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„Così fan tutte“ an der Bayerischen Staatsoper. Foto: Wilfried Hösl
„Così fan tutte“ an der Bayerischen Staatsoper. Foto: Wilfried Hösl
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Mit Ecken und Kanten – „Così fan tutte“ an der Bayerischen Staatsoper

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Der Bayerischen Staatsoper steht wohl ein Empörungssturm bevor: Schon ein Werk mit dem Titel „Così fan tutte“ zu spielen – wo das „e“ eben nur Frauen meint! Dazu nur weißhäutige Figuren, alle ohne Gender-Trans-Bi-Nonbinär…! Die Handlung von einem alten, weißen Mann angetrieben! Chor-Begeisterung für das Militär! Product-Placement durch den Automobil-Partner der Oper! – Das alles muss wie jüngst am Gärtnerplatztheater einen bundesweiten shit-storm auslösen: Neo-Moral-Richter auf ins Netz! Nieder mit der einhelligen Begeisterung dafür!

Denn im fast vollbesetzten Nationaltheater wurden Bravo-Rufe und Beifall nur für das Bühnenteam etwas schwächer. Der australische Regisseur Benedict Andrews hat die ganze Handlung in einem „Heute“ angesiedelt. Dementsprechend sind sie von Monika Behr kostümiert. Bühnenbildnerin Magda Willi lässt auf Andrews Wunsch verschiedene Raum-Kuben auffahren: schlichte Zimmer; eine moderne Garage für den E-SUV und das Frühstück der Damen; eine Blumenwiese; eine aufblasbare Märchenburg mit Vagina-Eingang, mehrfach Rosenblätterregen und einem Raum mit unsäglich primitiven Sex-Grafittis. Darin wird mit Sado-Maso-Haube, überdimensionalem Dildo, viel Unterwäsche - und durchgängig mit einer von allerlei Körpersäften fleckigen Matratze gespielt, die die Kammerzofe Despina am Ende in Brand setzt… danke, wir hätten auch ohne diese Holzhammer-Hinweise verstanden, worum es geht!

Der durch seine Film-Karriere doch eigentlich erfahrene Personen-Regisseur Andrews hätte viel, viel mehr auf Feinzeichnung setzen sollen. Denn warum der weißhaarige Zyniker Don Alfonso seine beiden jungen Freunde Ferrando und Guglielmo, aber auch die Schwestern Fiordiligi und Dorabella aus ihrer Liebesschwärmerei in die nüchterne Vergänglichkeit solcher Gefühle, ja sogar Austauschbarkeit der Partner führt – und dann am Ende von Zofe Despina am Selbstmord gehindert wird – das konnte der natürlich differenziert und glänzend singende Christian Gerhaher nicht verständlich machen. Er changierte unentschieden zwischen Inszenator, Mitspieler und Beobachter.

Regisseur Andrews hatte zusätzlich Glück, dass ihm mit Tenor Sebastian Kohlhepp (ein nur am Ende etwas Corona-beeinträchtigter Ferrando), Bariton Konstantin Krimmel (ein herrlicher „Bariton-Kerl“, nur eindimensional als sex-fixiert gezeigt), mit der keck-quirligen Zofe von Sandrine Piau und dem reizvollen Dorabella-Mezzo von Avery Amerau ein glänzendes Solisten-Ensemble zu Verfügung stand – überstrahlt von Louise Alder, die ihre beiden Arien zu Höhepunkten des Abends machte und ahnen ließ, was möglich gewesen wäre.

Was künftig möglich ist, machte GMD Vladimir Jurowski sicht- und vor allem hörbar: mehrfach hochaufragend aus dem ohnehin hochgefahrenen Orchestergraben, mit mal weit ausgreifenden Gesten für ein dramatisch packendes Fortissimo, hinauf zum in den Proszeniumslogen postierten Chor (glänzend auf „Nah“ und „Fern“ reagierend in Kamila Akhmedjanovas Einstudierung), mal klein verschwindend, um das in klassischer Kleinbesetzung prompt reagierende Staatsorchester zurückzunehmen in süß-schwelgerisches, dann aber auch fahl-erschreckt einsames Piano.

Schon in der Ouvertüre machte Jurowski klar: kein Wohlfühl-Mozart, sondern der unbarmherzig klare Aufklärer - also harte Handkanten-Tutti, ein stechender Finger für Kesselpauken-Peng, zwei für die beiden schön aufleuchtenden Klarinetten, eine ganze Hand für straffen Streicher-Klang und druchweg glasklare Zeichen für die Solisten. Das in der Ouvertüre angeschlagene rasante Tempo hielt Jurowski durch, bis hin zu dem ohne Minipausen jeweils übernehmenden Continuo, über Hammerklavier und Cello auch mit Zymbal besetzt. Ein heftig pulsierender Mozart-Abend wie ihn vor langer Zeit nur Colin Davis geboten hat.

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