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Privates vom vokalen Kometen – Tom Volfs Dokumentation über Maria Callas

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„Meine Kerze brennt an beiden Enden / und die Nacht überdauert sie nicht. / Doch seht, meine Feinde, und ihr, meine Freunde - / sie schenkt ein süßes Licht“ – diese Verse Edna Millays hat der große Callas-Kenner John Ardoin seinen Analysen als Motto vorangestellt. Damit ist Zentrales gesagt über die bedeutendste Primadonna des 20.Jahrhunderts. Jetzt bringt ein neuer Dokumentarfilm Unbekanntes und Ergänzendes.

Mit Butterflys Auftritt in betörendem Schöngesang setzt der Film ein – und signalisiert: sie war nicht nur die „Tigerin“, die zweimal „skandalös“ absagte und für sieben Jahre aus der MET verbannt wurde; sie war zwar eine sensationelle Medea, Abigail und Lady Macbeth - und hätte letztere sehr gerne auch einmal im Film gespielt… doch sie konnte mehr und vieles.

Dem von seinem Thema „Alles über Maria Callas“ begeisterten Autor Tom Volf ist als erstes anzurechnen, dass er in unseren Jahren der immer komplizierter und teurer werdenden Bild-Rechte etliches Neue gefunden hat – und die Eigentümer bewegen konnte, das jeweilige Material in seinem Film verwenden zu dürfen. So sind über frühe, ein wenig filmisch animierte Schwarzweiß-Fotos auch viele bislang unbekannte Super-8, 9- und 16mm-Filmsequenzen samt Randperforierung zu sehen: oftmals die private Maria in einem Garten, einer Villa, auf Onassis‘ Yacht und Booten, Santuzza singend in einer griechischen Taverne, am Strand, in ihrer letzten Pariser Wohnung. Auch für Callas-Kenner dürften einige Interviews in verschiedenen Stadien ihrer Karriere neu sein.

Als wirklicher Gewinn an Selbstaussagen der bildschön wirkenden „Callas über Maria“ stellt sich das Schwarzweiß-TV-Interview mit dem britischen Journalisten David Frost von 1970 heraus. Regisseur Volf hat das in mehreren Sequenzen über den ganzen fast zweistündigen Film verteilt. Aussagen wie „Ich hätte lieber Kinder und eine glückliche Familie gehabt. Aber das Schicksal hat mir diese Karriere beschert. Ich konnte mich nicht entziehen…“ oder „Der Schuldirektor hielt uns zu dem an, was mein Singen und Leben prägte: ‚selfcontrol‘“ sowie die Rolle der ehrgeizigen Mutter rücken etliches zurecht und bestätigen das Leuchten einer an beiden Enden brennenden Kerze. Viele Briefzitate, die Eva Mattes untheatralisch ruhig liest, zeigen den Preis einer kometenhaften Weltkarriere. Und die Filmsequenzen immer wieder grässlich drängelnder, völlig distanzloser Horden von Journalisten führen den Verlust der Privatheit schonungslos vor.

Volf hat sich entschieden, außer wenigen Statements – etwa von MET-Chef Rudolf Bing zur Nichtverlängerung ihres Vertrages - und den Interviewfragen, nur Maria Callas zu Wort kommen zu lassen. Damit beginnen auch die Grenzen des Films. Klingt das Geständnis, über ihr Alter - 13 Jahre bei der Aufnahme ins Athener Konservatorium - gelogen zu haben, noch belächelnswert, so fehlen natürlich selbstkritische und peinigende Aussagen: zu ihrer auch die Stimme betreffenden großen Abmagerungskur; zentral zum „illegalen“ gemeinsamen Kind und dessen frühen Tod in der ersten Periode der Liaison Onassis-Callas, die ihre Liebe und ihr Frau-Sein schmerzlichst beschädigt hat.

Wenn Volf der verehrten Callas gerecht werden wollte, dann sind auch die vielen Szenen des „Promi-Auftriebs“ zu Callas-Auftritten abzulehnen: da blendet Volf doch tatsächlich die Namen von Brigitte Bardot über Gracia Patrizia, Jackie Kennedy und viele andere bis Omar Sharif ein – alle opern-affin? Fragwürdig! Wenn Volf der herausragenden Künstlerin ein Denkmal errichten wollte, dann hätte statt Sekundensequenzen mit Luchino Visconti und Carlo Maria Giulini eben die acht Wochen lange Probenarbeit in einer Dachkammer der Mailänder Scala und die Sensation einer selbst hartgesottene Kenner zu Tränen rührenden „Traviata“ 1955 an der Mailänder Scala stehen müssen – dazu gibt es Bild-, Interview und Tonmaterial. Und natürlich sagt Maria Callas nichts zu dem womöglich grundlegenden Problem ihres frühen Karriereendes: in der ersten „Tosca“ der 19jährigen, im „Fidelio“ der Jahres 1944 und speziell in den Jahren 1948-49 kann schon das Ende enthalten sein - eine 25-26jährige jagt sich - und lässt sich jagen durch ein Repertoire zwischen Brünnhilde, Elvira, Isolde, Kundry, Norma, Turandot und Abigail - sozusagen „lauter vokale Achttausender“ - trotz Betreuung durch ihren Mentor Tullio Serafin: ruinös.

Dazu fehlt natürlich Selbstkritisches. Volf zeigt leider auch mehrfach andere Szenenausschnitte, bei denen sich die Bild-Ton-Schere auftut – die Sterbe-Arie zur Ball-Szene - was den Opernfreund stört, den Nichtkenner verwirrt. Doch der eröffnende Butterfly-Ausschnitt, Toscas „Vissi d’arte“ und Maddalenas „Io son l’amore“ aus „Andrea Chenier“ lassen das hören, was Maria Callas selbst formuliert: den „Versuch, einen himmlischen Zustand, perfekte Harmonie zu erreichen.“ Damit ist der Film eine reizvolle Ergänzung, aber nicht das ehrliche Selbstporträt. Wer ein tieferes Verständnis dieser Ausnahmekünstlerin sucht, muss zu Philippe Kohlys „Callas assoluta“ von 2007 (Arthaus-DVD 101 817) greifen: dort wird die an beiden Enden brennende Frau und Künstlerin Maria Callas bewegend greifbar.

  • Filmstart 17. Mai 2018

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