Die Notzeichen mehren sich: München, Frankfurt am Main, Berlin ohnehin schon seit langem, schicken ihre SOS-Rufe aus. Auf die vielen kleineren Kommunen hört schon keiner mehr. Den Städten geht die finanzielle Puste aus: immer mehr vom Gesetzgeber ihnen auferlegte Verpflichtungen bilden einen krassen Gegensatz zu sinkenden Steuereinnahmen. So steigt unaufhörlich die Verschuldung und der Kommunalaufsicht, in der Regel in Gestalt des landeseigenen Innenministers, fällt nichts anderes ein, als die Gemeinden mit strengsten Auflagen zu Etatdisziplin anzuhalten.
Die Notzeichen mehren sich: München, Frankfurt am Main, Berlin ohnehin schon seit langem, schicken ihre SOS-Rufe aus. Auf die vielen kleineren Kommunen hört schon keiner mehr. Den Städten geht die finanzielle Puste aus: immer mehr vom Gesetzgeber ihnen auferlegte Verpflichtungen bilden einen krassen Gegensatz zu sinkenden Steuereinnahmen. So steigt unaufhörlich die Verschuldung und der Kommunalaufsicht, in der Regel in Gestalt des landeseigenen Innenministers, fällt nichts anderes ein, als die Gemeinden mit strengsten Auflagen zu Etatdisziplin anzuhalten. In Nordrhein-Westfalen müssen schon zwei Dutzend größere Orte der Kommunalaufsicht ihre Etatpläne einschließlich detaillierter Sparvorschläge vorlegen. In Hessen sind die fünf kreisfreien Städte praktisch unter Vormundschaft der Landesregierung gestellt, man denkt aber immerhin darüber nach, durch entsprechende Gesetzesänderungen zu erreichen, dass bei künftigen Beschlüssen der Legislative derjenige zu zahlen hat, der diese Beschlüsse erlässt. Darf man das als Zeichen für eine neue Nachdenklichkeit nehmen?Schließlich findet sich in unserem Grundgesetz, aus dem bei jeder Sonntagsrede gern feierlich zitiert wird, auch der Artikel 28, in dem den Kommunen die Selbstverwaltung einschließlich der finanziellen Selbständigkeit zugewiesen wird. Aus gutem Grund: Weil nämlich die Gründungsväter der Bundesrepublik wussten, dass der organische Aufbau einer demokratischen Ordnung am besten und sinnstiftendsten von unten nach oben erfolgen sollte. Wenn Demokratie in der kleinsten Zelle funktioniert, dann lässt sich das Prinzip auch leichter auf die größere Organisation eines Staatswesens übertragen. Das hatte sich für einige Jahrzehnte seit Gründung unserer Bundesrepublik leidlich eingespielt.
Jetzt aber scheinen Politik und Gesellschaft vom Teufel geritten zu sein. Sinkende Steuereinnahmen, steigende finanzielle Verpflichtungen – die Gründe dafür dürfen als bekannt vorausgesetzt werden – lassen die Finanzgewaltigen in Bund, Ländern und Gemeinden durchdrehen. Dass die Städte bei dem würdelosen Gerangel meist den kürzeren Hebel in Händen halten, liegt in der Natur einer Machtverteilung von oben nach unten. Als Außenstehender, der in Wirklichkeit ja keiner ist, weil auch er in irgendeiner der vielen betroffenen Gemeinden lebt, fragt man sich allmählich, warum nicht endlich eine der großen Städte oder womöglich gleich und am wirkungsvollsten der Deutsche Städtetag Verfassungsklage erhebt und die Rechte der Städte aus Artikel 28 reklamiert. Damit würde natürlich nicht das Steueraufkommen automatisch steigen, aber das Gericht könnte eine neue Verteilung des Steueraufkommens skizzieren und vor allem dem Bund eine Frist für diese Neuordnung setzen, die nicht auf den Sanktnimmerleinstag verschoben werden kann.
Die Entmündigung der Städte muss endlich gestoppt werden, nicht zuletzt deshalb, weil die obrigkeitlich verordneten rigorosen Sparmaßnahmen vor allem die Bereiche treffen, in denen sich das, was man urbanes Leben nennen könnte, konkretisiert: In den Theatern, Konzertsälen, Museen, Literaturhäusern, in den Bürgerhäusern und den vielen anderen Stätten, an denen sich die Menschen einer Stadt versammeln: um die Stadt als „ihre“ Stadt zu begreifen. In Frankfurt am Main haben das einst Walter Wallmann und Hilmar Hoffmann als Oberbürgermeister und Kulturdezernent begriffen: dass eine Stadt auch ein kulturelles Zentrum sein muss, um ihre Funktion als „Civitas“, als sinnvolle Versammlung ihrer Bürger zu erfüllen. Solche Perspektiven scheinen kommunaler Politik, sei es aus finanzieller Not, sei es, was noch schlimmer wäre, aus Uneinsichtigkeit, zunehmend abhanden gekommen zu sein. Wir sprachen neulich mit einem höheren städtischen Bediensteten (Ort und Name beliebig austauschbar), der meinte, eine Klage vor dem Verfassungsgericht würde keinen Erfolg haben, weil die Städte doch noch ein großes Sparpotenzial bei ihren freiwilligen Leistungen besäßen, speziell bei der Kultur.
Das aber ist eben das Verheerende: dass selbst in den gehobenen Köpfen der Rathausinsassen, bis hin zu den weitgehend machtlosen Kulturdezernenten, eine verwirrte Vorstellung von Sinn und Aufgabe der Kultur in einer Stadt vorherrscht. Der Titel von Fassbinders umstrittenen Frankfurt-Stück ließe sich mühelos und ohne antisemitische Applikationen auf die Kulturpolitik unserer Städte umformulieren.
Glücklicherweise gibt es noch Einzelkämpfer, wie den Oberbürgermeister der Stadt Landshut, Josef Deimer, der einmal zum Thema Musikschulen (auch eine sogenannte freiwilige Leistung) feststellte: „Eine Stadt, die auf sich hält, kann bei den Sing- und Musikschulen nicht mehr von freiwilligen Leistungen sprechen, die man gnädigerweise gibt. Eine Stadt, die etwas auf sich hält, die ein kultureller Mittelpunkt sein will, muss eine Musikschule haben.“ Das wäre sozusagen das Wort für alle Tage, nicht nur für Sonntagsreden.