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Foto: Martin Sigmund
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Fast luxuriöses Interim: Das Theater Regensburg eröffnet seine neue Spielstätte mit der „Dreigroschenoper“

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Mit einer Neuproduktion des Brecht/Weill-Klassikers „Die Dreigroschenoper“ hat das Theater Regensburg seine neue Interimsspielstätte eröffnet. Juan Martin Koch berichtet von einem szenisch unspektakulären, musikalisch unterhaltsamen Abend.

Hier gilt’s der Musik. Die beiden zweistöckigen Gerüste, die Michael Lindner für die sieben Multi-Instrumentalisten der Weill’schen Dreigroschen-Band aufgestellt hat, stellen gleichzeitig das Bühnenbild dar. Ein paar mit Schlagworten aus dem Stück bemalte Vorhänge gliedern oder verhüllen das Ganze bisweilen. Viel mehr braucht es nicht, und ähnlich geht Regisseur Klaus Kusenberg, noch bis Ende der Spielzeit Intendant in Regensburg, mit dem Schauspielanteil des Klassikers um: Er inszeniert ihn als unprätentiöses, solides Gerüst, das die unsterblichen Songs stützt und ihnen den nötigen Entfaltungsspielraum gibt. Einen wirklich eigenständigen, die aufgeworfenen Themen entweder aus der Entstehungszeit des Werkes beleuchtenden oder radikal ins Heutige übersetzenden Zugriff ergibt das allerdings nicht.

Kleine Akzente setzt er immerhin, mit der eröffnenden Moritat etwa, die Guido Wachter mit einer Leiche im Schlepptau anstimmt. Die erwacht dann plötzlich – der Film „Swiss Army Man“ von 2016 lässt grüßen – in der Gestalt und Stimme von David Markandeya Campling.

Ein Besetzungscoup ist Katharina Solzbacher in der Rolle des Macheath. Ganz selbstverständlich, ohne dass die Inszenierung Aufhebens darum machen würde, bringt sie eine ebenso kühl-gefährliche wie gelangweilt-verführerische 20er-Jahre-Androgynität ins Spiel. Von entsprechend schneidender Präzision ist ihr Gesang. Den spezifischen Song-Tonfall trifft auch Gerhard Hermanns Peachum hervorragend: mit schnoddriger, die Texte wie aus dem Stegreif hervorbringender Prägnanz.

Einen anderen Zugang wählt die junge Zelal Kapcik als Polly: Sie performt das Lied der Seeräuberjenny oder den Song vom Nein und vom Ja mittels gleitender Übergänge zwischen Sprechgesang und beinahe ins Opernhafte kippender Vokalistik. Im Zank mit der in letzter Sekunde eingesprungenen Esther Baar als Lucy ergibt das eine herrlich überdrehte Gefängnis-Szene mit dem Appeal zweier verfeindeter Rap-Bitches. A propos: Verena Maria Bauer ist eine ebenfalls noch sehr junge Spelunkenjenny, die aber schon viel Lebenserfahrung in ihre Stimme zu geben versteht.

Bettina Ostermeier leitet die Vorstellung von den Tasten aus und erzeugt mit der Band die richtige Mischung aus klangfarblicher Sorgfalt und hingerotzter Nonchalance, kleine jazzige Einsprengsel inklusive.

Der große Jubel galt am Ende nicht nur der trotz mancher Länge in den gesprochenen Teilen unterhaltsamen Aufführung. Vielmehr galt die Anerkennung auch der schmucken, für ein Interim beinahe luxuriösen neuen Spielstätte. Das Antoniushaus bietet mit seinem architektonisch durchaus beachtlichen 50er-Jahre-Charme die Chance, das Theater in einem kulturell sonst eher unterbelichteten Viertel außerhalb der Altstadt ins Bewusstsein zu bringen. Vielleicht auch über die Zeit bis zur Sanierung des Velodroms hinaus.

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