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Christa Mayer (Ottavia), Matthew Shaw (Ottone) in Monteverdis Poppea an der Semperoper. Foto: M. Creutziger
Christa Mayer (Ottavia), Matthew Shaw (Ottone) in Monteverdis Poppea an der Semperoper. Foto: M. Creutziger
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Monteverdis Poppea an der Semperoper: Zustände wie im alten Rom oder Kein Komplott ohne Scheitern

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Italien im Jahr 1931 vor Berlusconi. Alles dreht sich um die Macht und die Eitelkeit und das kleine Ding am großen Mann. Es hat sich nicht viel geändert seitdem. Nur dass die mediale Vermittlung höfischer Skandale heute wesentlich schneller erfolgt. Stichwort Internet. Die Seitensprünge eines Nero etwa brauchten fast eineinhalb Jahrtausende, ehe sie auf die Opernbühne kamen. Erst zu 1643 schuf Claudio Monteverdi nach einem Libretto von Giovanni Francesco Busenello seine letzte Oper „L'incoronazione di Poppea“. In einer szenischen Deutung von Florentine Klepper hatte das in Venedig uraufgeführte Stück jetzt an Dresdens Semperoper Premiere.

Die Semperoper ist keine Barockoper. Auch wenn Stadtführer mitunter anderes behaupten. Seit Ulrike Hessler vor knapp einem Jahr die Intendanz des Dresdner Hauses übernahm, sollte sich da etwas ändern. Zumindest im Spielplan. Ausgerechnet mit einem Werk des Frühbarock scheint dieser Anspruch verwirklicht. Jegliche Staubigkeit, die damit einherkommen könnte, ist gründlich weggebürstet. „Die Krönung der Poppea“ gelang angenehm frisch, sowohl musikalisch als auch inszenatorisch. Rubén Dubrovsky stand für die klingende Seite ein und leitete (in kurzfristiger Übernahme) die u.a. aus Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle bestehende Capella Sagittariana Dresden. Die Regie der gut dreistündigen, aber nie langatmigen Produktion lag in den Händen von Florentine Klepper. Im Verbund mit Bühnenbildner Bastian Trieb und Kostümbildnerin Chalune Seiberth gelangen ihr überzeugende Sichten, die von Fabio Antoci ins rechte Licht gesetzt wurden.

Die Semperbühne wird beherrscht von einem sich drehenden Luftschloss. Schneeweiß und edel, jeder Politsnob dürfte sich wohlfühlen darin. Trotz der unschuldsfarben zur Schau gestellten Macht parkt unten ein im wahren Leben längst Rarität gewordener Lancia Thema – auch das Fluchtauto knallweiß. Die aparte Anlage gibt schräge Einblicke frei und lässt sich perfekt bespielen, denn von der kaiserlichen Chefetage bis zur Tiefgarage, die auch als Ablage des gemordeten Personals dient, sind kurzweilig zu nutzende Räumlichkeiten ausreichend vorhanden. Für die rasche Nummer tut es bekanntlich auch mal die Besenkammer.

Es gibt Inszenierungen, da täuscht die Ausstattung über mangelnde Regie hinweg. Nicht so bei Florentine Klepper, die seit 2009 als Hausregisseurin am Theater Basel engagiert ist. Ihre „L'incoronazione“ beginnt mit einem zünftigen Zickenkrieg. Göttlich! Denn die eben durch gründliche Sicherheitskontrollen in den Regierungssitz geschlüpften Damen sind nicht so käuflich wie manche im heutigen Rom verhandelten, sondern überirdischer, zumindest mythischer Abkunft. Keine Frage, dass Amore darauf besteht, die stärkste Macht zu bündeln. Was zu beweisen wäre?

Nein, die Fakten sprechen für sich. Das nur sanft verbrämte Herrscherabbild Nerone ist voll der Liebe – vor allem zu sich selbst. Freilich schmeichelt dem Wicht Poppeas Begehren. Über kurz oder lang muss daher die Gattin Ottavia dran glauben und den Weg für die Emporkömmlerin räumen. Deren Liebhaber Ottone ist selbstredend sauer, muss er doch einsehen, dass Poppea straff ins Zentrum der Macht strebt. Trost findet der Arme bei Drusilla, die wiederum ihm mit ihren Kleidern aushilft, als er in Ottavias Auftrag des Kaisers Liebchen, die eigene Ex also, abmurksen soll. Kein Komplott ohne Scheitern, Poppea überlebt und Drusilla wird der Un-Tat bezichtigt. Um die Gute zu retten, gesteht Ottone die Wahrheit und liefert Nerone guten Grund für den Schachzug, die Auftragsmörderin zu verbannen. Damit ist endlich Platz für Poppeas Krönung.

So ähnlich war es tatsächlich bei Nero im Jahr 62. Warum sollte sich das in einem Land, in dem die prominentesten Angeklagten sich nicht vor Gesetzen verantworten müssen, weil sie die selber verfassen, in nicht mal zweitausend Jahren anders sein?

Geschickt wurde allzu plumpe Parallelität vermieden, eine breitere Ausdeutbarkeit scheint viel wertvoller zu sein. Und so lenkt denn auch kaum etwas ab vom kriminahen Geschehen der tödlichen Showpolitik und glücklicherweise auch nicht vom märchenhaften Musizieren. Einzige Ausnahme: Die quietschende Palasttreppe. Da muss unbedingt nachgebessert werden.

Kaum aber beim authentischen Instrumentalklang der Capella unter Rubén Dubrovsky. Das Anderthalbdutzend Musikanten schwelgte in himmlischer Tonkunst, konnte aber auch mitreißend, ja vehement antreibend sein. Nahezu jeder Instrumentalist kam nah genug ans Geschehen, um vermittlerisch tätig zu sein. Auf dieser sicheren Basis konnte sich eine durchweg kostbare Stimmpracht entfalten, die vom Publikum (in der hier beschriebenen zweiten Aufführung) sehr verständig bejubelt worden ist. Die schwarze Amerikanerin Nicole Heaston als Poppea betört mit einer vokalen Leichtigkeit, die so voller Kraft steckt, dass Nerones Begierde schon aus diesem Grunde verständlich scheint. Der wird vom Argentinier Franco Fagiolo gesungen, dessen Countertenor genau jene spielerische Substanz trifft, mit der Monteverdi diese virulente Partie trotz Schönklang als Charakterstudie eines Machtbesessenen angelegt hat.

Als sowohl stimmlicher als auch geistiger Widerpart agiert Georg Zeppenfeld wohltuend ehrlich in seiner ergreifenden Basspartie als Philosoph Seneca, der den Herrschergelüsten bekanntlich geopfert wird. Sein verordneter Tod steht als Drehpunkt des Ganzen. Christa Mayer betört als selbstbewusst machtlose Gattin Ottavia mit schönem Schmelz, Ute Selbig zeichnet eine treuherzig liebende Drusilla und singt deren Part kantenfrei im Feinschliff. Sie ist adäquat dem Counter Matthew Shaw verbunden, der Trost sucht und sowohl seine von Wut getragenen Parts als auch die sehnsuchtsvollen Momente angemessen wandlungsfähig gestaltet.

Es spricht für diese Produktion, dass nicht nur die göttliche Trias von Amore, Fortuna und Virtù mit Christiane Hossfeld, Roxana Incontrera und Andrea Ihle vortrefflich besetzt, sondern dass eine jede Partie auf Augen- und Ohrenhöhe von hohem Niveau ist. In dieses erlesene Künstlerensemble fügen sich auch die stummen Figuren fugenlos sauber ein.


Termine: 9., 12., 15. April sowie 6., 9., 26. Mai 2011

 

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