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Ann-Katrin Naidu (Aurelia), Jasmina Sakr (Mascha), Hans Gröning (Oberst Kasimir Popoff), Maximilian Mayer (Major Alexius Spiridoff), Sophie Mitterhuber (Nadina). Foto: © Christian POGO Zach
Ann-Katrin Naidu (Aurelia), Jasmina Sakr (Mascha), Hans Gröning (Oberst Kasimir Popoff), Maximilian Mayer (Major Alexius Spiridoff), Sophie Mitterhuber (Nadina). Foto: © Christian POGO Zach
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Starke Frau als Anti-Kriegerin – „Der tapfere Soldat“ von Oscar Straus im Münchner Gärtnerplatztheater

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„Einen Krieg verliert man immer“ hat Leo Tolstoi so kurz wie prägnant wie entlarvend in jener Epoche festgestellt, in der George Bernard Shaw (1895) und Oscar Straus (1908) sich mit dem Thema „Helden“ auf dem Theater befasst haben. Wenn Peter Konwitschny in unseren kriegerischen Tagen die Operettenfassung interpretiert, war Besonderes zu erwarten.

Ein quietschgelber Bühnenboden, hinten ein abstrakt bekritzelter bühnenbreiter Hänger, vorne in der Mitte ein schlichtes Bett – so zeitlos unaufwändig beginnt alles in Johannes Leiackers Ausstattung. Zwar werden „Serbien“ und „Bulgarien“ genannt und die Kostüme der Damen sehen ein bisschen nach Operetten-Adel von Einst aus. Doch in ihr anfängliches Geplauder knallen zwei Granätchen und aus dem Bühnenboden steigen pittoreske Rauchkringel empor. Als die reizende Nadina in ihrem Bett dann „Komm, Held meiner Träume“ singt, da schwebt zunächst das Foto ihres bulgarischen Helden-Bräutigams aus dem Bühnenhimmel herab – dann aber auch der Schweizer Bumerli in serbischer Verlierer-Uniform an einem rot-weißen Fallschirm. Sein Schokoladenhunger wird per Fallschirm gestillt, er erklärt das Nicht-Heldentum von Nadinas Verlobten mit Pralinen am Boden, zarte Funken sprühen – und das Brautbett bricht ohne Zutun plötzlich in der Mitte.

Als “running gag“ robben wiederholt acht Soldaten so stur wie unbeachtet quer über die Bühne. Das ist alles nett und sympathisch, doch dass dann Nadinas Mutter Aurelia und die wie eine Zofe gehaltene Ziehtochter Mascha den Mann Bumerli auch so attraktiv finden, dass sie ihm den Hausmantel des bulgarischen Oberersten und Hausherren als Fluchthilfe anziehen, ihn in einem reizenden Terzett umschmusen, kompromittierende Polaroids zustecken und darüber der Pausenvorhang fällt – da ist der Gesamteindruck „Ein bisschen schlicht, das Ganze“ und „Wo ist der Konwitschny, der die Dresdner ‚Csárdásfürstin‘ so antimilitaristisch auflud, dass darum gestritten wurde?“

Dieser Konwitschny kommt dann in stetiger Steigerung in den pausenlos folgenden zwei Akten: in oftmals entlarvender Personenregie bis zur turbulenten Groteske. Da hat Ausstatter Leiacker für die Hochzeitsfeier eine Rosenwiese über die Bühne gezaubert – und auch die wird von den acht Soldaten gnadenlos niedergerobbt und einzelne Liebesblumen eben geknickt überreicht. Der Bräutigam Alexius entpuppt sich als ewig hackenknallender, bornierter Angeber, der Nadina im Arm hält und Mascha liebt. Der Brautvater-Oberst versteht trotz viel Slivovic zunächst nichts, begrüßt den jetzt als aalglatten Spross eines Rüstungskonzerns abermals hereinschwebenden Bumerli als Freund, durchschaut dann stolper-schrittweise fast alle Verwicklungen, tobt los und das alte Sprichwort „Ehejahre sind Kriegsjahre“ endet mit viel Geknalle in szenischem Chaos und Blackout.

Vor einem Zwischenvorhang, auf dem alle Granaten, Raketen und Kampfjets auf die hereintorkelnde Nadina zu stürzen scheinen, schreibt sie im verbrannten Hochzeitstüll einen Abschiedsbrief an Bumerli – und als der Zwischenvorhang hochgeht, ist es eine andere Welt: da stecken rauchende Raketenreste im Bühnenboden; Alexius und Mascha schieben als Aussteiger-Paar einen Kinderwagen mit Krimskrams über die Bühne; dieses Kinderspielzeug wird als Deko auf die Raketen gehängt; ein paar Tote liegen unbeachtet herum; der Oberst stakst auf zwei Krücken herein; die Kleidung aller Figuren ist angesengt – nur Bumerli kommt abermals geschniegelt ölig per Fallschirm… und bietet kaltschnäuzig seine aktuellen Waffenarsenale an – fatal an einen bis heute existierenden Schweizer Waffenkonzern erinnernd, der einst die Engländer wie die Nazis beliefert hat. Da kommt bei hereinserviertem Champagner so richtig Stimmung auf, eben „Bombenstimmung“ – und ein szenischer Anti-Klimax: Bumerli redet zwar lauthals von seiner Liebe zu Nadina – doch die, eine weitere von Konwitschny gerne gezeichneten „starken Frauen“, ist aus dieser ganzen Situation schlichtweg ausgestiegen und davongegangen… ob es ein Operetten-Happy-End gibt, ist höchst zweifelhaft.

Völlig unzweifelhaft blieb, dass Chefdirigent Anthony Bramall das Dirigat übernommen hatte, weil über die Hits vom „Traum-Helden“ und „Praliné-Soldaten“ hinaus, dieser Oscar Straus anders als Lehár und Kálmán einen trocken pfiffigeren Orchesterpart komponiert hat, den man pointiert dirigieren muss. Das eher Offenbach nahe „Kuss-Duett“, das „Schäfer-Schmuse-Terzett“, Quartette und ein fulminant tobendes Sextett – all das saß. Auch vokal klang alles bestens, von Ann-Katrin Naidus temperamentvoller Mutter über alle Figuren bis zum strahlenden Jungtenor Maximilian Mayers als Alexius. Bumerli ist eine ganz heikle Tenorpartie: Held und Anti-Held; Schweizer und Verführer; Liebender und Waffenhändler – diese diffizile Mischung gelang Daniel Prohaska überzeugend. Doch wenn Sophie Mitterhuber in endlich einmal nicht billig desavouierender, sondern reizender Lingerie „Komm, Held meiner Träume“ singt – da müssen eigentlich alle betört die Waffen strecken – auch der Kritiker.

Premiere am 14.06., besuchte Aufführung am 16.06.2018.

 

 

 

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