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Vermessung der Welt in der Musik – Frühjahrstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt

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In vier Tagen maß die Frühjahrstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung die Anwesenheit der Welt in der Musik aus. Gibt es in der Welthaltigkeit der Musik einen Unterschied zwischen den Generationen? Wie verhalten sich Welt, das Nachdenken über die Welt und die Verarbeitung der Welt in der Musik zueinander?

Mit der Präsentation der Workshops für Kinder und Jugendliche ist am Samstag die diesjährige Frühjahrstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung zu Ende gegangen. Unter dem Titel „Zurück zur Gegenwart? Weltbezüge in neuer Musik“ diskutierten Komponisten, Redner und 120 Teilnehmer die Frage, wie sich Welthaltigkeit in der Musik früherer Jahrzehnte und heute manifestiere. Intendiert war dabei von den Veranstaltern unter der Leitung Jörn Peter Hiekel durchaus die Gegenüberstellung der Generationen, die in Anwesenheit der Komponisten ihren Ausdruck in zwei Themenschwerpunkten über Helmut Lachenmann (geb. 1935) und Manos Tsangaris (geb. 1956) fand.

Vollgepackt mit Vorträgen, Workshops, sogenannten „Spotlights“ – ein neues Format der Frühjahrstagung, in dem sich Thomas Schäfer, Wolfgang Rüdiger, Hannes Seidl und Patrick Frank der kurzen Vorstellung themenrelevanter Werke und Komponisten zuwandten – Konzerten und Gesprächen beleuchtete die Tagung ihr Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. So ordnete Jörn Peter Hiekel die Frage nach der Welt in der Musik historisch ein, während sich Dieter Mersch der Frage eher philosophisch näherte und auf den Bruch der Konzeptionen durch John Cage verwies.

Michael Rebhahn untersuchte Tendenzen in der jüngsten Generation der Komponisten und konstatierte anhand von Beispielen von Sergej Meingardt, Maximilian Marcoll und Alexander Schubert die Anverwandlung von Welt mithilfe des hier vor allem technisch zu verstehenden Materials. Rainer Nonnemann wies an der Partitur „Schreiben“ von Helmut Lachenmann die vordergründig nicht hörbaren Bezüge zur Welt auf, während Barbara Balba Weber darlegte, wie sie versucht einer „Lachenmann-losen Welt“ in Bern die Welt Lachenmann nahezubringen. Der Einschreibung des „Unterwegsseins“ widmete sich Lydia Jeschke, indem sie Werke von Bruno Mantovani, Marc Andre und die Expedition-Performance „Ton & Tal, Valli & Intervalli“ analysierte. Mit der Erläuterung seines Werks und der Aufführung von „Canción de la Tierra“ verband Mesias Maighuashca die Darstellung von Welt in der Musik und Musik in der Welt.

Der letzte Themenblock ging mit einem Vortrag von Raoul Mörchen, einer pädagogischen Annäherung von Wolfgang Lessing und einem Beitrag des Komponisten selbst intensiv auf das Schaffen Manos Tsangaris‘ ein. Hier wurde Tsangaris‘ Ansatz zu einer Thematisierung des konventionellen Rahmens, in dem Musik präsentiert wird, ausführlich diskutiert. Mit Werken aus der bildenden Kunst zeigte Mörchen die Relativität eines Sachverhalts in Abhängigkeit von der Größe des ihn umgebenden Rahmens.

Die Konzerte boten praktisches Anschauungsmaterial zu der Theorie der Vorträge. Drückt sich die Welthaltigkeit in der jüngeren Generation sehr plakativ aus, so muss sie bei Lachenmann in der Partitur oder auch im Werkkommentar, (wie z.B. in „Salut für Caudwell“) gesucht werden.

Welt ist immer da, die Musik kann die Haltung zur Welt vermitteln. Dies geschieht über das Material, in früheren Zeiten definiert als das, was die Töne und die formalen Möglichkeiten zur Verarbeitung zu bieten haben. Heute wird dieser Begriff wesentlich weiter gefasst, Material ist alles Akustische, was uns umgibt, aber eben auch die Technik und das Instrumentarium. Vermittelt werden heute ganz konkrete Sachverhalte, Alltägliches bis hin zum Banalen, während dagegen Ideen und Gedanken eher gesucht werden müssen.

Eine endgültige Antwort auf die vielen Fragen, die, wie die sich an die Vorträge anschließenden Diskussionen zeigte, auch die Teilnehmer sehr bewegten, fand die Tagung nicht. Wichtig war sie aber als Standortbestimmung des Geschehens im Bereich der neuen Musik und als Schärfung der Wahrnehmung für musikalische Inhalte.

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