Bildung und Bildungspolitik sind in aller Munde. Was ist heute die Aufgabe der Schule? Das Credo der bürgerlichen Allgemeinbildung steht auf der Kippe, fertige IT-Spezialisten werden gefordert. Ist es Aufgabe der Schule, sie „heranzuzüchten“ oder sind das nur die allzu laut vorgetragenen Schlagworte profilneurotischer Politiker? Und überhaupt: Was hat das alles mit musikalischer Bildung zu tun? – Ziemlich viel: Mit der Definition von Bildung und Schulverständnis steht und fällt die Rolle der musikalischen Bildung und Ausbildung.
Bildung und Bildungspolitik sind in aller Munde. Was ist heute die Aufgabe der Schule? Das Credo der bürgerlichen Allgemeinbildung steht auf der Kippe, fertige IT-Spezialisten werden gefordert. Ist es Aufgabe der Schule, sie „heranzuzüchten“ oder sind das nur die allzu laut vorgetragenen Schlagworte profilneurotischer Politiker? Und überhaupt: Was hat das alles mit musikalischer Bildung zu tun? – Ziemlich viel: Mit der Definition von Bildung und Schulverständnis steht und fällt die Rolle der musikalischen Bildung und Ausbildung.Genau diesen Zeitpunkt der heftigen Diskussion haben der Verband deutscher Musikschulen (VdM) und der Verband deutscher Schulmusiker (VDS) gewählt, um ihre Erklärung „Gemeinsam für Musikalische Bildung“ zu veröffentlichen. Erklärtes Ziel ist es, „Perspektiven gemeinsamen Handelns zu entwickeln, um (...) den Stellenwert der Musikerziehung für die allgemeine Bildung und für eine humane Gesellschaft zu stärken.“ Schöne Worte. Doch wie schafft man es, gegen akuten Lehrermangel und Unterrichtsausfälle auf Seiten der Schulmusik und den finanzpolitischen Rotstift bei den Musikschulen anzukämpfen? Indem man den einzig sinnvollen Weg geht, vorhandene Kräfte bündelt, stärker zusammenarbeitet und so eine schlagkräftige Lobby bildet für Musik in Deutschland. In diesem Sinne sehen die beiden Verbände ihren Vorstoß als Beitrag zu der vom Deutschen Musikrat ausgerufenen Initiative „Hauptsache: Musik“.Die gemeinsame Erklärung will musikalische Bildung allgemein zwar fördern, aber keineswegs alle Ausbildungsmaßnahmen in einen Topf werfen, musikalische Ausbildungsangebote sollen ergänzend, nicht alternativ verstanden werden. Deshalb betonen VdM und VDS klar die abgegrenzten Aufgabengebiete von Schulmusik und Musikschule, um davon ausgehend eine ergänzende Zusammenarbeit anzustreben. Mögliche Kooperationsfelder werden dann im Einzelnen benannt: Gegenseitige Hilfe durch Zur-Verfügung-Stellen von Räumlichkeiten, gemeinsame Ensembles, Konzertprojekte, Öffentlichkeitsarbeit, gemeinsames Nutzen von Noten, Instrumenten und vieles mehr. Konkrete Beispiele oder Projekte finden sich jedoch keine: praktisches Handeln geschieht in Deutschlands Bildungslandschaft auf Landesebene. Die Verbände können nicht mehr tun, als ihre Mitglieder auf eine gemeinsame Perspektive „einzuschwören“ und die Wichtigkeit auf Kongressen und Tagungen betonen, ihr Handlungsarm ist amputiert.
Eine Schlüsselrolle in der musikalischen Ausbildung könnte in Zukunft die Entwicklung der Ganztagsschule sein, die in einigen Bundesländern genauso vehement angestrebt wird, wie man sie in anderen verteufelt. Sie bietet einen größeren institutionell geschützen Raum für musikalische Aktivitäten, besonders in den Nachmittagsstunden, in denen die Schüler ansonsten in alle Winde verstreut sind und nicht mehr in größeren Gruppen erreichbar sind. Für den Vorsitzenden des VDS, Hans Bäßler, ist die Ganztagsschule ein wünschenswertes Schulmodell der Zukunft. Die Rolle der Musikschule sieht er dabei vergleichbar den englischen „Community Schools“ integriert in den Schulablauf. Der Verband bayerischer Schulmusiker hingegen sieht die Musikschule durch dieses Modell an den Rand gedrängt, auf die Abendstunden und aufs Wochenende verbannt (wie übrigens bei vielen unserer europäischen Nachbarn üblich), für die Arbeitszeit der Musikschullehrer ist diese Entwicklung natürlich auch nicht sehr verlockend. Für Gerd Eicker, den Vorsitzenden des VdM, ist die Ganztagsschule nur ein mögliches Modell für die Zukunft. Die Musikschule müsse flexibel reagieren und ihre Organisationsformen bei Bedarf darauf abstimmen. Ein idealtypisches Bild der Zukunft.
Wer jedoch soll die vermehrten musikalischen Ausbildungsangebote tragen, wenn akuter Musiklehrermangel schon jetzt einen einigermaßen geregelten Musikuntericht fast unmöglich macht? Ist es eine Lösung, den Überhang an ausgebildeten Musikschullehrern an die allgemein bildenden Schulen zu schicken, um dort die Löcher zu stopfen? Angesichts der Tatsache, dass sie eine völlig anders gewichtete musikpädagogische Ausbildung genossen haben und ihre Bezahlung mehrere BAT-Gruppen unter der eines Schulmusikers liegt, sicher nicht. Jedoch ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass schulischer Musikunterricht durch einen Musikschulpädagogen sicherlich der bessere Weg ist als gar kein Musikunterricht.
Ein Dilemma. Ausweg aus der musikpädagogischen Klemme könnte eine Weiterqualifizierung für den Schulmusikunterricht sein, wie sie Hans Bäßler an der Hochschule für Musik und Theater Hannover anstrebt. Sie stößt zurzeit jedoch bei der Landesregierung noch auf taube Ohren. Die Entwicklung in Niedersachsen geht eher in die entgegengesetzte Richtung: Orchestermusiker, Musikschulpädagogen und weitere musikalisch Tätige sollen in Zukunft ohne vorherige Weiterqualifizierung an allgemein bildenden Schulen unterrichten können. Eine Katastrophe oder eine Chance? Je nach Blickwinkel wohl beides.
Wenn Musik als Unterrichtsfach an allgemein bildenden Schulen jedoch nicht ganz aus dem Lehrplan verschwinden will – was ebenso verheerende Folgen für die Schülerzahlen an Musikschulen hätte – und die Musikschulen nicht das gleiche Schicksal erleiden wollen, muss in der Zusammenarbeit der musikpädagogischen Berufsverbände vor allem eines auf der Tagesordnung stehen: So laut Krach zu schlagen und auf sich aufmerksam zu machen, bis auch der letzte Bildungspolitiker begriffen hat, dass nur ein kulturell gebildeter IT-Spezialist ein guter IT-Spezialist sein kann.
(Siehe auch sowie unser Dossier, Seiten 53 bis 56