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Global Players. Still aus dem Preview-Film.
Global Players. Still aus dem Preview-Film.
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Show aus der Zukunft: Die Uraufführung der Oper „Global Players“ in Weimar

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Nach dieser zweiten Gemeinschaftsarbeit legen sie eine kreative Pause ein: Lisa Astrid Mayer tritt am Deutschen Nationaltheater Weimar in die Position der Musiktheater-Dramaturgin und der Brasilianer Giordano Bruno do Nascimento arbeitet neben seiner nächsten für Weimar 2019 vorgesehenen Oper „Die Wahrheitsschwestern“ auf ein Textbuch von Amanda Lasker-Berlin daran, die bei der Uraufführung mitwirkende „Camerata Temporalis“ als Spezialensemble für Alte und Neue Musik zu positionieren. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen, denn auch die Oper „Global Players“, deren Uraufführungsproduktion im Weimarer Kulturzentrum mon ami ein Ad-Hoc-Ensemble aus freien Sängern, Darstellern sowie Studierenden und Alumni der Hochschule für Musik Weimar „Franz Liszt“ seit dem Sommer vorbereitete, wird bereits gefördert.

Was man bei der Uraufführung von „Die schönere Wahrheit“ (2017) im Kulturzentrum mon ami als beklemmendes Spiel aus der nahen Zukunft über Neue Medien, Vereinnahmung und Personalisierung vielleicht eine Spur zu empathisch ausspielte, lichtet sich in „Global Players“ zur leichter und mehr locker geformten Thematik. „Die erste interstellare Show des gesamten Universe“ hat Quotenambitionen. Ihr (Holzhammer-)Beginn um Schlag 20.15 Uhr ist Referenz an das fast antike Zeitschema im Zeitalter des zeitversetzten Fernsehens.

Die von Selma Kracht mit Dada-, Kabarett- und Pierrot-Elementen fast in die Weimarer Bauhaus-Dekade zurückgesetzte Bilderwelt von „Global Players“ illustriert ein Show-Modell, bei dem es viel zu gewinnen, aber auch erregend peinliche Selbstentblößungen gibt. Nur geht es nicht mehr um einen Traumurlaub in der Karibik, sondern Haupttreffer ist der Planet, von dem das alles gerade übertragen wird. Dieser Planet erhält den Namen des Gewinners und dieser darf ihn überdies gleich behalten. Auf der Bühne lässt Lisa Astrid Mayer, die ihren eigenen Text mit dem spürbar lustvollen Ensemble in Szene setzte, eine forcierte Party offenbar ewiger Unterhaltungsmuster feiern. Darüber kann man lächeln und schmunzeln, weil die nicht ausrottbaren Typen etwa der „Sexy-Biene“ Cindy (Elizaveta Smirnova) oder des „ewigen Loosers“ Udo (Mark Komiskey) genau gezeichnet werden. Denunziation ist nicht Lisa Astrid Mayers Absicht, aber in Hinblick auf fragwürdige Optimierungen und Enhancement ist sie mindestens ebenso weit wie das benachbarte DNT mit seiner „A Clockwork Orange“-Produktion.

Offenbar sind die Quizmaster, das hatte Umberto Eco schon in seiner „Phänomenologie“ dieser Berufsgruppe prognostiziert, in der interstellaren Zukunft noch genauso smart und ölig wie vor vierzig Jahren. Julian Mosbach, dessen Ausdrucksspektrum vom tückisch schlängelnden Charme bis zum rhetorischen Narzismus greift, steckt im feinen Sakko und etwas, was als flotte Gala-Jogginghose durchgeht. Mit solchen Zeichen setzt die Inszenierung böse Akzente unter der komödiantischen Oberfläche, weil in diesem Broadcast wirklich alles optimiert, personalisiert und damit manipuliert ist. Aus den Social Media kommen die harmoniefördernden Gesprächsthemen, Pillen bringen die richtigen Emotionen und sofort knallt es, wenn die Figuren aus ihrem Optimierungskokon herausfallen. Dieses Szenarium zeigt sich im Kulturzentrum „Mon Ami“ mit visuellen und choreographischen Versatzstücken, als sei das nie anders gewesen.

Den Schritt in die ahistorische Medienepoche vollendet die Partitur des die 23 Musiker auch dirigierenden Giordano Bruno do Nascimento, die wirkungsvoll die einzelnen Episoden, Nummern, Jingles und ‚Präferenzupdates‘ durchpulst. Der Brasilianer kann richtig gut für Stimmen komponieren, zeigt das gerne und schämt sich dafür nicht. Trotz der Überakustik des Saals bleiben die satt bis süffig musizierende „Camerata Temporalis“ und die (unverstärkten) Solisten in guter Balance. Während seines Weimarer Studienaufenthalts hat Giordano Bruno do Nascimento offenbar gewaltigen Spaß an den Instrumentationsfinessen von Strauss bis Henze. Bei seiner Orchestration mit hier zwangsläufig kleiner Streicherbesetzung blinzelt er auffordernd deutlich Richtung personalstarke Subventionstheater.

Der Premierenabend zeugt von einer starken Musiktheater-Energie, die nicht erst vom Publikum herbei applaudiert werden muss. Mit geringfügigen Einwänden ist die gesamte Produktion ein beherztes Zeichen von Unbefangenheit, Ensemblegeist und Begeisterung, das nebenbei der Auseinandersetzung mit Neuer Musik einen unterhaltsamen Anstrich gibt. Anders als do Nascimentos und Mayers „Die schönere Wahrheit“ ist das Folgewerk „Global Players“ keine „Gutmenschen-Oper“, sondern so etwas wie die opern-kabarettistische Antwort auf Stanislaw Lems „Futurologischen Kongress“. In „Global Players“ machen ‚psychotropische Medien‘ allerdings eine ‚psychotropische Kriegsführung‘ bereits unnötig. Es müsste nur noch erörtert werden, ob das tatsächlich ein Fortschritt ist. 


Global Players – Oper: Julian Mobach (Präferenzmanager), Rebecca Chammas (Jingle), Mirjam Widmann (Jingle), Benedikt Blum (Jingle), Julia Gromball (Frau Mustermann), Margarita Greiner (Annegret), Elizaveta Smirnova (Cindy), Shuai Han (Dagobert), Mark Komiskey (Udo) - Komposition und musikalische Leitung: Giordano Bruno do Nascimento - Text und Regie: Lisa Astrid Mayer - Bühne, Ausstattung, Kostüme: Selma Kracht - Orchester: Studierende und Alumni der HfM Franz Liszt und Gäste - Projektmanagement: Yuko Okura - Gefördert wurde das Projekt von der Staatskanzlei Thüringen, der Neuen Lisztstiftung, der Stadt Weimar, dem Studierendenwerk und dem StuRa bzw. StuKo

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