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„Tristan und Isolde“ in Nürnberg: Vincent Wolfsteiner und Lioba Braun in den Titelpartien, im Hintergrund Alexandra Petersamer als Brangäne. Foto: Ludwig Olah
„Tristan und Isolde“ in Nürnberg: Vincent Wolfsteiner und Lioba Braun in den Titelpartien, im Hintergrund Alexandra Petersamer als Brangäne. Foto: Ludwig Olah
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Konturscharfe Klangräume für ein fabelhaftes Wagner-Ensemble: „Tristan und Isolde“ in Nürnberg

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Der eigentliche Regisseur der Nürnberger „Tristan“-Produktion steht im Orchestergraben: Generalmusikdirektor Marcus Bosch schafft mit der überragend disponierten Staatsphilharmonie Klangräume, in denen Wagners Motivkonstellationen ihren Beziehungszauber entfalten können.

Diese Räume sind rhythmisch und in der Abmischung der Instrumentalfarben klar umrissen, die Tempi sind straff, vorwärtsdrängend, das exakte Herausarbeiten insbesondere der Holzbläser bei gleichzeitiger Genauigkeit in der Streicherartikulation gibt dem Zusammenspiel eine Klarheit der Konturen, die sich gleichwohl nie symphonisch verselbstständigt. Stets dient die Zuspitzung – besonders deutlich beim Hereinbrechen äußerer Handlung in die Sehnsuchtswelt des Liebespaars – dem Zweck des Musikdramas. Bezeichnend, dass trotz mitunter massiver Klangentwicklung die Sänger beinahe durchweg textverständlich bleiben.

Auch die Besetzung ist an diesem medial mehrfach ausgewerteten Premierenabend (Live-Übertragung im Radio und in zahlreiche Kinos) bemerkenswert. Lioba Braun hat die Isolde bisher nur konzertant gesungen, ihr szenisches Rollendebüt weist sie als eine technisch wie artikulatorisch ausgezeichnete Wagner-Interpretin aus. Ihr anfangs noch etwas scharfer, klanglich wenig flexibler Ton gewann im Laufe der Aufführung an Geschmeidigkeit, im Liebestod gelangen ihr betörende Pianopassagen.

Zur Seite stand ihr mit Ensemblemitglied Vincent Wolfsteiner ebenfalls ein Tristan-Neuling. Der Tenor entwickelte trotz leichter Erkältung ein packendes, die Zerrissenheit der Figur glaubhaft verkörperndes Rollenporträt. Aus einer kernigen, prägnant deklamierenden Mittellage heraus hatte er auch in der Höhe immer wieder intensive Momente, an der gesanglichen Linie wird er, bei besserer körperlicher Verfassung, noch feilen können.

Als innerlich gebrochener König Marke hatte Guido Jentjens mit fein abschattiertem Bass seinen besten Nürnberger Auftritt seit langem, Jochen Kupfers Kurwenal verströmte belcantesken Wohllaut, mit betörenden „Habet acht“-Rufen überstrahlte die reiche, perfekt geführte Mezzo-Stimme Alexandra Petersamers als Brangäne die Liebesnacht. Hans Kittelmann (Melot) und Martin Platz (Seemann/Hirt) komplettierten das exquisite Wagner-Ensemble.

Hatte sich die großartige musikalische Gestaltung bei der letztjährigen „Meistersinger“-Produktion mit einer intelligenten Regiearbeit zu einem geschlossenen Wagner-Höhepunkt verbunden, so schwächelt dieser „Tristan“ nun leider von der Bühnenseite her. Monique Wagemakers, die in ihrem Programmheft-Text überzeugende psychologische Schlaglichter auf die Personen und ihre Beziehungen zueinander geworfen hatte, blieb die szenische Umsetzung dieser Erkenntnisse schuldig.

In Dirk Beckers Einheitsbühnenraum, der mit einer Himmelskörperscheibe offenbar „des Welt-Atems wehendes All“ andeuten soll, vermag sie weder die sparsame äußere noch die stetig implodierende innere Handlung plausibel oder gar mitfühlbar zu machen. Dass Isolde am Ende ihren Tristan in Gedanken noch einmal ins Leben „zurücksingt“ – vereint stehen sie vor einem als Kometenschweif deutbaren Trümmerteil – bleibt dürftige Behauptung.

Die wenigen Buhrufe für die Regisseurin konnten den stürmischen Jubel für diesen musikalisch erneut denkwürdigen Nürnberger Wagner-Abend nicht eintrüben.

Die Sache Makropulos

Zwei Tage später ging in Nürnberg die Wiederaufnahme von Robert Carsens Inszenierung der „Sache Makropulos“ über die Bühne. Erstaunlich, wie gut die Staatsphilharmonie auf Janacéks Klangwelt umzuschalten wusste. Marcus Bosch, der die von Philipp Pointner einstudierte Produktion übernahm, forcierte die Dauererregung, die dieser Partitur eingeschrieben ist, freilich allzu vordergründig und mit zu seltenen Zurücknahmen der Dynamik. Der leicht absurde Konversationston der ersten beiden Akte konnte sich auf diese Weise nicht entfalten, zusehr war auch das ansonsten ausgezeichnete Ensemble darauf angewiesen, Präsenz durch Lautstärke zu erzeugen.

Robert Carsens gediegene, handwerklich und bühnentechnisch exzellent umgesetzte Regiearbeit (sie war zuvor in Strasbourg zu sehen und wird im kommenden Jahr vom Teatro La Fenice übernommen) dringt leider nur selten in die Abgründe des Stoffes vor. Das Geheimnis, das die über 300-jährige Emilia Marty hütet, teilt sich atmosphärisch kaum mit. Erst am Ende, als Carsen in einem gelungenen coup de théâtre der einsamen Sängerin die leere Bühne überlässt, stellt sich jener Sog ein, der sich in den Szenen zuvor ankündigen müsste.

Was Zhanna Afanasieva hier in der Titelpartie ablieferte, war überwältigende Vokalkunst. Nahm man ihr zuvor die Last der eigenen Lebensgeschichte nicht so recht ab, so lag nun im letzten Aufblühen der Stimme die ganze Last dieses Schicksals und dessen Überwindung verborgen. Ein grandioses Finale.

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