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Verschont: Calixto Bieito inszeniert Ligetis „Le Grand Macabre“ in Freiburg

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Mexikanischer Totentag im Freiburger Theater: Im Foyer ist ein entsprechend morbider Anbetungsaltar aufgebaut, die passende Schunkelmusik kommt aus der Konserve. Im Zuschauerraum geht’s munter weiter. Kein Wunder – wenn Blut- und Spermaschleuderer Calixto Bieito auf Ligetis großen Makabren trifft, kann man sich auf etwas gefasst machen.

Bis auf den real ausgeführten Griff ins Klo – Piet vom Fass (Patrick Jones im Dirk-Bach-Look) zieht seine Bedürfnisanstalt hinter sich her –, den der Weltvernichtungsankündiger Nekrotzar (nicht immer raumfüllend: Gabriel Urrutia) ausführlich zelebriert, und einen aufgeblasenen Gummischniedel, der von der Bühne aus ins Publikum weitergereicht wird, bleibt es aber erstaunlich harmlos in dieser Neuinszenierung.

Dafür hat Bieito aber einige hübsche Anspielungen eingebaut: die beiden Minister geben sich als Koalitionstraumpaar Merkel-Westerwelle zu erkennen (auch wenn Matthias Flor eher aussieht wie Jack Lemmon in „Manche mögen’s heiß“); Fürst Go-Go (wacker falsettierend: Xavier Sabata) kommt die rotierende Holzrampe auf einem Klappfahrrad heruntergefahren. Bei seinem vermeintlichen Triumph hält Nekrotzar das Freiburg-typische Fahrgerät in Siegerpose hoch.

Dennoch kommt Bieitos muntere Apokalypse nach dem eher mühsamen Auftritt des Sadomaso-Paares Mescalina-Astradamors erst in Fahrt, als mit der grandiosen Passacaglia auch Ligeti noch einmal groß ausholt: Als Bühnenmusiker spielen Sombrero-behütete Mariachis zum Totentanz auf, mit der rotierenden Bühne kommt auch die Aufführung eine Umdrehung weiter, löst sich von den durchaus auch kindischen Provokationsgesten und gewinnt an Tiefe. Am Ende muss der als Weltzertrümmerer gescheiterte Nekrotzar den schlaff gewordenen Weltkugelluftballon wie Atlas davonschleppen, während die Davongekommenen ratlos ins Publikum blicken.

Das Philharmonische Orchester Freiburg unter Jimmy Chiang war rhythmisch und klangfarblich stets auf der Höhe von Ligetis Einfallsreichtum, die Sänger schlugen sich wacker, nahmen es aber mit der Textverständlichkeit- und genauigkeit nicht allzu ernst. Ausgezeichnet die Chöre, die auch vom ersten Rang aus eindringlich um Verschonung flehten. Bieito gewährte sie – zumindest diesmal.
 

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