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Tschaikowskys „Mazeppa“ an der Komischen Oper Berlin: Asmik Grigorian und Robert Hayward. Foto: Monika Rittershaus
Tschaikowskys „Mazeppa“ an der Komischen Oper Berlin: Asmik Grigorian und Robert Hayward. Foto: Monika Rittershaus
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Musikalisch geladen, szenisch belanglos: Tschaikowskys „Mazeppa“ an der Komischen Oper Berlin

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Der ukrainische Nationalheld Mazeppa, den auch Franz Liszt zweimal in Töne gesetzt hat, nimmt als Oper von Tschaikowsky – neben dessen „Pique Dame“ und „Eugen Onegin“ – eine untergeordnete Position ein. Seine 1884 am Bolschoi-Theater uraufgeführte Puschkin-Dramatisierung „Mazeppa“ erlebte ihre Berliner Erstaufführung erst jetzt, an der Komischen Oper.

Den gelungenen Aktualisierungen durch die Regisseure David Alden, 1984 in London, und Richard Jones, 1991 in Bregenz, folgten diverse weitere, spannende Deutungen. Auch die jüngste Inszenierung will hier anknüpfen, aber Ivo van Hove erstarrt bei seinem Deutschland-Debüt in Beliebigkeit. Ungleich überzeugender gelingt Dirigent Henrik Nánási die Aufbereitung der hochemotionalen Musik.

Tal Yardens Videoprojektionen von Explosionen, Kraftwerken und Müll brechen sich an den Wänden einer schäbigen Eingangshalle (Bühne: Jan Verseweyveld) mit einer weiteren, vertikal verfahrbaren Projektionsfläche, auf der dann der Gopac als soldatisches Fußballett abläuft. Der Chor, von Wojciech Dziezic heutig gewandet, unternimmt unmotivierte Platzwechsel, bis der greise Kosakenhauptmann Mazeppa seinen Entschluss kund tut, Maria, die Tochter seines Freundes Kotschubej, zu ehelichen. Die Eltern wollen ihm das Mädchen, das altersmäßig seine Enkelin sein könnte, nicht geben, sie aber entscheidet sich für den Kosakenführer.

Daher denunziert Kotschubej Mazeppa beim Zaren, aber der liefert ihn Mazeppa aus.
Beim Vorspiel zum zweiten Akt transportiert die Videoebene Gewaltakte gegenüber Unterlegenen, aber das Bühnengeschehen selbst bleibt beliebig, blass und harmlos.
In der nächsten Videoprojektion soll wohl das in Zeitlupe springende Pferd die junge Maria symbolisieren. Auf der Szene beklagt sie sich, hier offensichtlich schwanger, bei ihrem Mann über dessen Lieblosigkeit; sie weiß nicht, dass ihr Vater gefangen ist und auf seine Hinrichtung wartet. Das verrät ihr dann die heimlich hinzukommende Mutter, aber die Hinrichtung von Kotschubej (Alexey Antonow) und seines Getreuen Iskra (Christoph Späth) erlebt Maria apathisch.

Die tödlichen Salven werden von Fanfaren im zweiten Rang des Theaters übertönt und das Volk häuft die Maschinengewehre auf Mazeppas Schreibtisch. Während das Vorspiel zum dritten Akt symphonisch, mit orchestralem Aufwand und Fernmusik, die Niederlage Mazeppas unter dem Zaren in der Schlacht bei Poltawa schildert, erfolgen als Videoprojektion auf dem eisernen Vorhang Zusammenschnitte aktueller Kriegsbilder und Szenen aus Flüchtlingslagern. Der an der Decke dann etwas ramponierte Einheitsraum signalisiert – nach dem Büro Mazeppas – erneut, wie schon im ersten Akt, das Zuhause Marias, nun angefüllt mit Dampfschwaden. Maria ist in den Wahnsinn geflüchtet, erkennt den verwundeten Mazeppa nicht mehr und singt ihrem, von Mazeppa erschossenen Jugendfreund Andrej ein Schlaflied.

Der Daueremphase der Partitur wirkt Henrik Nánási mit dem groß besetzten, sauber disponierten Orchester der Komischen Oper entgegen: Untiefen und dunkle Einfärbungen lassen Höhepunkte um so trefflicher aufstrahlen. Hierzu gehören die Liebesszene zwischen dem souverän differenzierenden britischen Bariton Robert Hayward in der Titelpartie und der intensiv gestaltenden Asmik Grigorian als Maria ebenso, wie das auf die Fortissimo-Wirkung setzende Duett von Mutter und Tochter, mit Agnes Zwierko als Kotschubejs Frau Ljubow. Grundsätzlich erfolgt die vokale Umsetzung dieser Oper auf hohem Niveau, tenoral von Máté Gál als einem die Wahrheit singenden, betrunkenen Kosaken, über Aleš Briskein als Andrej, bis zu dem trotz abgrundtiefer psychischer Kälte warm strömenden Bassisten Philipp Meierhöfer als Mazeppas Vertrauten und Geheimagenten Orlik.

Diesmal mehr gesanglich als darstellerisch überzeugt der von André Kellinghaus einstudierte Chor der Komischen Oper Berlin: mit Terrassendynamik und a cappella-Einsätzen lässt die stimmgewaltig präzisionsfreudige Formation mehr als einmal den Bogen zum anderen großen russischen Volksdrama aufscheinen, zu Mussorgskis „Boris Godunow“.

Die in russischer Originalsprache gesungene Premiere erlebte seitens des Premierenpublikums viel Zuspruch. Die Buhrufe für das Inszenierungsteam kamen diesmal offenbar vermehrt von jenen, die an der Komischen Oper Berlin kraftvollere Zugriffe der Regie gewohnt sind.

Weitere Aufführungen: 2., 8., 17., 20. März, 5. April, 2. Juli 2013

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