Mit diesem Bericht stellen wir dar, wie die ARD die Chancen der Digitalisierung langfristig und strategisch nutzen wird, um ihren Auftrag im digitalen Zeitalter bestmöglich zu erfüllen. Wir zeigen zudem auf, welche Einsparungen wir in den kommenden beiden Beitragsperioden und darüber hinaus durch strukturelle Reformen umsetzen werden. Zugleich kommen wir mit diesem Bericht der Bitte der Regierungschefinnen und -chefs der Länder nach, zu bestimmten Reformfeldern bis September 2017 Vorschläge zu unterbreiten.
Die ARD wird sich zu einem inhaltlich crossmedialen und strukturell integrierten föderalen Medienverbund weiterentwickeln, das heißt
- Inhalte werden, wo immer möglich, medienüber- greifend recherchiert, konzipiert und produziert – auf der Ebene der Landesrundfunkanstalten und unseres Medienverbunds,
- wir kooperieren überall dort, wo wir dadurch besser und effizienter werden, und vereinheitlichen, standardisieren und synchronisieren Abläufe in Verwaltung, Technik, Produktion und Programmverbreitung,
- durch die intensivere Zusammenarbeit bei über- greifenden Aufgaben und Hintergrundprozessen bleibt den Landesrundfunkanstalten mehr Raum, ihr regionales Profil medienübergreifend zu schärfen – denn die Menschen schätzen die kulturelle Authentizität und Verankerung ihrer Landesrundfunkanstalt in der Region.
Durch diesen strukturellen Umbau werden wir nicht nur unsere Effizienz steigern, sondern wollen vor allem die größtmögliche inhaltliche Wertschöpfung für die Gesellschaft erreichen. Wir verschlanken unsere Strukturen, senken Kosten und bringen zu- gleich durch intensivere Kooperation mehr Innovationen ins Programm. Denn entscheidend für die Akzeptanz und Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind unsere programmlichen Leistungen und Angebote, mit denen wir zu Meinungsfreiheit, gesellschaftlichem Zusammenhalt und kulturellem Reichtum beitragen. So spiegeln wir unser föderales Land in seiner gesamten Vielfalt, vermitteln Identität und Heimat und fördern das kulturelle Verständnis und Miteinander.
Das geschätzte Gesamteinsparvolumen liegt bis 2028 bei rund 951 Millionen Euro. Davon entfallen auf die Programmverbreitung 363 Millionen Euro, die für den Zeitraum 2017 bis 2020 bereits in den Finanzplanungen der Landesrundfunkanstalten beziehungsweise im 20. KEF- Bericht enthalten sind. Die weiteren Einsparvolumen in Höhe von 588 Millionen Euro resultieren aus den 20 ARD-Strukturprojekten, deren Auswirkungen auch in die Finanzplanungen der Landesrundfunkanstalten für den 22. KEF-Bericht aufgenommen werden. Dies sind Netto-Beträge, bei denen notwendige Aufwendungen bereits berücksichtigt sind.
Die Schlüsselprojekte der Strukturreform sind in unserem Bericht ausführlich beschrieben: die einheitliche IT-Infrastruktur, die standardisierte Software in der Verwaltung, das crossmediale Mediendatensystem zur vereinfachten Archivierung, die (Teil-)Automatisierung bei Sendeabwicklung oder bei der Produktion von Großereignissen, die gemeinsame technische Plattform für unsere digitalen Produkte sowie der konsequente Ausbau der Crossmedialität in allen Studios und Redaktionen. Auch die Zusammenarbeit im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt wollen wir weiter voranbringen. Von unseren 20 Kooperationsprojekten sind 11 mit dem ZDF, 15 mit Deutschlandradio vorgesehen.
Zu diesen Einsparungen kommen die einmaligen und langfristigen Effekte aus dem Systemwechsel bei den Betriebsrenten, die uns vor allem bei den Rückstellungen für die Altersversorgung bis
2024 um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag entlasten. Der Tarifkompromiss bedarf noch der Zustimmung der Gremien der Gewerkschaften und der Landesrundfunkanstalten.
Es gibt jedoch auch Kostenrisiken, die von uns nicht beeinflussbar sind, aber vom Gesetzgeber verringert werden können. Sollten wir an die Kabel- netzbetreiber Einspeiseentgelte für den Transport unserer – der für ihr Geschäftsmodell wertvollen – Inhalte zahlen müssen, würden hierfür jährliche Aufwendungen im mittleren zweistelligen Millionenbetrag entstehen. Auch lange Simulcastphasen im Zuge des Umstiegs von analogen auf digitale Techniken erhöhen die Verbreitungskosten. Je früher der gemeinsame Umstieg von UKW auf DAB+ und Ausstieg aus der parallelen Satellitenverbreitung in SD und HD gelingen, desto eher können sich die Effizienzgewinne realisieren.
Maßstab und Ziel all unseres Handelns ist es stets, unseren Aufgaben verlässlich und zeitgemäß nachzukommen und die uns von der Gemeinschaft anvertrauten Mittel so effizient wie möglich einzusetzen – heute, morgen und in der Zukunft.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland gehört zum Wesen unserer Demokratie und zu unserer Geschichte. Sein Beitrag zur freien Meinungsbildung ist auch heute unverzichtbar für unser politisches, gesellschaftliches und kulturelles Miteinander. Denn der Bedarf nach freiem Zugang aller Menschen zu verlässlicher und unabhängiger Information hat sich im digitalen Zeitalter nicht überholt, sondern verstärkt: Die Erwartung, dass die Kommunikation über Social Media und das sogenannte offene Netz für einen gleichberechtigten gesellschaftlichen Diskurs sorgen, erweist sich zunehmend als Trugschluss. Geschlossene und selbstreferentielle Kommunikationsräume im Internet tragen zur Fragmentierung der Gesellschaft bei. Die neue mediale Durchlässigkeit verstärkt die intransparente und schnelle Verbreitung von fehlerhafter oder interessengeleiteter Information. Dies erweist sich immer mehr als Problem für die demokratische Meinungsbildung und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Denn auch in der digitalen vernetzten Gesellschaft stellt sich – trotz oder gerade wegen unzähliger neuer Kommunikationswege – die für eine Demokratie notwendige Gesamtöffentlichkeit nicht von alleine her.
Daher braucht es heute mehr denn je eine gemeinwohlorientierte Institution wie die ARD, die alle Menschen frei zugänglich auf allen relevanten Wegen mit einem publizistischen Gesamtangebot versorgt, auf das sie vertrauen können und das Orientierung bietet.
Die Bürgerinnen und Bürger schaffen mit ihrer solidarischen Finanzierung die maßgebliche Grundlage, dass unsere Journalistinnen und Journalisten politisch und wirtschaftlich unabhängig arbeiten. Wir begleiten die Menschen durch ihren Tag mit unseren Radio-, Fernseh- und Online-Angeboten. Wir liefern verlässlich relevante Information und bieten Wissen, Bildung und Unterhaltung, ohne kommerziellen Interessen und Zwängen zu unterliegen.
Als ARD sind wir aufgrund unserer multimedialen und föderalen Struktur in besonderem Maße in der Lage, die Menschen in ganz Deutschland über alle sozialen und kulturellen Unterschiede hinweg zu verbinden und so einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs auf einer gemeinsamen Basis herzustellen. Wir bringen technische und programmliche Innovationen im Interesse der Allgemeinheit voran, investieren in neue Produkte und befördern digitale Kompetenz. Zugleich halten wir die deutsche Produzenten- und Kreativlandschaft stark und lebendig, stärken mit eigenen Angeboten den kulturellen Reichtum unseres Landes und sorgen mit unseren Archiven für die Wahrung des kulturellen Erbes.
Um diesem Anspruch bestmöglich gerecht werden zu können, sind wir auf adäquate gesetzgeberische Rahmenbedingungen angewiesen. Insbesondere müssen auch wir die Möglichkeiten, die das Netz bietet, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nutzen dürfen, um auf die ungebrochene Dynamik der Digitalisierung reagieren zu können.
Unser langfristig angelegter Strukturreformprozess erfordert zudem das Denken und Agieren in längeren Perioden. Daher schlagen wir vor, das bisherige Verfahren zur Ermittlung des Finanzbedarfs um längerfristige Planungsperspektiven, einen Entwicklungsplan und Fortschrittsbericht zu ergänzen. So ist gegenüber Gremien, KEF, Medienpolitik und Öffentlichkeit höchste Transparenz über den Fort- gang unseres Reformprozesses gewährleistet.
Wir begrüßen, dass die Regierungschefinnen und -chefs der Länder die zeitgemäße Gestaltung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eine Weiterentwicklung des Verfahrens zur Ermittlung des Finanzbedarfs auf ihre Agenda gesetzt haben. Gemeinsam haben wir die Chance, den Wert eines freien und unabhängigen öffentlich- rechtlichen Rundfunks auch für künftige Generationen zu bewahren und zeitgemäß fortzuentwickeln. Als ARD leisten wir hierzu unseren Beitrag.
Siehe dazu auch:
Neuer Rundfunk in der Sackgasse?
Die ARD muss sich reformieren, sonst tut es die Politik · Von Andreas Kolb