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Sophie Mitterhuber (Sophie Scholl), Liviu Holender (Hans Scholl). Foto: © Christian POGO Zach
Sophie Mitterhuber (Sophie Scholl), Liviu Holender (Hans Scholl). Foto: © Christian POGO Zach
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Udo Zimmermanns „Weiße Rose“ am Münchner Gärtnerplatztheater

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Die „Weltstadt mit Herz“ tat sich jahrzehntelang schwer mit ihrem Erbe des düster braunen Glanzes: Keimzelle und stolze „Hauptstadt der Bewegung“ gewesen zu sein. Der letztlich alle Widerständler überragende „einsame Held“ Georg Elser fand beschämend lange keine gebührende Anerkennung. Im Gegensatz dazu wurde schon 1946 der Platz vor der Universität in „Geschwister-Scholl-Platz“ umbenannt und damit den überzeugt mutigen Blutopfern der Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ Ehre erwiesen.

Doch die Erstfassung von 1964, erst recht die von der Hamburger Staatsoper 1984 in Auftrag gegebene, heute meist gewählte Zweitfassung von Udo Zimmermanns 70-minütiger Kammeroper „Weiße Rose“ kam bislang nur als Gastspiel nach München – was das Staatstheater am Gärtnerplatz nun endlich änderte.

Fünf weitere Aufführungen am Vormittag für jeweils 150 Schüler – alle ausverkauft; inhaltlich die letzte Stunde von Sophie und Hans Scholl, zweier humanistisch-freiheitlicher Überzeugungstäter vor ihrer Enthauptung in München-Stadelheim. Da tut sich der hartgesottene Opernkritiker doch ein bisschen schwer, eine übliche Kritik zu schreiben.

Da andererseits das Produktionsteam des „Jungen Gärtnerplatztheaters“ tätig war, dürfen doch auch Maßstäbe reflektiert und kritisch angelegt werden. Zunächst einmal war die im Zuge der Generalsanierung des Hauses (vgl. nmz online vom 11. und 17.10.2017) unterirdisch neu angelegte „Probebühne 1“ zu bewundern: eine Spielfläche in Originalbühnengröße mit erstaunlicher technischer Ausstattung, sowohl idealer Probenraum wie eben „Studio- oder Experimentierbühne“ – allem Baukosten-Gemäkle ist entgegen zu halten: bestens angelegtes Steuergeld!

Vermutlich diese Gegebenheiten haben Regieassistent Lukas Wachering und Bühnenbildassistentin Stephanie Thurmair verführt, „in die Vollen zu gehen“. Auf einer etwa 10×10-Meter Spielfläche haben sie eine kleine Hügellandschaft gebaut. Flugblattimitate der „Weißen Rose“ liegen herum (auf die nur beide Autoren befremdlicherweise drauftreten), da ein umgestürzter Stuhl, dort eine kleine Schreibmaschine, darüber eine mal aufleuchtende große Glaskugellampe, da ein einmal genutztes weißlich leuchtendes Wasserloch, alles gipfelnd in einem aus einem Hügelchen herauswachsenden weißen Rosenpaar, das sich später schwarz einfärbt.

Die alles überziehende Plastikfolie haben Wachering-Thurmair mit erdfarben-braunen Trocken-Torf-Mull-Imitat bedecken lassen. Durch diesen und auf diesem kriechen, rollen, stehen, wälzen und liegen die beiden Protagonisten das ganze Werk hindurch: zunehmend befremdlich verschmiert - kein passendes Bild für ein womöglich gedachtes „Erde zu Erde“ der beiden Bald-Toten; der bedauernswerte Hans-Scholl-Darsteller ist nach seinem dramaturgisch nichtnachvollziehbaren Eintauchen ins weißliche Wasser auch im Gesicht „vermullt“, so dass sein Atmen durch Nase und Mund eine zusätzliche Belastung wurde. Jung-Inszenatorenquark, auch wenn man das „Action-Bedürfnis“ der künftigen jungen BesucherINNEN in Rechnung stellt.

Komponist Udo Zimmermann und Librettist Wolfgang Willaschek haben für die Extremsituation der letzten Stunde vor der Hinrichtung einen assoziationsreichen Bewusstseinsstrom aus Scholl-Zitaten und Texten von Roszewicz, Bonhoeffer und Fühmann geschaffen, der jede „Bebilderung“ in einer Experimentierbühneninszenierung übersteigt. Prompt sehnte man sich kalter Kahlheit und existentieller Verlorenheit beider Figuren im dunklen Raum. Da hätten die Flöten-Vogelstimmen, die verzerrten Tanz- und Marschrhythmen, der kleine Harfenzauber, die Streicherbögen und dissonanten Ballungen der 15 Instrumentalisten unter der präzisen Leitung von Solorepetitor Andreas Partilla noch eindringlicher als jetzt gewirkt.

Der männliche Protagonist Liviu Holender hatte mit sicht- und hörbarer Premieren-Nervosität zu kämpfen. Sophie Mitterhuber meisterte die mehrfach extrem hoch liegenden Phrasen ausgezeichnet und tanzte mit ihrer Strickjacke als Partner einen kleinen Totentanz – da war die Schreckensebene, die der verdienstvollen Werkwahl zu gönnen ist. Danach wurde dem Musiktheaterfreund abermals klar, dass in Münchens staatlichen Opernhäusern eigentlich Mieczyslaw Weinbergs singuläre „Die Passagierin“ ins Dauerrepertoire gehörte.

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