eines Theaters führt und hinter der die Menschen die Antwort auf die Frage nach dem Sinn ihres Daseins erhoffen.

Regisseur Lothar Krause entschied sich zusammen mit seiner Bühnen- und Kostümbildnerin für eine an Gemälden Magrittes angelehnte, dezent surreale Märchenwelt. Ihr prägnantes optisches Element bilden fahrende Wolkentüren in verschiedenen Größen. Sie erlauben rasche Szenenwechsel bei gleichbleibender Atmosphäre und beweisen in der Fingalsgrotte, violett angestrahlt, Mut zum symbolistischen Kitsch. Gerade für diesen Ort, der Indra als riesige Klangmuschel dient, um die Klagen der Menschheit hören zu können, hätte man sich ein prägnanteres Bild vorstellen können. Bei ihrem zweiten Besuch ist Agnes – so nennt sich die Göttertochter auf der Erde – dort nach einer gescheiterten Beziehung zum Advokaten mit einem Dichter unterwegs. Als Alter Ego Strindbergs hat dieser das Geschehen die ganze Zeit über immer wieder stumm begleitet und angedeutet, dass seine Persönlichkeit sich auch im Offizier und im Advokaten spiegelt.

In sein unbegleitetes Solo, das in ein Duett mit Agnes übergeht, mündet nach der Pause Reimanns gelungenster musiktheatraler Bogen. Dieser spannt sich von einem vibrierenden Ensemble am „Strand der Schande“ über die traumverlorenen Bläsersoli des folgenden Zwischenspiels bis zur „schönen Bucht“, wo die „unglückliche Edith“ in herzzerreißenden Vokalisen ihr Schicksal beklagt. Yvonne Prentki macht das herausragend, wie überhaupt das Ensemble die anspruchsvolle Partitur glänzend meistert. Es ist dem Hofer Theater hoch anzurechnen, dass es das nach seiner Uraufführung erst einmal, vor gut dreißig Jahren in Wiesbaden wiederaufgeführte Werk erneut zur Diskussion stellt – eine mehr als beachtliche Talentprobe des künftigen Opernmeisters Reimann.

Gerade im ersten Teil macht er es den Sängern mit viel Dauerespressivo in Gesang und Orchester nicht leicht, doch allen voran die praktisch permanent beschäftigte Franziska Rabl als Indras Tochter schafft mit ihrem kontrollierten Mezzotimbre eine beeindruckende vokale Präsenz. Die zentralen Männerrollen sind mit Karsten Jesgarz (Offizier), James Tolksdorf (Advokat) und Marek Reichert (Dichter) kompetent besetzt, Laura Louisa Lietzmann (Mutter/Viktoria) und Stefanie Rhaue (Pförtnerin) lassen das hohe Sopran- bzw. das Altregister über den Orchesterwogen erstrahlen. Claudio Novati hat den Opernchor bestens eingestellt, die Männer verleihen im Vorspiel (das ferne Assoziationen an Boitos „Mefistofele“ weckt) vom Balkon aus dem Gott Indra eine kollektive Stimme. Die weitgehend sattelfesten Hofer Symphoniker lassen unter Walter Gugerbauer die feinen Klangmischungen vor allem in den Zwischenspielen wunderbar aufleuchten.

Nach langen, absurden Diskussionen (die durcheinander singenden Universitätsdekane erinnern dabei an die fünf Juden in Strauss’ „Salome“) wird die ominöse Sinn-Tür am Ende endlich geöffnet. Dahinter findet sich – das Nichts. „Es ist schade um die Menschen“: Dieser lapidare Kommentar, den Agnes angesichts des sie umgebenden Elends mehrfach ausseufzt, bildet das Motto von Strindbergs und Reimanns Traumvision. Es könnte – und hier kreuzen sich die Wege der beiden Komponisten wieder – auch über Zimmermanns „Soldaten“ stehen.

Weitere Termine: 14. und 15. April, 11. Mai
Am 5. Mai um 19.05 sendet Deutschlandfunk Kultur einen Mitschnitt der Oper.

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