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sieben elektromechanische, durch Zylinderspulen gesteurte Apparaturen. Foto: Wendelin Bitzan
Sieben elektromechanische, durch Zylinderspulen gesteurte Apparaturen. Foto: Wendelin Bitzan
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Transmedialität und Virtualität – Werke von Michael Beil und Johan Svensson in Berlin

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Die Ernst von Siemens Musikstiftung hat ein neues Förderprogramm ins Leben gerufen: Progetto Positano präsentierte in einem Portraitkonzert mit dem Berliner ensemble mosaik seinen ersten Stipendiaten, den schwedischen Komponisten Johan Svensson (*1983). Im Heimathafen Neukölln gelangte sein dreiteiliger Werkzyklus Ampèrian Loops zu einer ersten vollständigen Aufführung, konfrontiert mit drei audiovisuellen Arbeiten von Michael Beil (*1963).

Svenssons Arbeit, die oft die Interaktion von traditionellen Instrumenten und Elektroakustik thematisiert, erfuhr an diesem Abend eine repräsentative Würdigung. Das Setup für das Triptychon Ampèrian Loops (2013–2017) blieb in jedem der drei Teile konstant: Eine Septettbesetzung mit Bläsern, Streichern, Klavier und Schlagwerk wird ergänzt durch sieben elektromechanische, durch Zylinderspulen gesteurte Apparaturen, die von den Musikerinnen und Musikern mitbedient werden. Mit dem Schnarren, Flackern und Prasseln der Apparate vermischte sich der Klang der akustischen Instrumente zu einem einprägsamen Staccato, das weite Strecken der Musik dominierte. Das ensemble mosaik, suggestiv geleitet durch den Komponisten Enno Poppe, meisterte die komplexen Partituren mit großer Sicherheit. Dass die Darbietungen trotzdem nicht durchgängig überzeugen konnten, war kein interpretatorisches, sondern ein werkimmanentes Problem: Durch das Vorherrschen perkussiver und tremolierender Elemente gegenüber klar konturierten Flächen oder Linien entstand ein Eindruck der stetigen Reproduktion ähnlicher Strukturen. Trotz klar kontrastierender Unterteilungen wirkten Johan Svenssons Kompositionen insgesamt ein wenig zu lang und in ihrer Dramaturgie zu indifferent, um das Publikum durchgängig zu fesseln.

Dieses Urteil ist auch der für Svensson etwas undankbaren Gegenüberstellung mit den Werken Beils geschuldet, die bereits durch ihren szenischen Charakter eine größere Unmittelbarkeit erzielen. Hier treten verschiedene Medienformen miteinander in Beziehung: Live-Darbietungen und virtuos synchronisierte Zuspielungen erzeugen ein polyvalentes Sinneserlebnis, das Spielbewegungen, theatralischen Gesten und Klänge konzeptuell voneinander entkoppelt und im Moment der Aufführung wieder rekombiniert (Bild- und Tonregie: Philipp Schultheis und Arne Vierck). Am effektvollsten gelang dies dem ensemble mosaik in dem Werk Exit to Enter (2013), bei dem die Aktionen von sechs Musizierenden gefilmt und auf vier neben nebeneinander angeordneten Videoprojektionen mit Live-Klängen und Zuspielungen angereichert wurden. In Swap (2014) für Flöte, Oboe und Klarinette integrierte Beil repetitive Beats und tonale Loops in eine konzise Gesamtform, die in ihrer flächigen Schlichtheit nicht weniger beeindruckte. Ein weiterer Höhepunkt war schließlich die Soloperformance Key Jack (2017): Hier ersetzte Ernst Surberg, der Pianist des Ensembles, sein Instrument durch ein Brett, an dem er als musikalischer Pantomime und Videokünstler in Erscheinung trat. Der Darsteller interagierte im Trio mit zwei Filmprojektionen seiner selbst und mit dem zugespielten Klang: Klaviatur und Alltagsgegenstand, Digitales und Analoges, Virtuosität und Trivialität verschmolzen miteinander und demonstrierten eindrucksvoll die stilistische Offenheit von Michael Beils transmedialem Musiktheater.

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