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Milchstraße 2014, links: Benjamin Appl, rechts: Theresa Dlouhy. Foto: © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
Milchstraße 2014, links: Benjamin Appl, rechts: Theresa Dlouhy. Foto: © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
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Kein Crossover zur Milchstraße – Uraufführung einer Sitcom-Oper bei den Bregenzer Festspiele

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Letztlich nötiger als alle Brüsseler Bürokratie: das EBF – „European Bureau for Future“ – mit Sitz in der Milchstraße 142a des österreichischen Klosterneuburg. Doch aus den EBF-Projekten „Weltraummüllabfuhr“, „Europäisches Armutsverbotsgesetz“, „Eichelhäher-Sturm-Frühwarnsystem“ oder „Zukunftsfähigkeitsformel“ ist an schnicken weißen Bürotischen, weißen PC-Keyboards und auf der guten alten Couch in Klosterneuburg bislang wenig geworden.

Deshalb reist aus Brüssel Leo Maria Bloom (!-Joyce „Ulysses“?), ein schnittiger „Ox-bridge“-Typ mit IQ jenseits von 129, an: Evaluierung, Qualitätssicherung und –steigerung, Synergieeffekte - und seine sexy Praktikantin weiß, dass sie von „Toilettenputzen bis zur Break-Even-Point-Analyse“ alles beherrschen muss.

Aus all dem ließe sich eine ätzende Satire über Bürokratismus kontra Kreativität oder eine eiskalte Analyse des kapitalistischen Effizienzwahnsinns machen. Beides wollten die Librettisten Johannes Heide und Christa Salchner von „Das Leben am Rande der Milchstraße“ nicht, nur konnten sie ihr Experiment „Sitcom-Oper in 7 Folgen / Staffel I / Folge 1-3“ auch nicht. Irdische und „Milchstraßen“-Sprache prallte in den mal gesprochenen, mal gesungenen Texten nicht entlarvend, witzig oder absurd komisch aufeinander. Die aneinandergereihten Kurzszenen entwickelten keine Theatralik, die Lust auf eine „Staffel II“ machen würde: alles endet nämlich in einer Kürbis-Wettzucht, bei der Wagner-Musik eine Rolle spielen soll und einem alle Figuren vereinenden Halloween-Gehampel zu einem Musikmischmasch zwischen Techno und Heavy Metal. Zuvor hatte schon in den reichlich schlichten Szenen das Tempo nicht gestimmt (Regie: Nicola Raab) und zwei überlange Pausen ließen die drei Teile zusätzlich auseinanderfallen.

Da konnten auch die sechs guten Solisten fast nichts retten. Am ehesten gelang es noch Bariton Benjamin Appl – Regensburger Domspatz, Theaterakademie München, Zusatzunterricht bei Dietrich Fischer-Dieskau – seinem Leo Maria Bloom etwas Kontur zu geben. Komponist Bernhard Gander kann eine Mitwirkung zwischen Donaueschingen, Witten und der Münchner Biennale vorweisen. Doch was er den sieben Instrumentalsolisten des Wiener „Ensemble PHACE“ für Kontrabassklarinette, Saxophon, Schlagwerk, Violine, Cello, Kontrabass und E-Gitarre samt elektronischer Verstärkung geschrieben hat, kam beim ersten Hören über austauschbare Klangversatzstücke nicht hinaus und provozierte nur bei schrägen Zitaten aus dem „Freude“-Chor von Beethovens 9.Symphonie und dem „natürlich“ unumgänglichen Wagner ein paar Lacher im insgesamt enttäuscht reagierenden Publikum: kurzer Beifall für die Ausführenden am Ende einer musiktheatralischen Totgeburt diesseits der Milchstraße – ein „Ministerium für Zukunft“ auch des Musiktheaters wird also weiter dringend benötigt.

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