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Berlin - Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlicht heute zum sechsten Mal die Rangliste der Pressefreiheit. Sie vergleicht die Lage der Medienfreiheit in 169 Ländern. Schlusslichter sind nach wie vor Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. An der Spitze stehen auch in diesem Jahr mit Island, Norwegen und Estland nordeuropäische Länder. Deutschland ist auf Rang 20.
Länder wie Malaysia (124.), Ägypten (146.) und Vietnam (162.) haben die Zensur des Internets verschärft und sind abgerutscht."Die Lage in Eritrea ist desaströs. Private Medien existieren nicht mehr und die wenigen Journalisten, die es wagen, das Regime Issaias Afeworkis zu kritisieren, landen im Gefängnis. Mindestens vier von ihnen sind bereits in der Haft gestorben. Wegen weiterer Festnahmen steht Eritrea nun ganz am Ende der Liste", so ROG.
Die 14 bestplatzierten Länder liegen in Europa. Die unteren 20 Ränge belegen sieben asiatische Länder (Pakistan, Sri Lanka, Laos, Vietnam, China, Birma/Myanmar und Nordkorea), fünf afrikanische Staaten (Äthiopien, Äquatorial Guinea, Libyen, Somalia und Eritrea), vier aus dem Nahen Osten (Syrien, Irak, Palästinensische Gebiete und Iran), drei GUS-Staaten (Weißrussland, Usbekistan und Turkmenistan) sowie Kuba.
"In Birma/Myanmar (164.) hat das Vorgehen der Militärs gegen Demonstranten in den vergangenen Wochen erneut gezeigt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in dem Land nicht existiert. Bedauerlich ist auch, dass China (163.) noch immer ganz unten steht. Weniger als ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Peking ist es fraglich, ob die so oft versprochenen Reformen umgesetzt und inhaftierte Journalisten freigelassen werden", so ROG.
G8-Staaten: Mit Ausnahme von Russland leicht verbessert
Nur zwei G8-Staaten sind unter den ersten 20 der Rangliste: Kanada (18.) und Deutschland (20.). An der Lage in Deutschland hat sich wenig verändert. Erneute Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat, gesetzliche Regelungen und Vorschläge, die den Quellenschutz aushöhlen, Drohungen und Übergriffe gegen Journalisten, die im rechten Milieu recherchieren sowie Einflussnahme auf Redaktionen durch Anzeigenschaltungen haben zu Punkten geführt.
Frankreich (31.) ist um sechs Plätze gestiegen. Journalisten wurden nicht mehr Opfer von Gewalt wie noch Ende 2005 beim Arbeitsstreit auf Korsika oder während der Proteste in den Vorstädten von Paris.
Die Vereinigten Staaten rangieren auf Platz 48. Der Blogger Josh Wolf kam nach 224 Tagen Haft frei. Der sudanesische Kameramann von Al-Dschasira, Sami Al-Haj, wird seit Juni 2002 in Guantanamo festgehalten. Im August dieses Jahres wurde der Journalist Chauncey Bailey in Oakland erschossen. Der Quellenschutz ist weiterhin gefährdet.
Italien blieb auf rang 40, auch wenn Journalisten weiterhin von der Mafia bedroht und nicht überall ohne Gefahr arbeiten können. In Japan (37.) haben die Angriffe auf die Presse durch militante Nationalisten nachgelassen; das Land ist um 14 Ränge gestiegen.
In Russland (144.) sind keine Fortschritte zu verzeichnen. Der Mord an Anna Politkowskaja im Oktober 2006 und die mangelnde Aufklärung des Verbrechens sowie die abnehmende Vielfalt v.a. bei den Nachrichtenmedien wiegen hier schwer.
Bulgarien und Polen sind Schlusslichter der EU
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union sind unter den ersten 50 - mit Ausnahme von Bulgarien (51.) und Polen (56.). In Sofia laufen Journalisten Gefahr, wegen kritischer Berichte attackiert zu werden. Das Klima hat sich weiter aufgeheizt, weil die Anklage gegen Polizisten fallengelassen wurde, die einen Journalisten zusammen geschlagen hatten. In Polen weigern sich die Behörden, Pressevergehen zu entkriminalisieren; Journalisten erhalten häufig Bewährungsstrafen. Seit die Brüder Kaczynski an der Macht sind, mehren sich die strafrechtlichen Verfolgungen von Medienleuten.
Die Länder in Nordeuropa schneiden wie auch in den vergangenen Jahren am besten ab. Die Niederlande allerdings sind vom ersten auf den zwölften Platz abgerutscht. Zwei Journalisten der Tageszeitung "De Telegraaf" wurden zwei Tage in Gewahrsam genommen, da sie sich weigerten, den Justizbehörden ihre Quellen zu nennen.
Dänemark zählt wieder zu den Spitzenreitern. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen ist beendet. Die Journalisten der Tageszeitung "Berlingske Tidende" wurden von dem Vorwurf der "Gefährdung der Staatssicherheit" freigesprochen.
In Spanien (33.) hat die baskische Separatistengruppe ETA ihren Waffenstillstand gebrochen. Daher schwindet die Hoffung, dass Journalisten wieder frei von Drohungen und Angst vor Gewalt arbeiten können. Viele Journalisten haben Polizeischutz.
Die Türkei ist neben Russland das einzige Land Europas, in dem ein Journalist ermordet wurde. Hrant Dink, Herausgeber der armenisch-türkischen Zeitung "Agos", wurde im Januar von radikalen Nationalisten erschossen. Auch wiegt der §301 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, nach wie vor schwer.
In Zentralasien gibt es keine positiven Veränderungen. So sind etwa Usbekistan (160.) und Turkmenistan (167.) noch immer ganz unten auf der Rangliste.
Methode
Reporter ohne Grenzen hat für die Rangliste 167 Länder ausgewertet (die USA und Israel wurden zweimal gelistet: für das Land selber und das Vorgehen im Irak bzw. in den Palästinensischen Gebieten). Die Menschenrechtsorganisation hat sich mit 50 Fragen zur Situation in den jeweiligen Ländern an ihre Partnerorganisationen, ihr Korrespondenten-Netzwerk sowie an Journalisten, Rechercheure, Juristen und Menschenrechtler gewandt. Berücksichtigt wurde der Zeitraum von September 2006 bis Ende August 2007.