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Abstrakte Landschaft mit einsamem Mensch. Foto: Hufner
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Überfälliger Fingerzeig: Verdiente Würdigungen: Parallelen, Konkurrenz und Unterschiede

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„Ein Tag für Udo Zimmermann und Lothar Voigtländer“ an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden oder: „Ostmusik“ ist auch zum Hören da! Ein Bericht von Michael Ernst.

„Auf ein weinendes Auge ein Lächeln zu zaubern“ – dieser kompositorische Ansatz des Dresdner Musikers Udo Zimmermann wurde jetzt in Dresden zitiert, als es darum ging, dessen künstlerischem Selbstverständnis auf den Grund zu gehen. Matthias Herrmann, Professor am Institut für Musikwissenschaft der Carl-Maria-von-Weber-Hochschule, hatte diesen „Tag für Udo Zimmermann und Lothar Voigtländer“ initiiert und ihn mit einem Vortrag zu den Biografien und dem Schaffen der beiden 1943 geborenen Musikerpersönlichkeiten eingeleitet.

Da gab es zunächst einmal Parallelen wie die frühe Prägung durch den Kreuzchor, der sowohl für Zimmermann als auch für Voigtländer den Bezug zur menschlichen Stimme grundiert und die eigene Kreativität geweckt hat. Früheste kompositorische Versuche und deren Förderung durch den damaligen Kreuzkantor Rudolf Mauersberger erzeugte beizeiten Konkurrenz. Von da an war das weitere Werden und Wirken von Voigtländer und Zimmermann vor allem durch Unterschiede geprägt. Zimmermann studierte Komposition in Dresden, Voigtländer in Leipzig, später wurden sie Meisterschüler an der Akademie der Künste Berlin und unterrichteten, freilich zu unterschiedlichen Zeiten, wiederum an der Dresdner Musikhochschule.

Auch beim „Tag für Udo Zimmermann und Lothar Voigtländer“ sind sie sich nicht persönlich begegnet. Zimmermann ist seit Jahren zu krank, um sein Haus noch zu verlassen, dürfte sich aber über diese Würdigung sehr gefreut haben. Voigtländer hingegen war aus Berlin angereist und hat diesen Tag sehr genossen.

Der begann schon am zeitigen Vormittag mit einer öffentlichen Generalprobe des Hochschulsinfonieorchesters unter Leitung von Ekkehard Klemm, der sehr informativ die beiden abends aufzuführenden Werke der zu Porträtierenden mit Worten und Tonbeispielen erklärte. Zimmermanns „Mutazioni per orchestra“ von 1973 und Voigtländers „Orchestermusik III“ von 2005 wirkten im Kontext durchaus gegensätzlich, verkörperten aber zugleich einen gemeinsamen Anspruch. Wie der durch die jungen Studiosi umgesetzt worden ist, das hat fasziniert. Neben technischer Brillanz stand der Ausdruck einer wirkmächtigen Tonsprache, die in gelungener Weise zum Tragen kam und das Publikum fasziniert hat, vor allem jedoch auch lehrreich für die künftigen Orchestermusiker gewesen sein dürfte.

Auch die beiden zwischen Zimmermann und Voigtländer erklingenden Werke, das Konzert für Flöte und Kammerorchester von Krzysztof Penderecki sowie das D-Dur-Violinkonzert KV 218 von Wolfgang Amadeus Mozart, erfüllten diesen Zweck und wurden mit Verve vorgetragen. Insbesondere die Soloparts von Juhyung Lee (Flöte, Südkorea) und Roxana Wisniewska Zabek (Violine, Spanien) zeugten von enormer Reife.

Dass bei einem so herausragenden Konzertprogramm des Hochschulorchesters (zumal bei freiem Eintritt) kaum Studierende im Publikum saßen, hat freilich sehr überrascht. Auch in den Veranstaltungen dieses Symposiums zeigten sich kaum junge Leute. Dabei sollte ein solcher Tag doch gerade für diese Generation gedacht sein?

Matthias Herrmann hat mit seiner Idee darstellen wollen, wie „zwei so völlig unterschiedliche Komponisten aus dem gleichen Humus schöpfen und zwei völlig unterschiedliche Handschriften entstehen.“ Zimmermann hat sich durch die Prägung im Kreuzchor beizeiten dem szenischen Komponieren verschrieben – einen informativen Streifzug durch sein Opernschaffen unternahm der Regisseur Michael Heinicke mit Klangbeispielen sowie einem schon historischen Fernsehzitat – und Voigtländer wandte sich mit frankophoner Neigung stark der elektroakustischen Musik zu. Sein umfangreiches Oeuvre wurde von Ekkehard Klemm vorgestellt, der sich in einem Exkurs auch der Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden von ost- und westdeutschen Komponisten zuwandte.

Wenn heute von „DDR-Komponisten“ die Rede ist, wird oft (und besonders im Fall von Zimmermann und Voigtländer) verkannt, dass sie – obwohl natürlich in der DDR aufgewachsen und ausgebildet – frühzeitig eine Geltung auch über die damaligen Grenzen hinaus erzielt haben. Vor allem aber darf nicht vergessen werden, dass sie auch nach 1989 sehr wirksam gewesen sind. Zimmermann bekanntlich vor allem als Intendant der Opern Leipzig und der Deutschen Oper Berlin sowie am Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, zuletzt dann auch noch mit seinem 2013 uraufgeführten Violinkonzert, Voigtländer mit einer bis heute kaum nachlassenden Schaffenskraft.

Somit ist dieser „Tag für Udo Zimmermann und Lothar Voigtländer“ an der Musikhochschule Dresden nicht nur eine verdiente Würdigung zweier ostdeutscher Künstlerpersönlichkeiten gewesen, sondern auch ein überfälliger Fingerzeig, die gesamtdeutsche Musikszene in den Fokus zu setzen.

Dass der Tag allerdings nicht das ihm und seinem Inhalt zustehende Interesse gefunden hat, aber dennoch außerordentlich wichtig war, hätte Zimmermann wahrscheinlich augenzwinkernd mit einem Hinweis auf „Minderheitenschutz“ kommentiert.

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