Die Ankündigung des ersten Kulturpolitischen Bundeskongresses, mit dem die in Bonn ansässige Kulturpolitische Gesellschaft e.V. – in Verbindung mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Berliner Akademie der Künste – ihr 25-jähriges Jubiläum beging, hatte eine derart große Resonanz bei Künstlern, (Kultur-)Politikern, Kulturmanagern, Wissenschaftlern und Kulturredakteuren aller Medien, dass die Kapazität von 400 Teilnehmern nicht nur ausgeschöpft wurde, sondern zahlreiche weitere Anfragen abschlägig beschieden werden mussten. Eine Dokumentation soll noch vor Jahresende erscheinen und die nächste Tagung bereits in zwei Jahren stattfinden.
Die Ankündigung des ersten Kulturpolitischen Bundeskongresses, mit dem die in Bonn ansässige Kulturpolitische Gesellschaft e.V. – in Verbindung mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Berliner Akademie der Künste – ihr 25-jähriges Jubiläum beging, hatte eine derart große Resonanz bei Künstlern, (Kultur-)Politikern, Kulturmanagern, Wissenschaftlern und Kulturredakteuren aller Medien, dass die Kapazität von 400 Teilnehmern nicht nur ausgeschöpft wurde, sondern zahlreiche weitere Anfragen abschlägig beschieden werden mussten. Eine Dokumentation soll noch vor Jahresende erscheinen und die nächste Tagung bereits in zwei Jahren stattfinden.Die Kunst gehört ins Zentrum der Kulturpolitik.“ Diese scheinbar lapidare Feststellung traf Oliver Scheytt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft und ansons-ten Kulturdezernent der Stadt Essen, in seiner Eröffnungsrede des Bundeskongresses unter dem Motto „kunst. macht.kulturpolitik“, der am 7./8. Juni in Berlin stattfand, und sie schimmerte leitmotivisch durch viele Referate, Podiums- und Diskussionsbeiträge der Tagung hindurch. Es sind, genau genommen, zwei Aspekte von Kunst, die damit ins Visier genommen werden: Kunst sollte sich immer sowohl als das Außerordentliche wie auch als etwas Lebendiges und damit immer Neues definieren.Scheytt warnte davor, dass Kulturpolitik sich, zumal unter dem Druck leerer Kassen, „auf die Bestandspflege der kulturellen Infrastruktur“ reduziere. Jens Jessen, Feuilletonchef der „Zeit“, nannte das die „einseitige Förderung alter Kamellen“, und Christoph Stölzl (CDU), der gerade erfahren hatte, dass die ihm verbleibenden Tage als Berliner Kultursenator an den Fingern abzuzählen waren, erläuterte: Solange „traditionelle Kultureinrichtungen immer weiter zuerst gefördert“ würden, könne all das, was sich nicht in diesen Rahmen fügt, lediglich mit kleinen Restbeträgen bedacht werden. Dabei, so Stölzl, höhlen Tarifverträge, etwa für Orchestermusiker, „die Kunst wie Termiten von innen her aus“. Da aber auch die Off-Kultur auf Staatsknete angewiesen sei, würde er dafür plädieren, wenigstens zehn Prozent des Kulturetats frei, nämlich projektbezogen auf Antrag, zu vergeben.
Die „Unstetigkeit der Subventionierung“ sollte vergrößert werden, meinte Stölzl, und seine Hamburger Kollegin Christina Weiss (SPD) stieß in eben dieses Horn: Die Mittelverteilung in der Kultur erfordere erheblichen Mut; gerade der Mut zu Neuem sei unendlich wichtig, wenn auch das Neue sich im richtigen Verhältnis mit dem Bewährten mischen müsse. Zuvor hatte bereits Gerard Mortier, Noch-Intendant der Salzburger Festspiele und bereits auf dem Wege ins Ruhrgebiet, in seinem „thematischen Aufriss“ sein Credo in ganz ähnlichen Worten geäußert: Das kulturelle Erbe muss immer wieder „gebrochen“, nämlich neu und anders dargestellt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ein Kulturbetrieb, der lediglich routiniert die Nachfrage der verbliebenen Abonnenten bedient, ist eben keine Kunst.
„Die Subventionierung der Künste ist keine Quantitätenfrage“, auf diesen Punkt brachte es Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender der VIVA Media AG, und plädierte für eine striktere Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips: Auf dem Markt der Künste sollte aus öffentlichen Mitteln „nur gefördert werden, was sich nicht schon selbst verkauft“. Damit war im Forum „Neues Publikum für die Kunst...– nach dem Zerfall des Bildungsbürgertums“ auch die Frage nach der Rezeption, nach dem Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber dem Angebot angerissen, eigentlich auch die Frage nach der Vermittlung von Kunst im Sozialisationsprozess – nicht als traditionelles Bildungsgut, sondern als Lebensprinzip und Element der Persönlichkeitsbildung. „Die Kulturschaffenden selbst müssen bei den Jugendlichen die Neugierde wecken, ihnen die Bedeutung von Kunst vermitteln“, meinte dazu Christina Weiss. Im Übrigen aber blieb die wichtige Frage nach dem neuen Publikum weit gehend unbeantwortet; vielleicht bedürfte es für ihre Erörterung auch einiger anderer Experten.
Beinahe zeitgleich, aber nicht im Rahmen dieses Kongresses, hatte Reinhold Brinkmann, Musikwissenschaftler und frisch gekürter Siemens-Musikpreisträger, in einem Aufsatz („Schwanengesang“, im Berliner „Tagesspiegel“, vom 2. Juni 01) aus dem Trend der von ihm beobachteten „Müdigkeit des Publikums angesichts eines ständig schrumpfenden Repertoires“ gefolgert, die klassische Musik werde „im 21. Jahrhundert verschwinden“. Selbst wenn man seiner Analyse der Entwicklung in vielen Punkten nicht folgen kann, so macht auch er zu Recht darauf aufmerksam, dass die Verantwortung für die Lebendigerhaltung und ständige Erneuerung des Kunstbetriebs, besser: des Künstlerischen in der Gesellschaft, keineswegs nur bei denen liegt, die für die Finanzierung zu sorgen haben, sondern in erster Linie bei den Künstlern selbst sowie bei denen, die Kunst in unterschiedliche gesellschaftliche Sphären transportieren sollen. Künstlerisches zu vermitteln heißt, andere mit dem Bazillus der Begeisterung für das So-noch-nie-Dagewesene zu infizieren, sei es als Rezipienten oder als Ausübende.
Wer die vom Deutschen Musikrat und einigen seiner Mitgliedsverbände veranstalteten Wettbewerbe ”Jugend musiziert“ erlebt hat, der hat immer wieder beobachten können, wie Kinder und Jugendliche, sofern sie von guten Lehrern geführt werden, die magische Linie zum Künstlerischen hin überschreiten, wie sie, solo oder im Ensemble und nahezu unabhängig von ihrer Altersstufe, in ihrer konzent- rierten Leistung plötzlich abheben in eine Erlebnis- und Erfahrungswelt, in der die üblichen Normen materiell zielgerichteten Lernens oder spaßorientierten Freizeitverhaltens gleichermaßen obsolet erscheinen, weil dort andere Maßstäbe gelten.
Vom diesjährigen Bundeswettbewerb ”Jugend musiziert“ in Hamburg hatte man unmittelbar Anschluss an den Kulturpolitischen Bundeskongress in Berlin, terminlich ebenso wie inhaltlich. Bundespräsident Johannes Rau hatte im vergangenen Jahr beim Bundeswettbewerb in Berlin geäußert, Kunst und Kultur seien „nicht wie Sahne auf dem Kuchen, die man dazu nimmt, wenn es einem gut geht, sondern ... die Hefe im Teig.“ Den Teilnehmern am Kulturpolitischen Kongress schrieb er bei einem Empfang im Schloss Bellevue ins Stammbuch: „Wir brauchen einen Zugang zum Erbe, wir brauchen einen Zugang zum Neuen und wir brauchen, drittens, einen Zugang zu Fremdem.“ Man möchte auch diesem Satz des Bundespräsidenten freudig zustimmen, nur mag er ungewollt euphemistisch sein: Für allzu viele Zeitgenossen fällt das kulturelle Erbe wie das künstlerisch Neue ohnehin mit dem Fremden zusammen, zumal dann, wenn es nicht gleich vordergründig „Fun“ macht.
Mit Kunst das Außergewöhnliche fordern und fördern – aber zugleich auch eine Öffentlichkeit herstellen, die das Außergewöhnliche sucht und ihm die Sinne öffnet, das wäre wohl ein Fazit beider Veranstaltungen und die gemeinsame Forderung an alle, die „Kunst, Macht, Kulturpolitik“ ausüben, gestalten und miteinander in Beziehung setzen.
Kultur kann ein Zugang zu Fremden sein
Durch Kunst und Kultur finden wir zu unserer Identität und durch sie verstehen wir uns selber besser. Kultur ist immer schon Begegnung, Dialog, Austausch, wechselseitige Befruchtung, Vermischung gewesen.
Wenn wir heute allerdings vom Dialog der Kulturen reden – nicht nur im internationalen Maßstab, sondern auch im eigenen Land – dann meinen wir etwas anderes als die bloße Übernahme fremder Stilelemente. Wir meinen damit den wirklichen Austausch mit Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, von denen viele inzwischen schon seit Jahrzehnten bei uns leben.
Natürlich können Kulturen keine Dialoge führen. Das können nur Menschen. Wir meinen eine echte Begegnung mit all dem, was den anderen bestimmt, was ihn ausmacht, was seine Hoffnungen und Sehnsüchte, was seine Angst und seine Ehrfurcht ausdrückt.
Als die „Kulturpolitische Gesellschaft“ vor 25 Jahren gegründet wurde, hat kaum einer geahnt, wie notwendig ein solcher Dialog der Kulturen eines Tages werden würde. Ich glaube, dass es zu den ganz wichtigen kulturpolitischen Aufgaben gehört, diesen Dialog vor Ort, mit all den Initiativen, die es überall gibt, zu führen.
Auszüge aus dem Grußwort von Bundespräsident Johannes RauZur Bundeskulturstiftung
Wir haben uns schon in den 70er-Jahren für die Idee der Nationalstiftung von Günter Grass und Willy Brandt eingesetzt. Der Bund braucht ein Instrument aktiver Kulturförderugn, das im Einvernehmen mit der Kulturstiftung der Länder eingesetzt werden kann. Der Akzent, die zeitgenössischen Künste zu unterstützen, unabhängig von regionalen und sonstigen Proporzfragen, kommt zur richtigen Zeit. Als wir vor zwei Jahren mit der Planung für diesen Kongress begonnen haben, hätten wir es nicht für möglich gehalten, wie aktuell unser Thema heute sein würde.
Aus der Eröffnungsrede von Oliver Scheytt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft