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Offene Antworten der GEMA auf einen offenen Brief der IFPI

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Die Überlegungen der Tonträgerindustrie, ihre Umsatzeinbrüche wenigstens teilweise durch drastische prozentuale Reduktion der Autorenvergütung zu kompensieren, hat die folgende Stellungnahme von GEMA-Generaldirektor Reinhold Kreile evoziert. Wir dokumentieren:

  1. Die dramatischen Umsatzverluste der Tonträgerindustrie in Höhe
    von 40 % - die der deutsche IFPI-Präsident Gebhardt beklagt - beklagen
    auch die Komponisten, Textdichter und deren Verleger. Sie sind, so will
    es das Urheberrecht, am Umsatz beteiligt. Der Umsatzeinbruch der
    Schallplattenindustrie von 40 % führt bei den musikalischen Schöpfern
    zum gleichen Einbruch.

    Wenn nunmehr die Industrie ihre Verluste auf dem Rücken der Urheber
    wettmachen will, indem sie von dem verbleibenden Umsatz statt der seit
    einem Jahrzehnt gezahlten Vergütung von 9,009 % vom Händlerabgabepreis
    nur noch 5,6 % zahlen will, dann verkennt sie nachhaltig den Wert des
    geistigen Eigentums. Sie erstickt damit jede musikalische
    Schöpferkraft. Deswegen hat die GEMA in allen nationalen und
    internationalen Verhandlungen der vergangenen Jahre gegen die
    Reduzierung des prozentualen Tarifs gekämpft.

    Der deutsche Urheberrechtsgesetzgeber - wie der jedes anderen
    zivilisierten Landes - verlangt, dass die Vergütung für den Schöpfer
    des Werkes, sein Lohn, "angemessen" sein soll. Seit jeher liegt die
    Angemessenheit bei ca. 10 %. Die schwierige Situation der
    Musikindustrie ist also bei dem Tarifsatz von 9,009 % schon genügend
    berücksichtigt. Wenn aber nun die Tonträgerindustrie, insbesondere also
    die 5 großen sogenannten Major-Industriehersteller (Universal, Warner,
    Sony, EMI und BMG) nur noch etwas mehr als die Hälfte der bisher
    angemessenen Tantiemen zahlen wollen, dann ist dies "Lohndrückerei".
    Dieser krasse Ausdruck aus der Frühzeit des Kapitalismus trifft jetzt
    den Sachverhalt genau. Die 5 Majors, das kapitalmächtige Oligopol der
    Tonträgerhersteller, wollen sich zu Lasten der Autoren sanieren. Die
    IFPI-Tonträgerhersteller wollen nicht - und behaupten dies nicht einmal
    - die CDs billiger machen: sie wollen nur ihre Kosten senken, und einen
    höheren eigenen Ertrag erwirtschaften. Sie wollen den Lohn des Autors
    drücken, ihre Gewinnspanne erhöhen.

  2. Dies wird keinen Erfolg haben. Die deutschen Gerichte werden einer solchen Enteignung nicht folgen.

    So haben der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht München
    erst kürzlich den Versuch der Major-Schallplattenhersteller
    zurückgewiesen, die Tarifhöhe von 9,009 % dadurch zu reduzieren, dass
    für sogenenannte medienbeworbene Tonträger ein Abschlag von 12 %
    gemacht wird. Die Gerichte haben der GEMA hier Recht gegeben und
    deutlich gemacht: Sache der Hersteller ist die Herstellung und der
    Vertrieb, Sache des musikalischen Schöpfers ist die Schöpfung des
    Werkes gegen eine angemessene Beteiligung am Umsatz. Diese Urteile
    haben die Majorunternehmen geschmerzt - und damit ist die Überreaktion
    dieser neuen Attacke zu erklären -, sie sind aber rechtskräftig und
    richtig.

  3. Keinen Erfolg werden die Tonträgermajors, die maßgeblichen Träger
    der deutschen und der internationalen IFPI, mit ihrer ausgeklügelten
    Schikane haben, den Urhebern (über die GEMA) nur etwa die Hälfte der
    bisherigen Vergütung zu zahlen, die andere Hälfte beim Gericht bis zur
    endgültigen Gerichtsentscheidung - also auf lange Jahre - zu
    hinterlegen. Mit dieser Hinterlegung sollen die Urheber und deren
    Verleger finanziell sofort in die Knie gezwungen werden.

    In der Tat sind die Auswirkungen solcher wohl und schlecht
    gedachten Auslegungspraktiken gravierend. Diese Hinterlegung hilft zwar
    der sich als Not leidend darstellenden Tonträgerindustrie nicht selbst,
    denn sie muss zunächst den vollen Tarif vom Händlerabgabepreis zahlen.
    Aber bei den Urhebern und deren Verlegern fehlen dann eben die 40 %;
    sie liegen auf Hinterlegungskonten. Dies können jährlich über 40 Mio.
    Euro sein, die die GEMA ihren Rechteinhabern nicht ausschütten kann.

    Für die Verleger, die zum gleichen Konzern wie die
    Tonträgerhersteller gehören - also für die Konzerne Universal, EMI,
    Warner, Sony und BMG - mag wohl zunächst ein innerkonzernmäßiger
    Ausgleich gefunden werden.

    Aber für die unabhängigen Verlage, ebenso wie für alle Komponisten,
    ist diese Hinterlegungsaktion eine Existenz bedrohende Schikane.
    Sollen, wie man von Beteiligten aus dem IFPI-Bereich hört, die
    unabhängigen Verlage so in solche finanzielle Bedrängnis gebracht
    werden, dass sie dann nur noch von den IFPI-Konzerverlagen "gerettet",
    nämlich übernommen werden können?

  4. Die derzeitige Lizenzhöhe von 9,009 % vom Händlerabgabepreis, die
    der IFPI-Präsident ohne jeden nachvollziehbaren Grund für nicht mehr
    realistisch hält, ist genau dies: der Tarif ist realistisch. Er ist von
    beiden Seiten als Prozentsatz vereinbart worden, er gilt für positive
    wie für negative Umsatzentwicklungen. Die Urheber haben in den
    vergangenen 20 Jahren immer wieder Verständnis für die
    Tonträgerindustrie aufgebracht. Sie haben einvernehmlich mit der
    Tonträgerindustrie den ursprünglichen Tarifsatz von 11 % auf dann etwas
    über 9,009 % in mehreren Schritten abgesenkt. Doch mit Absenkungen ist
    jetzt Schluss. Weitere Absenkungen widersprächen dem Wert der
    musikalischen Schöpfung. Der Lohn des Urhebers muss gerecht bleiben.
    Keiner der IFPI-Verhandlungsführer wäre mit einer Absenkung seines
    Lohnes um 40 % einverstanden. Mit welcher inneren Berechtigung muten
    sie dies aber nunmehr den Urhebern zu? Nein, die Grenze der
    Zumutbarkeit für die von der IFPI angestrebte Tarif- und Lohnabsenkung
    ist erreicht.

  5. Auch der Versuch des IFPI-Präsidenten, einen Keil zwischen deutsche
    und ausländische, insbesondere anglo-amerikanische, Autoren zu treiben,
    ist zum Scheitern verurteilt. Wieso soll die Existenz des nationalen
    deutschen Repertoires in Zukunft durch eine geringere Vergütung
    gesichert werden? Die anglo-amerikanischen Urheber und deren
    Rechteinhaber - sofern sie nicht von IFPI-Konzerunternehmen vertreten
    werden - wenden sich mit gleicher Intensität gegen den Ausverkauf ihrer
    Rechte.

  6. Doch die IFPI will - wie sie ungeschützt deutlich macht - nicht nur
    für die CD-Produktion den Lizenzlohnraub praktizieren, sondern auch bei
    den Vergütungen für die neuen Vertriebssysteme der Zukunft. In der Tat
    geht es bei der jetzigen Tarifauseinandersetzung - wie der
    IFPI-Präsident nur zu deutlich macht - um die Benachteiligung der
    Autoren in der digitalen Zukunft. Dort soll die "angemessene" Vergütung
    für die neuen Vertriebswege schon frühzeitig gedrückt werden. Doch auch
    hier gilt der in allen Rechtsordnungen Europas ausgeprägte Grundsatz,
    dass die Angemessenheit der Vergütung für das schöpferische Werk bei
    etwa 10 % des Preises liegt, den der Endnutzer dafür zahlt.

  7. Die GEMA hat den von der IFPI geforderten "guten Willen", auf dieser
    Basis eine angemessene Vergütung, wie das Gesetz es vorschreibt, mit
    der IFPI zu vereinbaren. Aber nach Canossa - dies historische Bild wird
    doch wohl verstanden - gehen die Urheber nicht.

Prof. Dr. Reinhold Kreile
Vorsitzender des Vorstands der GEMA
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