Hauptbild
Foto: Iko Freese / drama-berlin.de
Foto: Iko Freese / drama-berlin.de
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Frauens-Wissens-Wollen Reloaded – Die turbulente Oscar Straus-Revue wieder an der Komischen Oper Berlin

Publikationsdatum
Body

Unter Walter Felsensteins Ägide und darüber hinaus hatte die Komische Oper Berlin einen absoluten Dauerrenner mit Jacques Offenbachs Operette „Ritter Blaubart“. Der Versuch, mit einer Neuinszenierung durch Stefan Herheim an diesen Erfolg anzuknüpfen, ist gescheitert; aber ein anderer Coup aus der Ära Barrie Kosky hat sich zu einem neuen Dauerbrenner entwickelt: Oscar Straus‘ musikalische Komödie „Eine Frau, die weiß was sie will.“

Der Coup de theatre hatte im Jahr 2015 darin bestanden, die personenreiche Handlung rund um die Diva Fritzi Massary aus dem Jahre 1932 zu reduzieren auf nur zwei Personen, die in einer verrückten Tour de force sämtliche Rollen spielen. Die Dekoration beschränkt sich auf eine einfache Schwingtür auf der Vorbühne– eine Dekoration also, die in jedem kleinen Theateretablissement einzusetzen wäre. Dazu sorgt ein vielfältig klingendes Kammerorchester von 15 Musikern und dem auch selbst in die Klaviertasten greifenden Dirigenten und musikalischen Bearbeiter Adam Benzwi als 16. Kopf dieser quirligen musikalischen Formation für nachhaltige Ohrwürmer, die Benzwi am Direktionsflügel zusätzlich kontrapunktisch auf die Spitze treibt.

Die umwerfende Abfolge mit mehr Mitwirkenden hinter als auf der Bühne (Maskenbildner*innen, Garderober*innen, Requisiteur*innen) hat seit ihrer ersten Premiere im Januar 2015 nichts an Turbulenz verloren – ja, offenbar noch an Tempo gewonnen, denn der pausenlose Abend dauert nunmehr, ohne irgendwelche Kürzungen, nur noch 1 Stunde und 25 Minuten. 

„99 mal hab ich sie schon bewundert“, heißt die erste Gesangsnummer des Abends – und es gibt wohl nicht wenige Besucher, die immer wieder in diese spritzige Show gehen und die beiden singenden Tausendsassas auf der Bühne bewundern und wohl auch erst beim wiederholten Erleben die inszenatorisch bewusst auf Verwirrung ausgerichtete Geschichte um eine Operettendiva, die sich verpflichtet hatte, die Existenz ihrer Tochter geheim zu halten, in jeder Wendung nachvollziehen können. Erst gegen Ende enthüllt sich der Tochter, die ihre Mutter in einer Amoure als Rivalin erachtet hatte, das wahre Familienverhältnis, welches sie dann mit einem Freuden-Urschrei („die Stimme der Liebe“) quittiert. Diese Tochter spielt Max Hopp, der damit Impulse der Gender-Bewegung auf die Spitze treibt, wenn er im Schlussakt in vertikaler Personenteilung gleichzeitig die Tochter und ihren Tennislehrer verkörpert, und das gleichzeitig im Tennis- und Liebesspiel sowie auch als Duett. Dagmar Manzel gibt nicht nur die legendäre Glamour-Queen Manon Cavallini sondern auch eine ganze Reihe ihrer Bewunderer.

Wie der Form der musikalischen Komödie eigen, gibt es scheinbare Extempores – nunmehr zur Corona-Situation, welche ja bedingt, dass der Zuschauerraum aufgrund zahlreicher Sperrplätze bestenfalls ein Fünftel seiner Besucher*innen-Kapazität erreicht. So kündigt die von den Bearbeitern Pavel B. Jiracek und Barrie Kosky für einen Gastauftritt hinzuerfundene Cäcilia Bartoli eine „Canzona a Corona“ an, ein extrem kurzsichtiger Ober witzelt, er habe jetzt immer viel zu tun – aufgrund der Kurzarbeit, und die Cavallini schießt Bonmots ab, wie „splitterfasernackt übern Alex, mit Maske“ oder über die Sperrstunde, wobei letzteres, aufgrund eines Gerichtsentscheids, einige Stunden vor Beginn der Wiederaufnahme-Premiere, für elf Berliner Lokalitäten de facto schon wieder passé war.

Das reduzierte Publikum, der Vorstellung ohne Gesichtsmaske folgend, geizte nicht mit Zwischenapplaus und insbesondere nach dem Medley der Ohrwürmer am Ende: Bravorufe für die beiden Protagonisten und den Dirigenten, der die Hände von Manzel und Hopp nur gestisch drückt.

Beglückt verlässt das Publikum, die Chansons „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“, „Eine Frau, die weiß, was sie will“ und „Die Sache, die sich Liebe nennt“ summend und mit Pralinen als Give-Aways gefüttert, die Komische Oper Berlin.

  • Weitere Aufführungen: 17., 18. Oktober, 13., 15. 16. November 2020.

 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!