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Roman Poboinyi, Wiard Witholt, Jihyun Cecilia Lee. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Roman Poboinyi, Wiard Witholt, Jihyun Cecilia Lee. Foto: Jan-Pieter Fuhr
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Keine Lösung im Weltraum-Theater – Deutsche Erstaufführung von Dai Fujikuras „Solaris“ in Augsburg

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Bald werden sie im Alltag um uns sein: Roboter mit rasant lernender künstlicher Intelligenz und einem Aussehen nach Wunsch, Lust und Laune. Schon 1961 hat Stanislaw Lem den Planeten Solaris beschrieben, dessen Plasma Lebewesen entsprechend menschlichen Alp- und Traum- und Wunsch-Vorstellungen hervorbringen kann. Daran haben sich die Komponisten Michael Obst (1996) und Detlev Glanert (2012) versucht. Nun wagte das Theater Augsburg die in Paris uraufgeführte „Solaris“-Vertonung des Japaners Dai Fujikuras.

„Zum Ekel find’ ich ewig nur mich, in allem was ich erwirke!“ klagt schon Göttervater Wotan in Wagners „Walküre“. Parallel begegnen dem Astronauten Kris - über den letzten Überlebenden auf der Solaris-Raumstation hinaus - nur Wesen, die das Solaris-Plasma aus den Gedanken der Menschen erscheinen lässt: so dem Doktor sein kleines Kind, so Kris sein toter Astronauten-Kollege, vor allem aber Kris‘ Frau Hari, die auf der Erde Selbstmord begangen hat, in seinen Schuldgefühlen aber ständig präsent ist. Sogar die Liebe zu dieser Androiden-Schimäre aus menschenähnlichem „Neutrinogewebe“ flammt wieder auf. Am Ende lässt Librettist Saburo Teshigawara Kris sogar ins Plasma von Solaris eintreten und darin aufgehen.

Komponist Fujikura hat dafür eine Mischung aus klassischem Orchester mit viel Schlagwerk und elektronischer Verstärkung, leichter Verzerrung und Surround-Sound geschaffen. Da gibt es sirrende, flirrende „Weltraumklänge“; da liegen dissonante Streicherflächen mal neben-, mal übereinander; die Handlungsgliederung in „1., 2., 3.Tag – Wochen später“ wird durch geradezu klassisch klingende, wuchtige Orchester-Tutti markiert; die Stimmen sind nicht extrem, eher sanglich, aber unabhängig vom Orchesterklang geführt. All das mag überlegt gedacht und niedergeschrieben sein – dennoch fehlt dem Werk schnell zugängliche, sofort eindringliche Theaterwirksamkeit. Denn was der Komponist im Schaffensprozess wieder und wieder gehört hat, erklingt dem Zuschauer nur einmal. Da müssten Horror und vor allem Liebe im szenischen Moment erhörbar sein. Daran fehlt es.

So hübsch die Idee ist, Kris Gedanken leicht verzerrt von einem „Off-Stage-Kris“ erklingen zu lassen und das Orchester wiederholt im Raum-Klang zu verstärken: die knapp 100 Minuten rauschen eher austauschbar vorbei. Leider verfiel das Live-Elektroniker-Duo Schottke-Nouno dem üblichen (Pop-)Metier-Fehler: es wummerte und dröhnte, wo doch Komposition vom Pianissimo bis zum Fortissimo reichen kann. Dirigent Lancelot Fuhry und die Augsburger Philharmoniker sind dafür nicht zu kritisieren, aber auch kaum zu beurteilen. Der Kris von Wiard Witholt beeindruckte mit exzellenter Bühnenerscheinung und schönem Bariton; Jihyun Cecilia Lee brachte für Haris Wiedergängerin per se exotische Fremdheit mit und klang wie das restliche Ensemble gut.

Das Bühnenteam um Dirk Schmeding ließ im immer wieder vernebelten dunklen Raum eine bühnenbreite „Zelle“ einer Raumstation nach vorne „schweben“ und am Ende wieder davon gleiten. Die realistische Personenführung wurde mit Projektionen und Videozuspielungen ergänzt, durch sinnwidriges Herumkriechen Haris im Rollgestänge der Raumstation oder ein papierenes Abschiedsbriefchen konterkariert. Fesselnde Faszination stellte sich nicht ein. Nach dieser dritten Vertonung bleibt beim SciFi- wie Opernfreund der Eindruck, dass Lems faszinierender „Solaris“-Stoff nur vom Film und seinen visuellen Zaubereien zu bewältigen ist.

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