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Wagners Rienzi, von der Urenkelin in Bremen inszeniert. Foto: Saskia Horn
Wagners Rienzi, von der Urenkelin in Bremen inszeniert. Foto: Saskia Horn
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Roma als Pin-up-Girl – Katharina Wagner inszeniert „Rienzi“ in Bremen

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Wenn die frisch gekürte Bayreuther Festspiel-Leiterin Katharina Wagner ein Werk ihres Urgroßvaters inszeniert, so ist szenisch eine freche Paraphrase zu erwarten, in der die Topoi der ursprünglichen Handlung durch andere ersetzt werden...

So auch bei der Bremer Erstaufführung, die dem Beispiel der Bayreuther Meistersinger folgend  auch als "Public Viewing" zu erleben war, auf drei Bildschirmen vor dem Theater am Goetheplatz...

Auf einer die Bühne füllenden, weißen Monumentaltreppe (Ausstattung: Tilo Steffens) fließen Unmengen von Blut, das der Feinde, wie das der Frauen symbolisierend. Die heute spielende Story ist reduziert auf wechselnde Erscheinungsformen der Roma. Ihre Monumentalstatue wird zunächst geschändet und dann durch immer aufreizendere Plakatwandabhängungen ersetzt wird, bis Rienzi selbst zu ihr travestiert.

Der Volkstribun wandelt sich bei einem tuntigen Hair-Stylisten vom Glatzkopf zunächst in einen Toupet-Träger á la Alt-Rom, wobei ihm das rote Abdecktuch gleich als Feldherrenmantel dient. Später wählt er eine Langhaarperücke, um sich wie Terminator im Blut zu baden und Zombies zu würgen. Schließlich schlüpft er, mit blonden Zöpfen selbst in die Rolle der geliebten hohen Braut Roma, und so gewandet wird er denn auch – unter Aufsparung von Steinen und Feuerbrand  – aufgehängt. Das Volk, das ihm zunächst bis in die Haartracht gefolgt war und zum Schwurzeichen stets den rechten Zeigefinger erhebt, reißt sich diesen in der Schlussszene aus. Eindrucksvolles steht neben Trivialem, Nachdenkenswertes neben Peinlichem, wie die meisten Statisten-Auftritte und insbesondere die von der Statisterie als Barbaren-Umerziehung gestaltete Ballettszene.

Dabei kann sich das Handlungsgefüge nicht entwickeln, da der Vergewaltigungsversuch der Nobili an Rienzis Schwester Irene und damit die psychologische Begründung der Liebe zwischen ihr und ihrem Retter Adriano nicht stattfindet. Und auch Rienzis Trauma der Ermordung seines jungen Bruders durch die Nobili st gestrichen, so dass das Erklingen dieses Leitmotivs ins Leere läuft. Unstimmigkeiten, wie die Beschimpfung „hei’lger Rotrock“ des hier blau gewandeten Kardinals sorgen beim unkundigen Betrachter – trotz kompletter Übertitelung – für zusätzliche Verwirrung. Die von Dirigent Christoph-Ulrich Meier aus der überhaupt längsten aller Wagner-Partituren erstellte musikalische Fassung, ist beachtlich. Sie berücksichtigst (fast) alle Nummern der Originalpartitur, kürzt diese in sich jedoch stark ein. Auf diese Weise ist eine Aufführung zu erleben, die musikalisch kompletter ist als die aller zurückliegenden Inszenierungen der letzten fünfzig Jahre. Zwischen Bellini- und Spontini-Anklängen arbeitet Meier die vorwärts weisenden Wagnerschen Idiome, insbesondere in den Vorspielen, gut heraus. Doch Schwierigkeitsgrad und Transparenz der frühen Wagner-Partitur bringen die Bremer Symphoniker an ihre Grenzen, Intonation und Zusammenspiel lassen sehr wünschen. Gesungen wird zumeist niveauvoll, aber nicht überragend. Stimmstark, aber ohne Konsonanten, mit forcierten, verfärbten Vokalen, evoziert Tamara Klivadenko die Hosenrolle des zwischen den Fronten hin und her gerissenen Adriano; da stört es wenig, dass der zweite Teil ihrer großen Arie gestrichen ist. Einzig Mark Duffin in der Titelpartie vermag – nach einer Reihe falscher Töne zu Beginn – zu überzeugen an Durchhaltevermögenm wie an darstellerischer Präsenz zwischen Überzeichnung und Karikatur; ihm nimmt man sogar ab, wenn er das zweite Finale als Swingdance ironisiert.

Der Extrachor der Nobili singt hinter einem Gazeschleiner in den Proszeniumslogen, der Hauptchor agiert engagiert. Nach vier Stunden mit zwei Pausen war der Applaus des Publikums erstaunlich zustimmend. Offenbar haben viele Wagnerianer diese Oper in Bremen zum ersten Mal gehört, wenn auch inhaltlich kaum verstanden. Auf einer Pressekonferenz bestätigte Katharina Wagner, sie sei sich mit ihrer Schwester Eva einig, dass der „Rienzi“ auch in Bayreuth aufgeführt werde, nur sei noch nicht klar, ob im Festspielhaus oder an einem anderen Aufführungsort. Stadthalle und Markgräfliches Opernhaus in der Festspielstadt eignen sich nicht für Wagners Große Romantische Oper. Also wohl doch das Festspielhaus, –oder ein Neubau...

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