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Die spinnen, die Römer. Foto: Klaus Lefebvre
Die spinnen, die Römer. Foto: Klaus Lefebvre
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Knallig bunt, grell und schrill – Sondheim-Musical in Hagen mit Licht und Schatten

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Seit Jahren leidet das Theater Hagen an finanzieller Blutarmut, immer und immer wieder werden die Daumenschrauben angezogen, weil die klamme Kommune an der Kultur sparen will. Und dennoch: die Theatermacher haben nie den Kopf hängen lassen, singen, spielen, tanzen auf hohem Niveau, machen zudem auch noch gute Kinder- und Jugendarbeit. Und sie sorgen für einen interessanten, abwechslungsreichen und mit einigen Erst- und Uraufführungen durchaus auch mutigen Spielplan. Jetzt stand Stephen Sondheims Musical „Die spinnen, die Römer“ auf dem Programm.

Hero ist ein gut aussehender römischer Jüngling, auf den jede Frau fliegen würde. Allein: Mama und Papa halten ihn wie ein Kind – und vor allem fernab von jedem weiblichen Geschlecht. Klar, dass das nicht lange gut gehen kann! Und es geht auch nicht gut in Sondheims 1962 in New York uraufgeführtem Musical „Die spinnen, die Römer“.

Denn da ist die hübsche, wenngleich strohdumme Philia, für die Heros Herz schlägt. Schade, dass eben diese Philia bereits verkauft ist. Ja, verkauft von Marcus Lycus, dem Kurtisanenhändler von nebenan. Aber ist da nicht doch noch irgendetwas zu machen? Es ist! Und schon beginnt ein unglaubliches Hin und Her, ein taktisches Spielchen, in dem jede Menge Personal aufgefahren wird, Rollen vertauscht werden, notgedrungen gelogen wird, bis sich die Balken biegen.

Regisseurin Annette Wolf und Ausstatterin Lena Brexendorff machen daraus ein kunterbuntes Tohuwabohu, das ganz klar Elemente des Comic (Asterix!) aufnimmt, das sich an die Fernsehserie „Klimbim“ aus den 1970er Jahren erinnert und die handelnden Figuren in jedem Moment überzeichnet. „Sie sehen heute Abend eine Komödie“, verkündet Pseudolus ganz zu Beginn dieser boulevardesken Geschichte – Pseudolus, der Strippenzieher, der Hero und Philia auf Teufel komm heraus zusammenbringen will und muss, weil er im Falle seines Erfolgs nicht mehr Sklave sondern ein freier Mann sein wird.

Es gibt viele schöne Bilder in dieser Inszenierung, grelle und schrille. Und viele witzige Momente wie den Showroom des Kurtisanenhändlers, der von einem Laufband gekrönt ist mit Sprüchen wie „One size fits all“ oder „Selfies erlaubt!“ Und skurrile Typen bewegen sich da auf dem Schauplatz, dieser imaginären Straße irgendwo in Rom: ein Greis, der noch immer seine vor Ewigkeiten mal entführten Kinder sucht, eine sexuell frustrierte Bürgersfrau, ein Möchtegern-Hauptmann, der vermutlich noch nie irgendwo erfolgreich war (aber Philia gekauft hat). Und unter den Kurtisanen entdeckt man sogar das Double von Conchita Wurst! Das alles ist mit einer Überdosis Humor gemacht, auch wenn es ein der eher oberflächlichen Art ist ohne jede ironischen oder gar sarkastischen Spitzen.

Das Ensemble auf der Bühne fühlt sich pudelwohl und überbietet sich geradezu in dem, was ein jeder an komödiantischem Potenzial zu bieten hat. Allen voran Rainer Zaun als bemitleidenswerter Pseudolus, dem dauernd etwas einfallen muss, um sich und alle anderen vor den Katastrophen zu retten, die quasi im Minutentakt hereinbrechen. Da zieht Rainer Zaun alle Register seines Könnens. Auch Richard van Gemert ist grandios als Chefsklave Hysterium (omen est nomen!), Maria Klier eine herrlich dümmliche Mehrfach-Braut Philia. Das übrige Ensemble – und das ist beachtlich groß! – macht einfach ganz toll mit.

Trotzdem: Stephen Sondheim hat ganz sicher Besseres als dieses Musical geschrieben. „Sweeney Todd“ zum Beispiel – oder „Into The Woods“ (beide waren in Hagen bereits in faszinierenden Inszenierungen zu erleben). Vielleicht ist es die von Frank Thannhäuser erstellte deutsche Fassung von „Die spinnen, die Römer“ mit oft sehr langen (unbegleiteten) Dialogen, die den musikalischen Fluss ausbremsen und auch an Witzigkeit des Guten hier und da mal zu viel sein lassen. Spritzig jedenfalls ist Sondheims Musik, die Dirigent Steffen Müller-Gabriel mit dem Philharmonischen Orchester Hagen mit ebenso knallig bunten Farben angeht wie jene, die auf der Bühne präsentiert werden.

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