Die Stadt Hamburg hat mehrfach die Warnungen von Experten vor millionenschweren finanziellen Risiken beim Bau der Elbphilharmonie ignoriert. Vor allem bei der Nachtragsbewilligung von Mehrkosten für den Bau hatten Planer vor übereilten Schritten gewarnt. So hatte die Arbeitsgemeinschaft Generalplaner Elbphilharmonie (Arge GP) schon im November 2008 der stadteigenen Realisierungsgesellschaft (ReGe) dringend von einer vorschnellen Unterschrift bei der Neuordnung des Großprojektes abgeraten.
Das geht aus internen Papieren im Zusammenhang mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zur Elbphilharmonie hervor, die der Nachrichtenagentur ddp vorliegen. Die Experten hatten darin detaillierte Gründe genannt, die «die mit der Neuordnung bezweckte Termin- und Kostensicherheit gefährden» könnten.
Hintergrund war Ende 2008 der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Bauunternehmen Hochtief, die das Prestigeprojekt Elbphilharmonie
wegen der immensen Kostenexplosionen neu ordnen sollte. Mit der Vereinbarung hatte die Stadt vermeiden wollen, dass Hochtief mit
fortschreitendem Bau immer neue Mängel und Kosten in Rechnung stellen könnte. Dazu hatte die ReGe mit Hochtief einen Nachtrag von mehr als
130 Millionen Euro vereinbart. Ursprünglich hatte Hochtief sogar mehr als 200 Millionen Euro gefordert.
Etwa 100 Millionen Euro der Nachtragssumme waren mit Projekten untersetzt. Die restlichen 30 Millionen Euro waren als Zuschlag vorgesehen, mit dem sämtliche unvorhergesehenen weiteren Forderungen von Hochtief in Zukunft pauschal abgegolten werden sollten. Hierfür, so die Warnung der Experten im November 2008, habe allerdings bis zur Unterschrift unter den Nachtrag noch keine Planungs- und Kostensicherheit bestanden. Somit bestehe die Gefahr weiterer finanzieller Risiken in noch ungeahnten Ausmaßen.
Bei ihren Bedenken hatte die Arge GP unter anderem angeführt, dass der Zeitrahmen für die nötigen Ergänzungs- und Nachtragsvereinbarungen zu eng gesteckt sei. Wesentlicher Bestandteil dieser Vereinbarungen war auch ein den neuen Bedingungen angepasstes Bausoll, das als Maßstab für Planungs- und Bauausführungstermine wie auch für die zusätzlichen Vergütungen an die Baufirma gedacht war.
Die dafür nötigen Sicherheiten könnten jedoch aufgrund des knappen Zeitplans bis zur Vertragsunterschrift nicht geschaffen werden, mahnten die Experten noch vor Vertragsabschluss am 26. November 2008 bereits am 10. und 19. November gleich mehrfach in Schreiben an die ReGe. Das zu vereinbarende Bausoll könne somit wieder nur eine «Teillösung» werden. Der Entwurf zur Neuordnung des Projekts leide «an einem grundsätzlichen 'Webfehler'», seine Ziele würden «nicht in ausreichendem Maße sichergestellt».
Die Planer kritisierten außerdem, dass die ReGe «den ursprünglich auf mindesten vier Wochen angelegten Abstimmungsprozess» selbst «extrem verkürzt» habe. Unter anderem verwiesen sie darauf, dass die Klärung von Problemen der Statik, der Lagerung des Konzertsaals, der Dichtigkeit vor Schlagregen oder bei Änderungen bestimmter Einbauten Voraussetzung seien, «um Termin- und Kostensicherheit verlässlich herzustellen». Dies würde aber «noch einige Wochen beanspruchen». Die Experten befürchteten sonst «erhebliche Nachteile» und warnten: «Ein übereilter Abschluss des Neuordnungsprozesses nützt niemandem.»
Die SPD hatte am vergangenen Mittwoch kritisiert, dass es trotz mittlerweile vier bewilligter Nachträge über Mehrkosten von insgesamt 247 Millionen Euro nach wie vor keine Kostensicherheit für die Stadt gebe. Eine Kleine Anfrage habe ergeben, dass Hochtief 121 Baubehinderungsanzeigen und 366 Mehrkostenanmeldungen geltend mache. Die 30 Millionen Euro einer sogenannten Einigungssumme aus 2008 hätten nicht den vom Senat erhofften Effekt einer Generalbereinigung erbracht. Es werde immer deutlicher, dass es falsch gewesen sei, sich 2008 ohne vertraglich vorgesehenes Schiedsgutachten zu einigen.
Ein Sprecher der Kulturbehörde bestätigte am Freitag auf Anfrage, es sei Ende 2008 «tatsächlich so gewesen, dass der Generalplaner gewünscht hatte, noch länger zu planen». Er fügte hinzu: «Aber dann haben doch alle Beteiligten unterschrieben.»
Dies ist nicht der einzige Fall, in dem die Stadt Warnungen der Planer in den Wind schlug. So hatte die Arge GP die ReGe bereits bei der Ausschreibung des Mammutprojektes 2006 vor einer übereilten Vergabe des Auftrages gewarnt und eine Verschiebung der Auftragsvergabe gefordert. Auf eine Kleine Anfrage der SPD vom 25. Mai 2010 räumte der Senat ein, dass die ReGe damals diese Bedenken verwarf, sich aber weder der Aufsichtsrat der ReGe noch der Senat
oder eine zuständige Behörde um die Angelegenheit kümmerten.