Weniger wenig ist immer noch weg – Warum die Berliner Politik Kunst und Kultur auch in der Haushaltsplanung 2026/27 keine Zukunft einräumt.
Die massiven, extrem kurzfristigen Kürzungen im Jahr 2025 um über 12,5% und einer Summe von rund133 Millionen Euro haben über die Kulturszene hinaus in der Stadt und weltweit Besorgnis und laute Proteste ausgelöst. Bekenntnisse zur Bedeutung von Kunst und Kultur für Berlin waren seitdem Teil jedes öffentlichen Auftritts des Regierenden Bürgermeisters und der neuen Senatorin Sarah Wedl-Wilson. Ein Hauch von Zukunft lag in der Luft.
Die Haushaltsplanung, die nun für die Jahre 2026 und 2027 vorliegt, ist jedoch niederschmetternd. Trotz steigender Kosten und hoher Aufwüchse der Gesamtausgaben wird an Kunst und Kultur weiter gespart, je nach Rechnung zwischen 90 und 140 Millionen Euro pro Jahr. Es geht dabei weiterhin um viel mehr als Zahlen – es geht um die Zukunft der kulturellen Vielfalt, um Teilhabe für alle Bürger*innen der Stadt und um das gesellschaftliche Miteinander.
Kulturetat fällt erstmals unter 2% des Gesamthaushalts – die versteckten Kürzungen sind noch höher
Der Ansatz für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt fällt im Senatsentwurf 2026 um knappe 90 Millionen auf 982 Millionen. Die eigentlichen Ausgaben für die Kultur sinken um fast 9 Prozentpunkte auf 826 Millionen Euro. Bei einem Aufwuchs von 3.6 Milliarden Euro im Gesamthaushalt sinken die Kulturausgaben 2026 damit erstmalig auf unter 2 % der Gesamtausgaben der Stadt.
Dabei sind die Tarifaufwüchse und der Ausgleich für die erhöhten Kosten bei der Gebäudeverwaltung im Gegensatz zu den Vorjahren in dieser Summe bereits enthalten, es gibt keine zentrale Vorsorge mehr. Sie müssen auf die Kürzungen also entsprechend mit bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr addiert werden ebenso wie die 20 Millionen Euro, die jährlich für noch nicht genau definierte Transformation der öffentlichen Bühnen zur Verfügung stehen. Im Haushaltsplan für Bildung scheinen nahezu alle Projekte der Kulturellen Bildung verschwunden. Auch die Kürzungen bei den Kulturfonds für die Bezirke kommen noch dazu. Die versteckten Einsparungen sind also noch deutlich höher.
Für die Kleinen wird es eng, denn gleich ist nicht gleich gerecht
Der sogenannte „Rasenmäher“ als Kürzungsmethode (alle werden mit der gleichen Prozentzahl gekürzt) scheint auf den ersten Blick gerecht. Allerdings werden gut ausgestattete Kulturinstitutionen mit hohen Rücklagen nun genauso stark belastet wie die, die bereits vor den Kürzungen komplett unterfinanziert waren. Eine politische Schwerpunktsetzung ist nicht erkennbar.
Zudem reicht bei viele kleineren Kultureinrichtungen die jetzige Finanzierung schon heute nicht aus. Von der Übernahme der Tarifsteigerungen (als „Kompensation“ für die Kürzungen) profitieren die großen Institutionen ungleich mehr, da die kleinen wenige bis gar keine Angestellten haben.
Zwei weitere Jahre mit schrumpfenden Etats und steigenden Kosten bedeuten für viele von ihnen ein deutlich reduziertes Angebot oder einen Verlust ihrer Produktionsorte, Ateliers und Probenräume durch steigende Mieten.
Abbau der Strukturen – Berlin verliert sein kulturelles Kapital
Unter Ex-Senator Joe Chialo sollten die Strukturen der Kulturlandschaft resilient werden und neue Einnahmen generieren. Mit der neuen Senatorin sollen die Strukturen nun transformieren. Das bedeutet in der Praxis allerdings in beiden Fällen, dass für Kultur weniger Geld zur Verfügung steht. Der größte Teil der Kosten im Kulturbereich entfällt auf die dort arbeitenden Menschen: Gehälter für Mitarbeiter*innen und Honorare für freie Künstler*innen: Mit weniger Geld das Gleiche zu leisten, heißt also (noch) weniger Verdienst für die Freien und weiterer Stellenabbau. Die Zahl der arbeitslosen Kulturakteur*innen in Berlin ist im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Wie viele von ihnen sind arbeitslos durch plötzliche Kürzungen in der Kultur? Wie viele weitere hochqualifizierte Fachkräfte haben Berlin bereits verlassen?
Beinahe keine Investitionen mehr – Verschleiß und Verdrängung gehen weiter
Die dringlich notwendigen Investitionen zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur werden überproportional gekürzt. Dies betrifft vor allem die Sicherung der landeseigenen Liegenschaften von Arbeitsräumen für Künstler*innen. Aber auch Institutionen, denen Gelder für Baumaßnahmen gekürzt oder in eine ferne Zukunft verschoben werden. Zudem entfallen Kofinanzierungsmittel für die EU-Strukturfonds aus dem Innovationsfonds ersatzlos, womit auch die EU-Gelder verloren gehen.
Auch vom Bundessondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ scheint kein Geld in der Kultur anzukommen. Dabei wären durch energetische Sanierungen tatsächlich Kosten zu sparen! So bröckeln in Berlin nicht nur die Brücken, sondern auch die Kulturgebäude, für die Zentral- und
Landesbibliothek Berlin gibt es noch immer keine Standort-Lösung und die Verdrängung der Freien Szene wird fortgesetzt.
Was sind die Versprechungen des Regierenden wert?
Der Regierende Bürgermeister hat versprochen, dass kein Haus schließen muss. Aber das Englisch Theatre Berlin, das Fliegende Theater und das Schlossplatztheater Köpenick verlieren ihre Förderung und werden 2026 schließen müssen, weil nicht genug Geld in der Projektförderung ist. Ateliers und Arbeitsräumen gehen verloren, wenn Verpflichtungsermächtigungen ausbleiben und Mietverträge auslaufen, Gilt das Versprechen des Regierenden und der Senatorin für die drei Theater und die Produktionsorte der Bildenden Kunst nicht?
Die Senatorin hat versprochen, dass Mindesthonorare gelten, Ausstellungshonorare in 2025 nur ausgesetzt sind. Aber die Kulturverwaltung verwendet z.B. die Gelder für Mindesthonorare und Tarifangleichungen bei den Projektförderungen schon im Nachtragshaushalt 2025 als frei verfügbare Sparmasse, der Fonds für Ausstellungshonorare FABIK verschwindet nach 2025 komplett und wird ab 2026 abgeschafft, jegliche Nutzungsverpflichtung für die Honorierung von Bildenden Künstler*innen wird in die Bezirke verschoben. Die Gelder für Mindestgagen an den Kinder- und Jugendtheatern wurden ebenfalls schon ab 2025 ganz gestrichen. Gilt das Versprechen auf gute Arbeit nur für die Tarife der Institutionen?
Der Regierende hat versprochen, dass Angebote für Kinder und Jugendliche Priorität haben – nun wird bei den Programmen wie den Schulkooperationen TuKi und Tusch oder dem KinderKulturMonat, bei den mobilen Kinder- und Jugendtheatern in unterversorgten Berliner Kiezen und im Bildungshaushalt parallel an der Kulturellen Bildung gekürzt.
Wir stehen an einem Wendepunkt, und es geht um nichts weniger als den Erhalt und die Zukunft der international beachteten Kulturmetropole.
Die Kulturszene war immer widerständig und visionär. In Berlin und für Berlin. Der Wendepunkt ist nun da – die Versprechen seit Dezember 2024 lesen sich weiterhin als reine Lippenbekenntnisse: Politik will die Kultur, aber sie darf nichts kosten. Berlin ist ohne Kultur nichts – aber die Kultur ist der Politik nichts wert?
Das nehmen wir nicht hin! Jetzt muss das Parlament handeln! Denn was die erneut überproportionalen Kürzungen im Ressort Kultur an Schäden anrichten werden, sind irreparabel.
Kürzt die Kürzungen – Petition von #BerlinIstKultur und gemeinsames Protestfest von Bildung, Kultur und Soziales am 27. September
Bis zum Dezember 2025 werden die Planungen des Senats nun im Berliner Abgeordnetenhaus diskutiert. Bis dahin bleibt Zeit, umzusteuern! Die Berliner Kultur bleibt laut und solidarisch. Wir werden uns im Bündnis #BerlinIstKultur für die Rettung aller Berliner Kultureinrichtungen ebenso einsetzen wie für die Rücknahme der Kürzungen in anderen wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Die neue Petition von #BerlinIstKultur „Zusammen für die Kultur – Kultur für die Gemeinschaft“ wurde bereits von knapp 20.000 Menschen unterzeichnet.
- Hier geht es zum Unterschreiben: https://weact.campact.de/petitions/berlinistkultur-zusammen-fur-die-kultur-kultur-fur-die-gemeinschaft
Am 27. September laden wir die Berliner Stadtgesellschaft zum gemeinsamen ProtestFest von Bildung, Kultur und Soziales ein. Hier geht es zum Aufruf für Beiträge zum ProtestFest.
Über #BerlinIstKultur
Das Aktionsbündnis #BerlinIstKultur hat sich Ende September 2024 unter dem Druck drohender Kürzungen im Kulturetat gebildet. Mit der gleichnamigen Kampagne vernetzt das Aktionsbündnis Berliner Kultureinrichtungen, Verbände sowie Solo-Künstler*innen und adressiert die Bedeutung der Kultur für die Stadt Berlin an die Politik. #BerlinIstKultur stellt klar: Kultur ist für Berlin „kein-nice-to-have“, sondern ihre Schwerindustrie. Ihre Vielfalt generiert und verknüpft viele Berufe der Kreativbranche und aus dem Bereich der produzierenden Gewerbe. Die kulturelle Vielfalt und die Qualität der institutionellen wie auch Freien Künste erfährt national und international große Anerkennung und dient auch der Tourismusbranche als Aushängeschild.