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Koch beeinflusste schon vor dem Fall Brender ZDF-Personalien

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Der Deutsche Kulturrat macht sich Sorgen um die Unabhängigkeit des öffentlich rechlichen Rundfunks. Roland Kochs ZDF-Attacke schade ihm genauso wie der Pressefreiheit. Der Fall Brender ist jedoch nicht die erste Einflussnahme des hessischen Ministerpräsidenten auf Personalentscheidungen im ZDF.

Berlin - Roland Koch stürmt mit hochrotem Kopf aus dem Saal. Gerade hat der ZDF-Verwaltungsrat die Personalie des neuen Programmdirektors verabschiedet. Der hessische CDU-Ministerpräsident hat sie mit entschieden - im Sinne der Union, die in dem nach parteipolitischem Proporz besetzten Gremium eine strukturelle Mehrheit hat. Eigentlich könnte er zufrieden sein: Denn bei der Abstimmung ist der Kandidat, der auch von Koch der SPD zugerechnet wird, durchgefallen. Der Wunschkandidat der Union bekommt den Posten, doch Koch schäumt vor Wut.

Zwei Journalisten wollen ihn kurz befragen, keine Kameras, keine Mikrofone sind dabei: Da platzt es aus dem CDU-Politiker heraus: «Es war vom ersten Tag an klar, dass Janke es nicht wird!», brüllt er einem der Journalisten im Treppenhaus des ZDF-Hauptstadtstudios in dessen Notizblock. Es ist der 8. November 2002, ein Lehrstück über die Parteien und deren Anspruch auf Einflussnahme in den Medien. Am 27. März 2009 nun will die Union im ZDF-Verwaltungsrat eine gewichtigere Personalie bestimmen: Sie will die Vertragsverlängerung des Chefredakteurs Nikolaus Brender verhindern.

Uwe Kammann, Direktor des Adolf Grimme Instituts in Marl, ist alarmiert: «Dies ist ein massiver und unzulässiger Versuch der Beeinflussung. Er geht weit über das hinaus, was dem ZDF-Verwaltungsrat zusteht, nämlich im Einvernehmen mit dem Intendanten über die Direktoren und den Chefredakteur des Senders zu entscheiden», sagt er im ddp-Gespräch. Koch ist stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates, der Vorsitzende ist der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der sich klar für Brender ausgesprochen hat.

Beck ist empört, die Argumente gegen Brender seien «vorgeschoben», sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk. Die Union wünsche sich ein «genehmeres Verhalten von einem Chefredakteur», als man es von Brender gewohnt sei. Beck zeigt gar mit dem Finger Richtung Kanzleramt, fordert, dass Angela Merkel (CDU) ihren Parteifreund Koch zurückpfeifen solle.

Der «Spiegel» berichtet unterdessen, dass sich angeblich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) in den Streit eingeschaltet hat. Im ZDF-Verwaltungsrat sitzt auch der Merkel-Vertraute und Ex-CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann. Koch hatte In der «FAZ» kritisiert, dass die Quoten der Nachrichtensendungen «heute» und «heute journal» mit Brender, der seit 2000 Chefredakteur ist, deutlich gesunken seien.

Kammann, dessen Grimme-Institut auch die Preise für herausragende journalistische Leistungen vergibt, hält das für vorgeschoben: Die Kritik an Brender sei «an dieser Stelle doppelt falsch. Zum einen gehört die Programmdiskussion und -kritik in den Fernsehrat, nicht in den Verwaltungsrat. Zudem ist die Argumentation allein mit der Quote als Erfolgsmesser kontraproduktiv. Es muss zuerst um die Qualität der Nachrichtensendungen gehen - und deren Auswirkung auf die Quote ist vielschichtig», sagt Kammann.

Der Medienfachmann spricht Klartext: «Es scheint vor allem ein vordergründiger Versuch der Einschüchterung zu sein. Er zeigt den Machtanspruch von Parteien, über Proporzregelungen in die Personalentscheidungen von Sendern einzugreifen. Und genehmes Verhalten zu erzeugen.» Das sei auch im Fall Janke nicht anders gewesen. Hans Janke, damals und auch heute der stellvertretende Programmdirektor und ZDF-Fernsehspielleiter, fiel als Nachfolger von Programmdirektor Markus Schächter durch, der inzwischen zum Intendanten aufgestiegen war. Obwohl Schächter im Verwaltungsrat Janke als Nachfolger vorgeschlagen hatte. Koch und die anderen Unions-Politiker argumentierten, Janke, der kein Parteibuch hat, sei «zu links». Der von der Union favorisierte Leiter der ZDF-Hauptredaktion Innenpolitik, Thomas Bellut, bekam den Posten.

Manche sagen, Bellut sei aus Sicht der Union journalistisch bequemer. Den ZDF-Chefredakteur Brender hält die Union offenbar für zu unbequem. Beim Mainzer Sender sorgt gerade Brender laut «Spiegel Online» für Unabhängigkeit. Er soll im Fernsehrat sogar damit gedroht haben, dass Beschwerden von Politikern und Lobbyisten beim Sender immer schriftlich vorgetragen werden, um diese gegebenenfalls im Internet zu veröffentlichen. Dem Vernehmen nach soll die Zahl der Beschwerden daraufhin deutlich abgenommen haben.

Brender wurde einem Millionenpublikum bekannt, als er in der Live-Diskussionsrunde mit den Spitzenpolitikern der Parteien am Abend der Bundestagswahl vom 18. September 2005 den abgewählten SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder zurechtwies, nachdem dieser den Medien vorwarf, gegen ihn gearbeitet zu haben.

Das Argument, Brender oder Janke seien angeblich zu links, scheint nicht zu greifen: «Auch Hans Janke wurde leichtfertig und falsch das Etikett angeheftet, einer politischen Richtung - der SPD - anzuhängen», sagt Kammann. Auch die SPD-Medienexpertin Monika Griefahn hält das für Unfug. Brender ginge «auch mit der SPD nicht immer zimperlich um», sagte sie. Sie warnt, wenn sich letztendlich erweisen sollte, «dass Politik in den Gremien des ZDF Entscheidungen tatsächlich dominieren kann, dann sollten andere gesellschaftlichen Gruppen künftig in der Besetzung stärker berücksichtigt werden», sagte sie auf ddp-Anfage.

Kammann vermutet auch viel Ego aus Wiesbaden im Spiel: «Koch besitzt offenkundig einen hohen persönlichen Ehrgeiz, solche Personalien nach seinem Gusto besetzt sehen zu wollen.» Im «FAZ»-Interview hatte Koch gesagt: «Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage.» Als er damals die Wahl des neuen Programmdirektors mit entschied, bellte er einen der Journalisten im Berliner ZDF-Büro noch zu: «Das hat nichts mit Jankes Qualifikation zu tun.»
 

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