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Diktat des Einheitstimbres: 90 Prozent aller Pianisten verlassen sich auf den Steinway. Foto: Martin Hufner
Das Instrument als Bühnenstar. Foto: Hufner
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Sonderwünsche für den Flügel: Ein Bösendorfer in Pink und Grün

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Die deutsch-österreichische Zusammenarbeit funktioniert zumindest beim Klavierbau ganz prächtig. In einem Flügel der Premiumklasse wie Bösendorfer steckt auch deutsche Know-How. Der Härtetest ist hausgemacht.

Gleich hinter der Kaffeemaschine wird es laut – trotz geschlossener Tür. „Pauki“ hämmert nebenan in irrwitzigem Tempo und nervenzermürbender Ausdauer auf die 88 bis 97 Tasten eines Bösendorfer-Flügels ein. Die Maschine in der Manufaktur des traditionsreichen österreichischen Klavier- und Flügelbauers erledigt in 20 Minuten, wozu ein Pianist Monate bräuchte: „Sie stabilisiert den Klang, auch indem sie die Teile aus Leder und Filz komprimiert“, sagt Klavierbauer und Konzerttechniker Hans Muff.

Sorge um die genauso hochwertigen wie hochpreisigen Instrumente muss niemand haben. „Das ist unser Franz-Liszt-Test“, meint Chefdesigner Ferdinand Bräu schmunzelnd. Unter den Händen des Virtuosen Franz Liszt (1811-1886) stellte mancher Flügel seinen klanglichen Dienst ein. Ein Bösendorfer war ihm gewachsen.

Die heute in Wiener Neustadt beheimatete Firma hat sich im 187. Jahr ihres Bestehens im Nischen-Dasein auf dem von Steinway-Konzern beherrschten Weltmarkt zuletzt gut eingerichtet. Nach zwölf Jahren mit roten Zahlen gelang im Geschäftsjahr 2014/2015 bei elf Millionen Euro Umsatz ein kleiner Überschuss. Und auch in diesem Jahr sehe es erfreulich aus, meint Geschäftsführerin Sabine Grubmüller. „Wir wollen mehr Marktanteile.“ Ein Großauftrag aus China über 19 Instrumente gibt Mut. Der neu entwickelte Flügel 280VC Vienna Concert zu 160.000 Euro ist aus Sicht von Bösendorfer ein Coup: „Wir haben verbessert, was kaum mehr zu verbessern war“, sagt Bräu.

Unterstützt wird Bösendorfer seit 2007 vom neuen Eigentümer. Der japanische Yamaha-Konzern, seinerseits größter Hersteller von Musikinstrumenten, scheint stolz auf die feine Manufaktur. Er berate, aber lasse den Österreichern ansonsten freie Hand, heißt es.

Der Weg zuletzt war steinig: Seit der Absatzschwäche in der Finanzkrise wurde jede dritte Stelle gestrichen, heute sind noch 120 Mann an Bord, viele hoch spezialisiert. Sie sorgen dafür, dass 300 Flügel und Klaviere die Manufaktur pro Jahr verlassen. Fast alles geht in den Export, das wichtigste Land sind die USA. Weltweit stehen 50.000 Bösendorfers in Wohnzimmern, Konservatorien und auf Bühnen. Zum Vergleich: Steinway hat rund 600.000 Instrumente ausgeliefert.

Unter den jüngsten Sonderwünschen ragen zwei Bestellungen aus Fernost und der Schweiz heraus. „Ein Schweizer hat für seine Tochter ein pinkfarbenes Klavier geordert, ein grüner Flügel ging nach Singapur. Grün ist die Glücksfarbe des Bestellers“, sagt Bräu.

Auch wenn die Klaviere „Made in Austria“ sind, steckt viel deutsche Zulieferung in den edlen Instrumenten. Die Klaviatur kommt von der Firma Kluge aus Wuppertal, die Mechanik von Renner aus Stuttgart, der Stahldraht für die Musiksaiten stammt von der Firma Röslau im Fichtelgebirge. Das Holz hingegen, in jedem Flügel steckt fast ein Kubikmeter bestes Fichtenholz, wird meist im Salzburger Raum geschlagen. Der kompakte Holzkörper macht den Flügel so robust und klanglich besonders weich.

Die Deutschen liefern nicht nur zu, das Land bietet auch einen einigermaßen stabilen Klaviermarkt. Für Tasteninstrumente und Zubehör haben die Bundesbürger nach Angaben des Verbands SOMM (Society of Music Merchants) im vergangenen Jahr rund 141 Millionen Euro ausgegeben, zwar weniger als 2010 (149 Millionen Euro), aber immerhin eine gewisse Erholung im Vergleich zu 2013.

„Das Piano ist das beliebteste Instrument der Deutschen“, sagt SOMM-Geschäftsführer Daniel Knöll. Der Markt leide aber darunter, dass in vielen Bundesländern der Musikunterricht gestrichen werde.

„Das merken wir deutlich.“ Dafür wuchs der gesamte Musikinstrumentenmarkt – inklusive Technik wie Kopfhörer und Mikrofone – spürbar auf zuletzt fast eine Milliarde Euro. Wichtigster Umsatzbringer ist wie im Spielemarkt die Weihnachtszeit.

Im „Vorspiel“ des großen Konzertgeschehens ist zum Bedauern von Muff viel Sachlichkeit und Zeitnot eingezogen. „Dass ein Pianist zwei Tage vor dem Konzert anreist und man in Ruhe die passende Klangfarbe des Flügels einrichtet – das ist vorbei“, sagt der 46-Jährige, der für Bösendorfer wie andere seiner Kollegen weltweit Künstler betreut.

In manchen Fällen sind Ansprüche der Pianisten nur mehr mit einem Clou zu erfüllen. Während der ungarische Starpianist András Schiff beim Klassik-Festival im schweizerischen Verbier es „warm und rund“ wollte, drang die georgische Nachwuchskünstlerin Khatia Buniatishvili auf einen „jugendlich forschen“ Klang. „Das war auf einem Instrument in dieser Zeit nicht zu schaffen. Wir haben dann zwei verschiedene Mechaniken entsprechend intoniert und jeweils ausgetauscht. Das war wie ein Motorenwechsel beim Auto“, sagt Muff.

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